Umlaufmotor

Umlaufmotor

Der Umlaufmotor ist in der Regel ein Verbrennungsmotor, bei dem das Kurbelgehäuse und die Zylinder um die Kurbelwelle rotieren. Die Zylinder sind bei vielen Modellen sternförmig um die Kurbelwelle angeordnet, wobei aber auch Boxer- und Einzylinderanordnungen konstruiert wurden. Der Bewegungsablauf von Umlaufmotoren ist gegenüber herkömmlichen Hubkolbenmotoren kinematisch umgekehrt. Die meisten Modelle von Umlaufmotoren besaßen eine feststehende Kurbelwelle mit daran befestigten, drehbar gelagerten Hubzapfen sowie darum umlaufende Zylinder. Dabei sind Zylinder und Hubzapfen exzentrisch zueinander angeordnet, wodurch der Hub der einzelnen Kolben innerhalb der Zylinder zustande kommt. Bei einigen späten Modellen rotierte die Kurbelwelle gegenläufig zum Zylinderstern, um die absolute Drehzahl des Zylindersterns zu reduzieren.

Die kinematische Umkehr des Umlaufmotors ist auch beim Wankelmotor zu finden, der sowohl als Drehkolbenmotor wie auch als Kreiskolbenmotor gebaut wurde.

Eine weitere Variante des Umlaufmotors ist die Elbow engine, eine Kraftmaschine, die Dampfdruck oder Pressluft in mechanische Energie umsetzt.

Ein Doppelstern-Umlaufmotor U III der Motorenfabrik Oberursel von 1914/15 (14 Zylinder; Hubraum 23,6 l; max. 115 kW/160 PS bei 1200 min-1)
Exponat im Deutschen Museum München

Inhaltsverzeichnis

Übersicht und Geschichte

Umlaufmotoren wurden hauptsächlich in der Frühzeit der Fliegerei eingesetzt. Da man auf der Suche nach leistungsfähigen, aber leichten Motoren war, wollte man die aufwendige und schwere Wasserkühlung durch die einfache Luftkühlung ersetzen. Um eine genügend große Luftströmung für die Kühlung zu erhalten, ließ man die Zylinder um die Kurbelwelle rotieren. Umlaufmotoren hatten bis zu 14 Zylinder, wobei diese Varianten mit ihrem doppeltem Zylinderstern wegen der Kühlungsprobleme keine große Verbreitung fanden. Zudem traten wegen der hohen rotierenden Massen große Trägheitsmomente auf, welche die Manövrierfähigkeit der Maschinen beeinträchtigten.

Der Umlaufmotor wurde 1908 in Gennevilliers (Frankreich) von den Gebrüdern Laurent und Louis Séguin erfunden. Ihr Motor wurde unter dem Namen „Gnôme“ bekannt. Im Deutschen Reich baute ab 1913 die Motorenfabrik Oberursel die Konstruktion in Lizenz unter der Bezeichnung Oberursel-Gnôme U O (7 Zylinder; Hubraum 11,8 l; 60 kW/80 PS bei 1200 min-1). Dessen Weiterentwicklung, der Doppelsternmotor U III von 1914/15 mit 14 Zylindern und 110 kW/150 PS konnte im praktischen Einsatz nicht überzeugen, da er die oben erwähnten Probleme zeigte.

Nach dem Oberursel U I (9 Zylinder; Hubraum 16,3 l; 70 kW/95 PS) wurde ab Ende 1916 in der Bauart Le Rhône der UR IIa ((9 Zylinder; Hubraum 15,1 l; 90 kW/120 PS) in mehreren Jagdflugzeugen (Fokker Dr.I, Pfalz Dr.I) der Fliegertruppe des Deutschen Heeres verwendet. Als letzte Oberursel-Entwicklung bestand im April 1917 der UR IIIa die Abnahmeprüfung des Heeres. Dieser Motor mit 11 Zylindern und einem Hubraum von 18,4 l leistete 88 kW/120 PS.

Die Gandenberger’sche Maschinenfabrik Georg Goebel in Darmstadt konnte nach dreijähriger Entwicklungszeit Anfang 1917 die Bauabnahme für ihren Umlaufmotor Goe II erzielen. Die Konstruktion mit 7 Zylindern, 15,7 Litern Hubraum und 75 kW/100 PS Leistung wurde nur in geringen Stückzahlen gebaut und ab Mai 1918 vom Goe III ersetzt, der mit 9 Zylindern und einem Hubraum von 27 Litern eine Leistung von 118 kW/160 PS hatte. Die meisten der 229 ausgelieferten Goe III verwendete Fokker in den Jagdeinsitzern.

Vorteile und Nachteile

Umlaufmotoren benötigen keine zusätzlichen Schwungmassen, da das Kurbelwellengehäuse und die daran befestigten Zylinder als Schwungrad wirken. Dadurch waren sie bei mechanisch ruhigem Lauf um etwa ein Drittel leichter als herkömmliche (Reihen-)motoren. Der Gewichtsvorteil war vor allem beim Einsatz in Jagdflugzeugen des Ersten Weltkrieges ein entscheidender Faktor. Durch die hohe rotierende Masse des Motors treten beim Kurven jedoch hohe Kreiselmomente auf, die das Steuern des Flugzeugs erschweren, andererseits bei Jagdflugzeugen besonders schnelle Flugmanöver erlauben.

Bei Einsatzvarianten ohne viel Fahrtwindaufkommen wie z. B. in Automobilen hatten Umlaufmotoren den Vorteil, dass im Unterschied zu nicht rotierenden Motoren selbst ohne Fahrtwind oder Gebläse eine ausreichende Luftkühlung möglich war.

Das Treibstoff-Luft-Gemisch wird bei Umlaufmotoren durch die hohle Kurbelwelle und das Kurbelgehäuse zugeführt, was wegen der Strömungswiderstände und der Aufheizung des Gemisches zu Leistungseinbußen führt. Bei obenliegender Gaszuführung führt außerdem die Fliehkraft zu Druckverlusten beim Ansaugen des Frischgases in die Zylinder. Spätere Modelle hatten wegen der Aufheizung eine vom Kurbelgehäuse abgetrennte Gemischzuführung. Einige Muster saugten das Frischgas über Flatterventile an, was bei Drosselung zu heftigen Flammrückschlägen führt, weswegen Umlaufmotoren oft über Aus- und Einschalten der Zündung geregelt wurden. Wenn bei Flugschauen Repliken der alten Flugzeuge mit diesen Triebwerken zur Landung einschweben, ist das Aus- und Einschalten der Zündung zum Verringern der Geschwindigkeit deutlich zu hören.

Da das Kraftstoff-Luft-Gemisch durch das Kurbelgehäuse geführt wurde, bestand die Gefahr der Ölverdünnung durch den Kraftstoff mit damit verbundenen Schmierproblemen, weshalb bevorzugt das benzinunlösliche Rizinusöl verwendet wurde. Ferner wurde durch die Rotation viel Öl in die Zylinder gedrückt und ausgestoßen, was einen hohen Schmierstoffbedarf (Brennstoff-/Schmierstoffverhältnis von 4:1) zur Folge hatte. Die ersten Versuchsmotoren verbrauchten teilweise sogar mehr Öl als Benzin. Durch die Rotation der Zylinder traten an den Kolben außerdem Corioliskräfte auf, die seitlich wirkten und einen hohen Wartungsaufwand zur Folge hatten.

Einige späte Muster (z.B. der Siemens & Halske Sh.III von 1917) wurden als Gegenläufer ausgelegt, bei denen sich über ein Getriebe die Kurbelwelle gegenläufig zum Zylinderstern drehte. Bei einer Übersetzung von 1:1 konnte dadurch bei gleicher Relativgeschwindigkeit zwischen Stern und Kurbelwelle und damit gleicher Leistung die Drehzahl des Zylindersterns gegenüber dem Flugzeug halbiert werden. Der Propellerwirkungsgrad wurde damit deutlich gesteigert bei gleichzeitiger Verringerung der negativen Auswirkungen der Rotation wie der Kreiseleffekte und Gaswechselverluste.

Einsatz in Fahrzeugen

Motorräder

Megola Umlaufmotor

In den 1920er Jahren gab es die Megola, ein Motorrad mit einem 5-Zylinder-Gegenumlaufsternmotor in der Vorderradnabe, dessen Gehäuse (zum Teil zwischen den Speichen herausschauend) zusammen mit dem Rad und dessen Kurbelwelle in die entgegengesetzte Richtung rotiert. Die Megola hatte weder Schaltgetriebe noch Kupplung, war aber sportlich sehr erfolgreich und wurde 1924 gegen die BMW-Werksmannschaft deutscher Meister.

Es gab aber auch Umlaufsternmotoren in Motorradrahmen, am bekanntesten und kommerziell am erfolgreichsten war die Redrup Radial von 1912 mit einem Gegenumlauf-3-Zylinder und im Gegensatz zur Megola einem ansonsten konventionellen Antriebsstrang mit externem Schaltgetriebe und Riemenantrieb.

Bei einigen der 1904 in Wales von Barry gebauten Motorrädern war zwar auch ein Umlaufmotor eingebaut, jedoch kein (bei nur 2 Zylindern wie ein V-Motor schüttelnder) Sternmotor sondern ein 2-Zylinder-Boxermotor, der in der Rahmenmitte rotierte.

In den 1940er Jahren konstruierte Cyril Pullin sogar einen Einzylindermotor, dessen Gehäuse in der Radnabe zusammen mit dem Rad rotierte. Als Gewichtsausgleich waren noch Kupplung und Trommelbremse in die Powerwheel genannte Radnabe eingebaut. Das Powerwheel kam allerdings nicht über das Prototypenstadium hinaus.

Automobile

Auch in Automobilen amerikanischer Automobilmarken Anfangs des 20. Jahrhunderts gab es Umlaufmotoren. Die Hersteller Adams-Farwell, Balzer, Bailey und Intrepid hatten allerdings nur regionale Verbreitung.

Flugzeuge

In Flugzeugen kamen Umlaufmotoren hauptsächlich in der Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges zum Einsatz, wie beispielsweise in den Fokker-Modellen E1- E3 sowie Dr.I (des Dreideckers, der durch den „Roten Baron“ Manfred von Richthofen Berühmtheit erlangte). In Großbritannien stammte der erfolgreichste Umlaufmotor von Walter Owen Bentley, der später als Automobilkonstrukteur legendären Ruf erlangte.

Weblinks


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