Umweltschutzbewegung

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Die Umweltbewegung (umgangssprachlich auch: Öko-Bewegung) ist eine hauptsächlich auf den Natur- bzw. Umweltschutz konzentrierte soziale Bewegung.

Inhaltsverzeichnis

Aktionsbündnisse zur Umweltbewegung

Die Umweltbewegung kann sich zu einem oder mehreren kollektiven Akteuren verdichten (Massenbewegung), um ein von ihr als solches wahrgenommenes Problem im Rahmen bestimmter Konflikte zwischen Mensch und Umwelt in ihrem Sinne zu „lösen“. Die einzelnen Akteure sind dabei nicht zwangsläufig in nur einer Umweltschutzorganisation organisiert, obwohl Organisationen sehr wohl Teil der Bewegung sein können, wenn nicht sogar oft synonym verwendet. Typisch für derartige Umweltbewegungen sind (im heutigen Sinne) Nichtregierungsorganisationen, wie BUND, Grüne Liga, NABU, Greenpeace, Aktionsbündnisse und viele andere. Ziel der meisten Umweltbewegungen und ihrer Mitstreiter (Umweltaktivisten) ist ein grundlegender Wandel im Verhältnis Mensch-Umwelt.

Umweltbewegungen können anhand ihrer konkreten (thematischen) Zielstellung, ihres Organisationsgrades, ihrer Größe, der von ihnen gewählten Strategien usw. unterschieden werden. Sie durchlaufen idealtypisch mehrere Phasen, die von der ersten Auseinandersetzung mit dem Problem, der Thematisierung (meistens vor allem Ablehnung sich entwickelnder umweltschädlicher Praktiken) bis zur Organisation von diese Probleme lösenden Strukturen verläuft. Nicht selten sind ökologische Initiativen thematisch und zeitlich begrenzt. Sie enden, wenn ihr Ziel, etwa die Verhinderung einer Schweinemastanlage oder eines Straßenprojekts, erreicht wurde. Eine andere Art von Begrenzung findet man etwa bei der jährlichen Aktion „Mobil ohne Auto“, für die sich jeweils Vorbereitungsgruppen finden.

Umweltschutzbewegungen in Deutschland

In Deutschland ist zwischen der ersten Umweltbewegung (die um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstand) und der zweiten Umweltbewegung (ca. 1970er- bis 1980er-Jahre) zu unterscheiden. Die erste Umweltbewegung hat dabei ihre Wurzeln in der Romantik, der Heimatschutzbewegung, der Lebensreformbewegung und in der aus der Anthroposophie hervorgegangenen biologisch-dynamischen Landwirtschaft (1924).

Die zweite Umweltbewegung ist eine der sogenannten „neuen sozialen Bewegungen“. Sie entstand sowohl in West- wie in Ostdeutschland (DDR), wenn auch unterschiedlich. Eine der ältesten westdeutschen Initiativen war die Bürgeraktion Umweltschutz Zentrales Oberrheingebiet (BUZO), 1971 aus dem Widerstand gegen die Expansionspläne der Erdölraffinerien in Karlsruhe-Knielingen von Hans-Helmut Wüstenhagen gegründet, dem späteren Vorsitzenden des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). In der DDR stand neben dem Protest gegen (etwa) Waldschäden im Erzgebirge oder Luftverschmutzungen in Bitterfeld/Wolfen immer das Aufbegehren gegen die Nicht-Informationspolitik der Regierung.

In Tübingen gründete sich unmittelbar nach dem am 26. November 1970 gehaltenen Vortrag „Überleben im Atomzeitalter“ von Professor Harald Stumpf vom Institut für Theoretische Physik das Komitee für Umweltschutz, neben dem sich kurz darauf der von Hartmut Gründler gegründete Bund für Umweltschutz etablierte.

Bedeutsam für die anwachsende zweite Umweltbewegung waren auch die aus 21 Gruppierungen bestehenden Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen, die sich in der Auseinandersetzung um Industrieanlagen bei Marckolsheim gebildet hatten, im gewaltlosen Kampf um das Kernkraftwerk Wyhl letztlich siegreich waren und die erste größere Basis des später 600 Bürgerinitiativen umfassenden BBU bildeten.

In der DDR, in der man Ende der 80er Jahre über 60 Umweltgruppen zählte, gab es Kristallisationspunkte: das Kirchliche Forschungsheim in der Lutherstadt Wittenberg, den Ökologischen Arbeitskreis der Dresdner Kirchenbezirke oder die „Umweltbibliothek“ an der Berliner Zionskirche.

Politische Ökologie

In Westdeutschland war folgende politische Überlegung der zweiten Umweltbewegung letztlich sehr wirkungsvoll: Nicht nur die arbeitenden Menschen, sondern auch die Natur wurde als durch die industrielle Wirtschaftsweise bedroht angesehen. Diese Gedanken der Alternativbewegung erhielten Einzug in die zunächst aus dem Widerstand gegen die Kernenergie entstehende Umweltbewegung der 1980er-Jahre, die eine fahrlässige Abfallentsorgung und -verbrennung ebenso thematisierte wie die damalige industriefreundliche Chemiepolitik, das Waldsterben und die Tropenwaldvernichtung, die Gefährdung der Atmosphäre (Ozonloch), umweltschädliche Formen der Tiermast usw. Auch andere Themen wurde nach und nach in die Umweltbewegung integriert: „Nachdem über den Umweltgedanken ein neuer Personenkreis zum Naturschutz gestoßen war, entwickelte sich auch eine Beziehung zur Friedensbewegung, zu emanzipatorischen Frauengruppen.“ (Stölb 114).

Für die DDR-Umweltbewegung bestand das Politische in Sozialismuskritik. Der DDR-Sozialismus vermochte nicht, die „Überbleibsel des Kapitalismus“ (wie er Umweltprobleme gerne nannte) zu beheben; und er machte „Ökologie“ zum Tabuthema. Insofern war allein schon das Aufgreifen des Themas Kritik – für die Stasi „feindlich-negativ“.

„Leitwissenschaft“ dieser Bewegung wurde die Ökologie. Indem das Wort „Ökologie“ aber Eingang in die tägliche Umgangssprache fand, veränderte sich seine Bedeutung. Die zunächst neutrale ökologische Wissenschaft wurde positiv besetzt, sodass „ökologisch“ gleichbedeutend wurde mit „umweltverträglich, sauber, rücksichtsvoll, biologisch abbaubar, unbedenklich“ etc.

Kulturelle Formen

In ihrer Entstehungs- und Blütezeit entwickelte die zweite Umweltbewegung in den 1970er- und 1980er-Jahren charakteristische subkulturelle Formen, die bis heute nachwirken. In der Regel verfolgten ihre Anhänger (oft auch „Ökos“ genannt) auch über den Umweltschutz hinausgehende reformerische Ziele, die sich in einem „alternativen Lebensstil“ niederschlugen. Die „Ökos“ waren in den Anfangsjahren zumeist Teil eines links geprägten jugendkulturellen Spektrums, das sich in den ausgehenden 1970er-Jahren zunehmend ausdifferenzierte. Besonders deutlich war die Abgrenzung zur zeitgleichen Discoszene und zu den Poppern. Die Ökoszene entwickelte eine charakteristische Ästhetik, die sich aus der Hippie-Ästhetik entwickelte und von Naturmaterialien sowie exotischen Mustern und Batik geprägt war. Der Kleidungsstil war betont leger, Haare wurden gerne lang, offen und wenig domestiziert getragen.

Die DDR-Umweltbewegung, soweit sie unabhängig war, ging von den evangelischen Kirchen aus. Zum Teil ähnelte der Lebensstil ihrer Mitglieder dem der West-Ökoszene; für die Kirchen und ihre traditionellen Mitglieder war das teilweise ein Schock. Es gab aber unterschiedliche Einfärbungen: von eher anarchistisch (etwa die Ostberliner „Umweltbibliothek“) bis zu eher bürgerlich (z. B. der Dresdner Ökologische Arbeitskreis).

Politisierung

Einige Naturschutzverbände sind institutionalisierte Überbleibsel der ersten Umweltbewegung, die zweite Umweltbewegung Westdeutschlands fand ihren institutionellen Niederschlag u. a. in der Einrichtung eines Umweltministeriums, des Umweltbundesamtes und der Gründung der „Grünen Aktion Zukunft“ (GAZ) im Jahr 1981. Aus der GAZ spalteten sich 1982 die deutschen Parteien „Die Grünen“ und „ÖDP“ ab. In der DDR begann die politische Institutionalisierung als kirchliche: Zwischen 1987 und 1989 trafen sich Vertreter von Friedens-, Umwelt- und Gerechtigkeitsgruppen sowie Vertreter aller christlichen Kirchen zu „Ökumenischen Versammlungen“. Damit war für alle drei Themenbereiche eine neue Qualität und Verbindlichkeit erreicht. Politisch ist aus diesen Versammlungen die Partei „Demokratie Jetzt“ hervorgegangen. Diese schloss sich alsbald mit anderen zum Wahlbündnis „Bündnis 90“ zusammen, das später mit den westdeutschen Grünen fusionierte. Auffallend an den neuen Programmen aller DDR-Parteien 1990 waren die starken Ökologie-Anteile, die freilich in den Folgejahren mehr und mehr zurücktraten. Parallel zu „Demokratie Jetzt“ gründete sich Ende 1989 in Ost-Berlin eine „Grüne Partei der DDR“ sowie – als Netzwerk der Umweltgruppen – die „Grüne Liga“. Aus einem Arbeitskreis von Landwirten und Gärtnern beim Kirchlichen Forschungsheim Wittenberg ging etwa zur gleichen Zeit der ökologischen Anbauverband Gäa e.V. hervor.

Siehe auch

Literatur

deutsch

  • Michael Beleites: Die unabhängige Umweltbewegung in der DDR. In: Hermann Behrens u. Jens Hoffmann (Hrg.): Umweltschutz in der DDR. Analysen und Zeitzeugenberichte. Bd. 3, S. 179-224. München 2007
  • Franz-Josef Brüggemeier, Jens Ivo Engels (Hrsg.): Natur- und Umweltschutz nach 1945. Frankfurt a. M. / New York 2005.
  • Jens Ivo Engels: Naturpolitik in der Bundesrepublik: Ideenwelt und politische Verhaltensstile in Naturschutz und Umweltbewegung 1950-1980, Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag, 2006, ISBN 978-3-506-72978-1. Rezension
  • Patrick von zur Mühlen: Aufbruch und Umbruch in der DDR. Bürgerbewegungen, kritische Öffentlichkeit und Niedergang der SED-Herrschaft. Bonn 2000.
  • Joachim Radkau, Frank Uekötter (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main /New York: Campus 2003

englisch

  • Robert Gottlieb: Forcing the spring : the transformation of the American environmental movement, Überarbeitete Neuauflage, Washington, DC [u.a.] : Island Press, 2005, gründliche Studie
  • Carolyn Merchant: Radical ecology : The Search for a Livable World, Routledge, 2.Auflage 2005, ISBN 0415935784 - gute Übersicht über die verschiedenen Richtungen ökologischen Denkens
  • Philip Shabecoff: A Fierce Green Fire. The American Environmental Movement (Taschenbuch), Island Press, Revidierte Neuauflage 2003, ISBN 1559634375

französisch

  • Yves Frémion : Histoire de la révolution écologiste, Paris 2007

Weblinks


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