Unentgeltliche Beförderung

Unentgeltliche Beförderung

Die unentgeltliche Beförderung (ungangssprachlich auch als Freifahrt bezeichnet) in öffentlichen Verkehrsmitteln des Nahverkehrs können in Deutschland schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen, denen vom Versorgungsamt zum Schwerbehindertenausweis eines der folgenden Merkzeichen zuerkannt wurden: gehbehindert (G, erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), gehörlos (GL), hilflos (H).

Die Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) und Bl (Blind) berechtigen nicht zur unentgeltlichen Beförderung, schließen jedoch die Merkzeichen G und H mit ein. Die unentgeltliche Beförderung dient der Eingliederung Behinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft. Rechtsgrundlage ist das Neunte Buch Sozialgesetzbuch.

Inhaltsverzeichnis

Weitere Berechtigte

Nach der Besitzstandswahrung im „Gesetz über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr“ betrifft dies auch versorgungs- und entschädigungsberechtigte (Merkzeichen: Kriegsbeschädigt, VB oder EB) ab einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von heute noch mindestens 70, wenn der behinderte Mensch schon vor dem 1. Oktober 1979 aufgrund des „Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr“ freifahrtberechtigt war. Schwerbehinderten Auslandsdeutschen, die zu Besuchszwecken in das Bundesgebiet einreisen, kann nach Glaubhaftmachung der Voraussetzungen der „Ausweis zur unentgeltlichen Beförderung“ für die Dauer ihres Aufenthaltes, einschließlich kostenfreiem Beiblatt ausgehändigt werden.

Schwerbehindertenausweise, die vor dem Inkrafttreten des SGB IX am 1. Juli 2001 ohne freifahrtberechtigtem Merkzeichen, jedoch wegen Gehörlosigkeit ausgestellt wurden, sind allein mit ihrem orangefarbenen Aufdruck und ohne Merkzeichen auch weiterhin bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit zur unentgeltlichen Beförderung zugelassen.

Behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von unter 50 haben auch bei „dauernden Einbußen der körperlichen Beweglichkeit“ keinen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung, da hier die erforderlichen Merkzeichen nicht zuerkannt werden können.

Der Schwerbehindertenausweis, der zur unentgeltlichen Beförderung berechtigt, ist neben der Grundfarbe grün mit einem halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck gekennzeichnet.

Beiblatt

Die unentgeltliche Beförderung wird unabhängig vom Einkommen gewährt; ab dem sechsten Lebensjahr gilt sie nur in Verbindung mit einem Beiblatt, das für derzeit 30 Euro für ein halbes, oder 60 Euro für ein ganzes Jahr beim Versorgungsamt erhältlich ist. Schwerbehinderte Menschen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, VII oder XII, oder Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz erhalten, blind (BL) oder hilflos (H) sind, erhalten das Jahresbeiblatt kostenlos. Ebenso kostenlos erhalten schwerbehinderte Menschen das Beiblatt, wenn sie bereits vor dem 1. Oktober 1979 aufgrund des „Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr“ freifahrtberechtigt waren oder gewesen wären, wenn sie nicht zu dieser Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der ehemaligen DDR gehabt hätten.

Wer das Beiblatt mit Kostenbeteiligung vor Ablauf der Geltungsdauer zurückgeben oder stattdessen (bei Merkzeichen G oder GL) die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch nehmen möchte, bekommt für jeden noch verbleibenden Gültigkeitsmonat derzeit fünf Euro erstattet, sofern drei Monate Gültigkeit nicht unterschritten werden. Spätestens sechs Wochen vor Ablauf der Geltungsdauer des Beiblattes fragt das Versorgungsamt nach, ob die unentgeltliche Beförderung auch weiterhin genutzt werden möchte.

Die unentgeltliche Beförderung kann - wenn lediglich das Merkzeichen G oder GL vorhanden ist - nur genutzt werden, wenn nicht bereits die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch genommen wird.

Verkehrsmittel

Der Behinderte erhält zu seinem Schwerbehindertenausweis auch ein DB-Streckenverzeichnis mit Eisenbahnstrecken im Umkreis von 50 km um seinen Wohn- oder ständigen Aufenthaltsort. Da die Deutsche Bahn jedoch seit dem 1. September 2011 freiwillig auf diese Nutzungsbegrenzung ihrer Nahverkehrszüge verzichtet, ist es bis zu einer Rechtsänderung (geplant für Januar 2012) nur noch für einige D-Züge von Bedeutung. Somit unterliegen die nutzbaren Verkehrsmittel keinerlei Begrenzungen mehr.

Der Schwerbehindertenausweis mit Freifahrtberechtigung berechtigt zur kostenfreien Nutzung von:

  • Eisenbahnen des Nahverkehrs (Regionalbahn (RB), Regionalexpress (RE), Interregio-Express (IRE) und S-Bahn)
  • S-Bahnen
  • Linienbussen
  • Schul-, Berufs-, Markt- und Theaterbussen
  • Straßenbahnen
  • Untergrund-, Hoch- und Schwebebahnen
  • Übersetzfähren
  • Sammeltaxis, wenn die Beförderungsbedingungen einen Ausstieg außerhalb der Haltestellen nicht gestatten oder dies erst außerhalb einer Ortschaft gestattet ist (in dem Fall Freifahrt nur bis zur letzten Ortshaltestelle)
  • Nahverkehrszügen innerhalb von Verkehrsverbünden die ins Ausland ragen (eventuell nur noch bis Januar 2012)

Verkehrsunternehmen die mittels Fahrgastzählung nachweisen können, dass die Mehrzahl ihrer Fahrgäste weiter als 50 km fahren, können für die betroffenen Strecken von der Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung befreit werden.

Begleitung

Ist die „Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson“ mit dem Merkzeichen B ebenfalls nachgewiesen, so fährt auch eine Begleitperson und/oder ein Hund im Nah- wie im innerdeutschen Fernverkehr kostenfrei mit. Dies gilt nicht in Zügen der europäischen Fernbahnen, allerdings gewähren diese meist gewisse Vergünstigungen für den Begleiter oder den behinderten Menschen selbst.

Das Merkzeichen B bedeutet jedoch nicht, dass der Behinderte nicht alleine reisen darf. Auch ist nicht vorgeschrieben, dass die Begleitperson die gesamte Strecke mitfahren muss. Es besteht sogar die Möglichkeit, verschiedene Begleitungen in Anspruch zu nehmen. Hunde, die nicht größer als eine Katze sind, fahren immer kostenlos. Begleithunde von schwerbehinderten Menschen sind von der Maulkorbpflicht in Zügen befreit und dürfen im DB-Fernverkehr auch im Gastro- und Ruhebereich mitgeführt werden.

Blinde (Merkzeichen BL) müssen in den Regionalzügen von Baden-Württemberg keinen „Bordpreis“ für nachgelöste Fahrscheine entrichten, wenn sie ohne Begleitperson reisen. In allen anderen Bundesländern sind schwerbehinderte Menschen generell von der Zahlung des „Bordpreises“ befreit.

Im europäischen Eisenbahnverkehr fahren Begleitungen von Blinden und von Rollstuhlbenutzern nach dem Internationalen TCV-Tarif kostenfrei mit. Außerhalb Deutschlands fahren Begleitpersonen nach diesem Tarif nur dann kostenfrei mit, wenn nicht bereits ein Führhund den blinden Menschen begleitet.

Für die unentgeltliche Mitnahme einer Begleitperson ist kein Beiblatt erforderlich. Die Begleitung fährt immer in der Klasse kostenfrei, in der der Schwerbehinderte selbst eine Fahrberechtigung besitzt. Schwerbehinderte Kinder, denen die Berechtigung zur Begleitung bescheinigt wurde (Merkzeichen B) und die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, können mit ihrer Begleitperson ausnahmslos den gesamten ÖPNV, Nah- und Fernverkehr sowie alle privat betriebenen Eisenbahnen in der zweiten Klasse ohne Beiblatt innerhalb Deutschlands kostenfrei nutzen. Einzig im ICE-Sprinter ist ein Aufpreis zu zahlen.

Weitere Erleichterungen und Vergünstigungen

Schwer Kriegsbeschädigten oder Entschädigungsberechtigten kann ab einem GdS von 70 bei besonders gravierenden Behinderungen das Merkzeichen „1. KL.“ zuerkannt werden. Dieses berechtigt zur Nutzung der ersten Klasse in Zügen, in denen die Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn zur Anwendung kommen. In Verkehrsverbünden ist dies individuell geregelt. Ohne dieses Merkzeichen kann die unentgeltliche Beförderung stets nur in der zweiten Klasse erfolgen. Daneben steht es dem Freifahrtberechtigten frei, eine Aufpreiskarte für die erste Klasse zu lösen. Dies ist jedoch nicht überall möglich.

Manche Fluggesellschaften, wie beispielsweise die Lufthansa, bieten für Kriegsbeschädigte und NS-Verfolgte Vergünstigungen an. In vielen Fällen fliegt eine Begleitperson auf Grund des Merkzeichens B im innerdeutschen Flugverkehr sogar kostenfrei.

Ab einem GdB von 70 können schwerbehinderte Menschen die „BahnCard 25 oder 50“ zum halben Preis erwerben. Die „Mitfahrerregelung“ der DB findet auf den Schwerbehindertenausweis keine Anwendung. Auch die kostenfreie Mitnahme von Kindern im Alter zwischen 6 und 15 Jahren bei der DB ist nicht möglich, da diese auf einem Fahrschein vermerkt sein müssen. Ein Kind fährt jedoch ab dem sechsten Lebensjahr oder ab Beginn des Schulbesuches als Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen kostenfrei.

Das Merkzeichen B (Begleitung) berechtigt zudem einen oder zwei Sitzplätze im DB-Fernverkehr kostenfrei zu reservieren. Unabhängig davon besteht für Behinderte im Nah- wie im Fernverkehr ein Anspruch auf die Sitzplätze mit „stilisiertem Kreuz“ oder auf die Plätze mit der Bezeichnung „Schwerbehinderte“.

Orthopädische Hilfsmittel - wie zum Beispiel ein Rollstuhl oder andere Gegenstände, die der Mobilität Behinderter dienen - werden ebenfalls, soweit die Beschaffenheit des Fahrzeuges dies zulässt, kostenfrei befördert. Hierzu zählen beispielsweise Behindertendreiräder, nicht jedoch gewöhnliche Fahrräder oder Tandems.

Geschichte der Freifahrt

Die Geschichte der Freifahrt begann bereits am 1. April 1944, als „in Würdigung der großen Opfer, die die Kriegsbeschädigten für Volk und Reich dargebracht haben“, die „Verordnung über Vergünstigungen für Kriegsbeschädigte im öffentlichen Personenverkehr“ in Kraft trat, welche die unentgeltliche Beförderung von Kriegsbeschädigten ab einer MdE von 70 % und einer eventuell benötigten Begleitperson anordnete.

Frei genutzt werden konnten:

  • Straßenbahnen,
  • S-Bahnen in Berlin und Hamburg, sowie
  • Busse im Ortsverkehr.

Eine Erstattung der Fahrgeldausfälle an die Verkehrsunternehmen fand noch nicht statt. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht 1962 entschieden, dass der Staat die Verkehrsunternehmen für die unentgeltliche Beförderung entschädigen soll, da aber bereits eine Gesetzesnovellierung im Gange war, wurde die Erstattung nicht mehr in die alte Verordnung aufgenommen. Die Verordnung findet auch heute noch in Österreich Anwendung, da zu der Zeit ihrer Bekanntgabe das Land zum Deutschen Reich gehörte und nach dem Zweiten Weltkrieg übernommen wurde. Im Jahr 1999 war vorgesehen, im Rahmen einer so genannten „Bundesrechtsbereinigung“ die Verordnung in Österreich aufzuheben. Hiervon wurde jedoch schnell wieder Abstand genommen, da wohl auch mindestens in zwanzig Jahren noch mehr Kriegsbeschädigte zu verzeichnen sind als zunächst angenommen wurde.

Am 1. Januar 1966 wurde die Verordnung von 1944 durch das „Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr“ ersetzt. Neu war hier die seit langem geforderte Erstattungspflicht für die Fahrgeldausfälle, und die Einbeziehung „ziviler Behinderter“, wenn sie gehbehindert oder blind waren, das sechste Lebensjahr vollendet hatten, und ihr Einkommen zumindest unterhalb des Sozialhilferegelsatzes lag. Der Begriff „gehbehindert“ bezog sich jedoch nur auf wirklich Körperbehinderte, nicht also - so wie heute - auch zum Beispiel auf geistig Behinderte oder Asthmakranke. Auch dieses neue Gesetz ermöglichte noch keine Zugfahrten.

Frei genutzt werden konnten von nun an:

  • Straßenbahnen,
  • S-Bahnen,
  • Übersetzfähren, sowie
  • (O)Busse im Orts- und Nachbarortsverkehr.

Die so genannten „Überlandbusse“ gehörten nicht zu dem damaligen Nahverkehrsbegriff. Dies benachteiligte dementsprechend diejenigen, die auf dem Land lebten. Die Busse der Bundespost und Bundesbahn konnten jedoch Kriegsbeschädigte und über 70-jährige Blinde nach deren damaligen Tarifbestimmungen auf ganzer Strecke nutzen, wohingegen zivile Behinderte diese nur im Rahmen des Freifahrtgesetzes nutzen konnten (also nur im Ortsverkehr).

Aus der alten Freifahrtregelung für Kriegsbeschädigte und anderen Gruppen wurde am 1. Oktober 1979 dann die heutige Freifahrt (Gesetz über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im Nahverkehr). Für die Inanspruchnahme dieses „Nachteilausgleiches“ wurde zunächst bis zum 1. April 1984 bei einer MdE von mindestens 80 % die benötigte „erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr“ - die im Ausweis mit einem G vermerkt wird - auf Grund von Verwaltungsvereinfachung gesetzlich unterstellt. Bei einer MdE von 50- bis 70 % musste im Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen vorlagen. Dies ist heute alleinige Praxis. Auch Hilflosigkeit (H) berechtigt zur unentgeltlichen Beförderung. Das ebenfalls berechtigende Merkzeichen GL gibt es erst seit dem Jahr 2001 (Einführung des SGB IX), da Gehörlose aber dennoch einen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung hatten, bekamen diese Personen auch einen Freifahrtausweis, jedoch mit durchgestrichenem G (es sei denn, sie waren gleichzeitig gehbehindert).

Geplant war auch die Einbeziehung des innerdeutschen Luftverkehrs von und nach Berlin (zu DDR-Zeiten). Man sah sich jedoch aus Kostengründen nicht dazu in der Lage, dies zu realisieren. In Folge von Sparmaßnahmen wurde am 1. April 1984 die Eigenbeteiligung von jährlich 120 DM eingeführt, die sich bis heute mit 60 Euro nicht erhöht hat. Lediglich Kriegsbeschädigte (im Rahmen einer Besitzstandswahrung), Blinde, Hilflose und Fürsorgeempfänger sind von der Eigenbeteiligung befreit worden. Gehörlose wurden aus dem Kreis der Freifahrtberechtigten gestrichen. Das ebenfalls 1979 eingeführte „Bundesbahn-Streckenverzeichnis“ und somit die Freifahrt in den Zügen der DB außerhalb von Verkehrsverbünden wurde wieder aufgehoben. Auch die gesetzliche Unterstellung, Schwerbehinderte ab einer MdE von 80 % würden in den meisten Fällen unter einer Gehbehinderung leiden, wurde verworfen. Am 1. Oktober des nächsten Jahres wurde der Ausschluss Gehörloser und die Abschaffung des Streckenverzeichnisses jedoch wieder rückgängig gemacht. Auch ist es seitdem möglich, eine Halbjahreswertmarke zu erstehen. Das Streckenverzeichnis hat seine Wurzeln übrigens im „Güterkraftverkehrsgesetz“. Dort wurde der Bereich um 50 km einer Ortsmitte als Nahbereich bezeichnet. Daher existierten für alle Städte und Gemeinden in Deutschland so genannte „Güternahverkehrskarten“. Dies sind die Vorlagen, mit der die ehemalige Bundesbahn die Streckenverzeichnisse erstellt und an die Versorgungsämter weitergeleitet hat. Zuletzt wurden diese von der DB 1994 auf Grund der Neuordnung der Kursbuchstrecken wegen des Beitrittes der DDR zur Bundesrepublik mit Computern erstellt. Insgesamt wurden also nur zweimal Streckenverzeichnisse aufgestellt.

Ursprünglich ist nicht geplant gewesen, auch Züge außerhalb von Verkehrsverbünden in die Freifahrt mit aufzunehmen. Man sah sich auch mit unüberwindbaren Hürden bezüglich der Abgrenzung konfrontiert, die schließlich mit der Lösung der Zugrundelegung des Güterkraftverkehrsgesetzes doch noch überwunden werden konnten. Die Ortsmittelpunkte des Güterkraftverkehrsgesetzes wurden von der jeweils damit beauftragten Stelle festgelegt und hielten sich keinesfalls immer an den tatsächlichen Ortsmittelpunkt, sondern vielmehr an den für Industriegebiete vorteilhafteren Punkten. Bei mehreren Industriegebieten konnte eine einzige Stadt auch schon mal bis zu drei Ortsmittelpunkte aufweisen. Dies bedeutete demnach im Bezug auf das Streckenverzeichnis, dass dieses teilweise nicht bei 50 km endete, sondern durchaus auch schon mal bis zu 70 km - je nach genutztem Ortsmittelpunkt - Freifahrt bot. Da der Begriff „Nahverkehr“ im Güterkraftverkehrsgesetz im Jahre 1992 auf 75 km erhöht wurde und 1994 neue Streckenverzeichnisse aufgestellt werden mussten, musste eine neue Regelung gefunden werden. Computer waren im Jahre 1994 schon allgegenwärtig, daher erarbeitete sich die DB unter Zugrundelegung der tatsächlichen Ortsmittelpunkte ein Programm, welches einen exakten Umkreis von 51 km errechnet. Der eine zusätzliche Kilometer wird von der DB auf freiwilliger Basis zur Vermeidung von Härtefällen hinzugezogen. Die Einbeziehung von Zügen außerhalb von Verkehrsverbünden sah man als notwendig an, da ansonsten Behinderte, die in Gegenden leben, in denen nur Schienenverkehr durchgeführt wird, benachteiligt wären.

Das Land Berlin (West) stellte im Freifahrtrecht von 1966 bis 1982 eine Sonderstellung dar. Dort konnten nach dem „Gesetz über Vergünstigungen für Beschädigte“ neben der Bundeseinheitlichen Freifahrt für Kriegsbeschädigte, alle Schwerbehinderten Menschen mit einer MdE von mindestens 70 % die Freifahrt in den Verkehrsmitteln der Berliner Verkehrsbetriebe - BVG - in Anspruch nehmen. In der Spalte „Sondervermerke des Landes“ kam dabei der Stempel: „Freifahrt in Berlin“. Behinderte Menschen mit einer MdE von 50 oder 60 %, die unter einer Gehbehinderung litten, erhielten Fahrpreisvergünstigungen von mindestens 25%, wenn sie erwerbstätig waren.

In der DDR gab es eine ähnliche Entwicklung wie in der Bundesrepublik. Dort schafften es Behindertenverbände sogar, die Freifahrt auf das ganze Land auszudehnen (Anordnung vom 5. Januar 1984 über die öffentliche Personen- und Gepäckbeförderung). Nach der Wiedervereinigung wurden Behinderte aus der DDR bis zur Verschmelzung der Deutschen Bundesbahn mit der Reichsbahn der DDR am 1. Januar 1994 auf Grund einer Übergangsregelung nach Zugkilometern bis zu 70 km vom Wohnort befördert. Die Eigenbeteiligung wurde um die Hälfte reduziert. Österreich und die Schweiz sehen eine unentgeltliche Beförderung (außer bei den „Wiener Linien“) nur für Kriegsbeschädigte vor. Da es keine anderen Länder auf der Welt gibt, die Freifahrten für Behinderte in diesem Umfang vorsehen, ist die deutsche Rechtslage somit weltweit einmalig.

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