Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Ruanda

Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Ruanda
UNAMIR
Einsatzgebiet: Ruanda
Deutsche Bezeichnung: Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Ruanda
Englische Bezeichnung: United Nations Assistance Mission for Rwanda
Französische Bezeichnung: Mission des Nations unies pour l'assistance au Rwanda
Basierend auf UN-Resolution: 872 (5. Oktober 1993)
Beginn: Oktober 1993
Ende: März 1996
Leitung: Jacques-Roger Booh-Booh (Kamerun)
November 1993 - Juni 1994
Shaharyar M. Khan (Pakistan)
Juli 1994 - März 1996
Todesfälle: 27
Kosten: US-$ 453,9 Mio. (netto)
Lage des Einsatzgebietes:

Die United Nations Assistance Mission for Rwanda, kurz UNAMIR (deutsch Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Ruanda) war eine Mission der Vereinten Nationen zur Durchsetzung des Arusha-Abkommens. Der Vorschlag für diesen Namen stammt vom militärischen Leiter der Mission Generalmajor Roméo Dallaire. Obwohl die Abkürzung UNAMIR in einigen öffentlichen Auftritten von UN-Mitarbeitern als „Mission in Rwanda“ falsch ausgelegt wurde, betonte Dallaire unter anderem in seinem Buch Shake Hands with the Devil, dass ihm dieser sprachliche Unterschied bei der Namensfindung wichtig war. Der Einsatz wurde von der Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze (DPKO) des UN-Sekretariats geleitet. Leiter dieser Abteilung war zu der Zeit Kofi Annan (ebenfalls dabei: Iqbal Riza und Generalmajor Maurice Baril).

Die Mission dauerte von Oktober 1993 bis März 1996. In der Zeit waren folgende Personen UNAMIR-Leiter:

  • Jacques-Roger Booh-Booh (Kamerun): November 1993 bis Juni 1994
  • Shaharyar M. Khan (Pakistan): Juli 1994 bis März 1996

Leiter des UN-Truppenkontingentes waren:

  • Generalmajor Roméo Dallaire (Kanada): Oktober 1993 bis August 1994
  • Generalmajor Guy Tousignant (Kanada): August 1994 bis Dezember 1995
  • Brigadegeneral Shiva Kumar (Indien): Dezember 1995 bis März 1996

Als Fehler des Arusha-Friedensabkommens wird gelegentlich betrachtet, dass keine Aussage über die zukünftige Behandlung der damals regierenden Hutu-Elite getroffen worden war (z. B. in Form einer Amnestie). So konnte sich die politische Führung der Hutu-Hardliner nicht sicher sein, nach dem Machtwechsel straffrei zu bleiben, und hielt möglichst lange an ihrer Macht fest. Sie unterminierte den Friedensprozess, der vorsah, ihre Macht deutlich zu beschneiden. Teile der Hutu-Extremisten bildeten verschiedene Milizen wie die Interahamwe sowie die Impuzamugambi und betrieben den Hassradiosender Radio Television Libre des Mille Collines (RTLM).

Zur Erfüllung der Mission standen den Leitern von UNAMIR ursprünglich (bis April 1994) 2.217 Soldaten, 331 unbewaffnete Militärbeobachter (MILOB – Military Observer) sowie etwa 60 Polizisten und zivile Mitarbeiter zur Verfügung. Dieses Kontingent wurde hauptsächlich in der demilitarisierten Zone und in der ruandischen Hauptstadt Kigali zur Überwachung der Waffenruhe eingesetzt. Dabei stellte Bangladesh mit 942 Soldaten, Ghana mit 843 Soldaten und Belgien mit 440 Soldaten die größten Kontingente. Insgesamt waren 24 Nationen beteiligt, darunter auch Deutschland (s.u.). Einen Hauptteil des Kontingentes stellte somit das belgische Militär. Dies stellte ein großes Problem dar, da insbesondere extremistische Kräfte in Ruanda in ihnen keine UN-, sondern eine Kolonialarmee sahen. 27 Angehörige von UNAMIR – 22 Soldaten, drei militärische Beobachter, ein Polizist und ein einheimischer Mitarbeiter – verloren während der Mission ihr Leben.

UNAMIR war eine friedenserhaltende Mission nach Kapitel 6 der Charta der Vereinten Nationen. Im Gegensatz zu einer friedenserzwingenden Kapitel-7-Mission wie zum Beispiel in Somalia 1993 handelte es sich um eine rein defensive Operation. Trotzdem sahen die Regeln für den Kampfeinsatz (Rules of Engagement) bei dieser Mission vor, dass bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit Waffengewalt durch die UN-Truppen ausgeübt werden könnte, um diese zu unterbinden.

Als der Massenmord einsetzte, wurde den Blauhelmen vom DPKO jegliche Anwendung von Waffengewalt verboten. Es war ihnen lediglich erlaubt, sich selbst zu verteidigen. Erschwerend kam der Abzug großer Truppenteile hinzu, nachdem in den ersten Tagen zehn belgische Blauhelme ermordet worden waren.

Siehe auch: Völkermord in Ruanda

Im späteren Verlauf der Krise kam es durch die UN-Resolution 929 vom 22. Juni 1994 zu einer Intervention durch eine vorwiegend aus französischen Truppen bestehende Kapitel-7-Mission, die als Opération Turquoise bezeichnet wurde. Deren Aufgabe war es, eine mögliche humanitäre Katastrophe zu verhindern. Da die Franzosen den Regierungstruppen zuvor militärische Berater zur Verfügung gestellt hatten, ergaben sich Konflikte mit der RPF.

Die Mission, die nun als UNAMIR 2 bezeichnet wurde, weil neue Kontingente eintrafen, war gescheitert. Zwar wurden die wenigen Überlebenden der an der Übergangsregierung beteiligten Politiker wieder in den politischen Prozess eingebunden und eine neue Regierung mit dem politischen Leiter der RPF Pasteur Bizimungu als Präsidenten geschaffen, eine Gleichbehandlung aller Ruandi bleib jedoch lange Zeit illusorisch. Zudem hat die UNO-Truppe den Völkermord, dem nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 500.000 Menschen zum Opfer fielen, nicht verhindern können.

Die Politiker der westlichen Welt und in den UN mieden die Verwendung des Wortes Völkermord (Genocide), um das Vorgehen der Täter zu beschreiben, sie sprachen stattdessen von Akten von Völkermord oder ethnischen Säuberungen. So konnten sie die UN-Regeln umgehen, die ein sofortiges Eingreifen der Gemeinschaft bei einem Völkermord vorsehen.

Deutsches Kontingent für die UNAMIR

Von 18. Juli bis 31. Dezember 1994 beteiligte sich auch die Bundesluftwaffe mit einer Luftbrücke an der UN-Mission. Hierzu waren 30 Luftwaffensoldaten im Einsatz, die 80 Einsatzflüge mit einem Flugzeug vom Typ Boeing B-707 und 208 Einsatzflüge mit zwei Transportflugzeugen vom Typ Transall C-160 flogen. Die Luftbrücke von Nairobi (Kenia) und Johannesburg (Südafrika) nach Goma und Kigali diente der Versorgung ruandischer Flüchtlinge mit Material, Geräten und Zelten.

Des weiteren kam es zu einem Einsatz von insgesamt 15 deutschen Polizeibeamten aus Rheinland - Pfalz. Diese wurden bei der Polizeikomponente der UNAMIR, der CIVPOL ( Civilian Police ) eingesetzt. Hauptaufgabe war das Überwachen der Entwicklung des Friedens Prozesses in polizeilichen und humanitären Fragen z.B. die Lage in den extrem überfüllten Gefängnissen. Die Tatsache, dass das Bundesland Rheinland - Pfalz sich hier engagiert hatte, stellt ein Novum dar und ist damit zu begründen, dass eine enge Partnerschaft ( sogenannte Graswurzelpartnerschaft;z.B. eine Schule in Rheinland - Pfalz unterstützt konkret eine bestimmte Schule in Ruanda) zwischen dem Bundesland und Ruanda seit 1983 bestand. Die rheinland-pfälzischen Beamten wurden in Ruanda von Januar 1995 bis Dezember 1995 eingesetzt. In dieser Zeit kam es auch zur zwangsweisen Räumung des Kibeho Camps im Süden von Ruanda bei der mehrere Tausend Tote zu beklagen waren.

Literatur

  • Roméo Dallaire: Handschlag mit dem Teufel : Die Mitschuld der Weltgemeinschaft am Völkermord in Ruanda. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-86150-724-2. 
  • Roméo Dallaire: Shake Hands with the Devil : The Failure of Humanity in Rwanda. Random House, 2005, ISBN 0099478935 (englisch). 

Weblinks


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