VR-Motor

VR-Motor

Der VR-Motor ist eine besonders kompakte Variante eines Vielzylindermotors, der Eigenschaften eines V-Motors und eines Reihenmotors vereinigt. Dabei befinden sich die Zylinder in einem Zylinderblock mit leichter V-Stellung. Das ermöglicht es, den Kurbelzapfenabstand gegenüber dem Reihenmotor zu verringern, ohne dass zwei Zylinderblöcke und Zylinderköpfe benötigt werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliches

Der V-Motor mit engem Zylinderwinkel wurde von dem italienischen Unternehmen Lancia & C. entwickelt, weshalb die Bauart als „Lancia-Prinzip“ bezeichnet wurde. Grundlage dafür war ein Patent von Lancia & C. vom 1. Juli 1915, das es ermöglicht, durch Kurbeltriebversatz der gegenüberliegenden Pleuel im V-Motor den perfekten Massenausgleich des jeweiligen V-Motors (V12: 60 Grad, V8: 90 Grad) zu erfüllen, gleichzeitig aber einen geringeren tatsächlichen Zylinderwinkel zulässt.

Die erste Umsetzung erfolgte bei zwei Lancia-V12-Flugmotoren mit 50 Grad Zylinderwinkel und 350 bzw. 600 PS. Darauf folgten zwei weitere Motoren, diesmal für Automobile: Ein V8 mit 45 Grad und ein V12 mit 30 Grad, die Vincenzo Lancia im September 1918 zum Patent anmeldete.

1919 stellte Lancia einen V12-Motor mit 13 Grad 6 ' Zylinderwinkel samt Chassis, aber noch ohne Karosserie auf den Ausstellungen in Paris und London vor. Bohrung und Hub betrugen 80 x 130 mm. Der Motor leistete aus 7837 cm³ bei 2200/min 150 PS. Das Fahrzeug ging jedoch nicht in Serienproduktion.

Die ersten Serienfahrzeuge mit VR-Motor hatten ihr öffentliches Debüt und ihren Verkaufsstart im Jahre 1922: Der Lancia Lambda mit V4-Motor und der Lancia Trikappa mit V8-Motor. Der Zylinderwinkel beider V-Motoren betrug 14 Grad.

1930 wurde das Serienmotorrad Matchless Silver Hawk mit einem VR4-Motor erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Lancia produzierte über die Jahrzehnte weitere kompakte VR-Motoren für den Längseinbau (beispielsweise 1937 Lancia Aprilia und 1963 Lancia Fulvia) und blieb diesem Motorenkonzept bis 1976 treu.

Volkswagen griff Anfang der 1990er-Jahre das Konzept auf, um einen Sechszylindermotor und später auch einen Fünfzylindermotor mit kompakten Außenmaßen für den Einsatz in Fahrzeugen mit quer eingebautem Motor zu bauen. Diese Volkswagen-VR-Motoren sind ausschließlich Langhuber, um zusätzlichen Einbauplatz zu sparen. Bei der VW-Entwicklung schneiden sich die Zylinderachsen im Gegensatz zur Lancia-Entwicklung nicht in Kurbelwellenmitte, sondern darunter („geschränkter Kurbeltrieb“).

Der im Jahr 2005 eingeführte Bugatti Veyron 16.4 hat einen 1001 PS starken V-Motor mit zwei V-Zylinderbänken (15 Grad Zylinderwinkel und 90 Grad V-Winkel).

Die Firma Horex erwägt, 2011 ein Motorrad zu vertreiben, das mit einem VR-6-Zylinder-Motor ausgestattet sein wird. Die Entwicklung des Motors wurde in Zusammenarbeit mit Volkswagen im Rahmen eines Beratungsvertrages realisiert.[1]

Gründe für die Entwicklung des VR-Konzepts

Vergleich von Reihenmotor (a), V-Motor (b) und VR-Motor (c)

Das VR-Konzept ermöglicht, die Kürze des V-Motors mit der geringen Breite des Reihenmotors zu verbinden. Der erste VR-Flugmotor von Lancia konnte durch die Verringerung des Zylinderwinkels um 10 Grad zehn Zentimeter schmaler gebaut werden. Nur so konnte er die Baumaßanforderungen erfüllen, die durch die Aerodynamik der Flugzeuge von Caproni begründet waren.

Auch im Kraftfahrzeugbau ergeben sich durch die geringen Baumaße Vorteile. Der V4 des PKW-Modells Lancia Lambda hatte trotz bis zu 2,5 Litern Hubraum eine Gesamtlänge von nur 58 Zentimetern samt Schwungscheibe. Dadurch konnten Motor, Kupplung und Getriebe komplett im Motorraum untergebracht werden. Es war kein Getriebetunnel erforderlich, der den Platz im Innenraum beeinträchtigt hätte. Bei Frontantriebsmodellen mit Motor in Fahrtrichtung vor der Vorderachse, wie dem Lancia Fulvia, ermöglicht der VR-Motor ein neutraleres Fahrverhalten. Das Gewicht des Motors ist durch die kurze Bauweise weniger weit von der Mitte des Fahrzeugs entfernt.

Bei PKW mit Frontantrieb wird der Verbrennungsmotor mittlerweile in der Regel quer eingebaut. Da neben dem Motor auch noch das Getriebe im Motorraum Platz finden muss und in Verlängerung des Motors angeflanscht wird, wird die Breite des Motors begrenzt, so dass in dieser Anordnung Vierzylindermotoren den Markt dominieren.

Höhere Zylinderzahlen lassen sich realisieren, wenn der Motor nicht als Reihenmotor, sondern als V-Motor gebaut wird. Hier entsteht allerdings ein Zielkonflikt durch mehrere Forderungen:

  • Ein Mindestabstand zwischen den Zylindern ist erforderlich, damit die Kanäle der Wasserkühlung und der Ölwege noch Platz finden.
  • Die Zylinderwände müssen eine bestimmte Mindeststärke aufweisen, da sonst die Wand zwischen den einzelnen Zylindern überhitzen kann.
  • Der Winkel des V-Motors darf nicht zu groß sein, da er sonst die Crash-Sicherheit negativ beeinflusst. Ein zu breiter Motor überbrückt die plastischen Verformungszonen und dringt möglicherweise beim Frontalaufprall in den Fahrgastraum ein.
  • Für besondere Laufruhe (Kompensation von Massenkräften und -momenten höherer Ordnung) sind bestimmte Zylinderwinkel zu bevorzugen: Beim Sechszylinder ist nach dem Reihenmotor der V-Motor mit 60 Grad Zylinderwinkel besonders günstig, beim Achtzylinder die Bauform mit 90 Grad Zylinderwinkel.
  • Der V-Motor bringt erhöhten Bauaufwand und größere Kosten, weil neben dem aufwändigeren Motorblock auch zwei Zylinderbänke mit eigenen Köpfen und Ventiltrieben erforderlich sind.
  • Mit einem breiten Zylinderbankwinkel können Motoren realisiert werden, die kaum länger sind als Reihenmotoren mit der halben Zylinderanzahl.

Das Konzept des VR-Motors stellt einen Kompromiss zwischen beiden Bauformen dar. Dabei zeigt die VR-Bauweise ein zusätzliches geometrisches Problem, weil sich in klassischer V-Bauart bei einem Zylinderbankwinkel von nur 15 Grad die Zylinder im unteren Bereich durchdringen würden. Lancia löste das Problem durch relativ lange Pleuel.

Bei einem einfachen Kippen der Zylinderbänke, wie es in der V-Anordnung üblich ist, würden sich die Zylindermittelachsen und die Kurbelwellenmittelachse schneiden – wie beim Reihenmotor. „Verschränkte“ Zylinderbänke hingegen sind parallel nach außen versetzt, vermeiden somit auch bei kurzen Pleueln und kleinen Zylinderbankwinkeln ein Durchdringen der Zylinder, ihre Zylindermittelachsen schneiden sich unterhalb der Kurbelwellenachse. Somit sind geringe Bauhöhen erreichbar, die auch einen Einsatz im Motorrad ermöglichen. Nachteilig ist hingegen die größere Schrägstellung der Pleuel, so dass die Kolben mit höheren radialen Kräften einseitig gegen ihre Laufbahnen gedrückt werden. Die Bewegungscharakteristik des Kurbeltriebs – die Zuordnung von Drehbewegung und Kolbenbewegung – wird unsymmetrisch zum oberen Totpunkt.

Bei VR-Motoren kann bei kleinem Zylinderbankwinkel – wie beim Reihenmotor – ein gemeinsamer Zylinderkopf für beide Zylinderbänke verwendet werden. Durch die V-Anordnung der Zylinder liegt die Trennfuge zwischen Zylinder und Kopf jedoch nicht mehr lotrecht zur Zylinderachse. Der daraus entstehende Nachteil sind ungleich lange Ansaug- und Abgaswege zwischen den beiden Zylinderbänken, da in aller Regel von der einen Zylinderkopfseite Frischgase für alle Zylinder kommen und zur anderen Zylinderkopfseite alle Abgase weggeführt werden. Zudem ist diese Art der Zylinderkopffertigung aufwändiger in der Gusstechnik sowie in der mechanischen Bearbeitung, insbesondere für Vierventil-Motoren.

Eine weitere Gemeinsamkeit eines Sechszylinder-VR-Motors mit einem Sechszylinder-Reihenmotor ist beispielsweise seine siebenfach gelagerte Kurbelwelle mit sechs Kröpfungen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. http://www.tourenbike.at/2010/06/17/interview-mit-horex-chef-clemens-neese/

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