Vampyrismus

Vampyrismus

Der Vampirismus bezeichnet grundsätzlich eine Affinität zum Blutsaugen - in Literatur und Historie meist wörtlich gemeint, aber auch im übertragenen Sinne zu verstehen: Nämlich als das Gewinnen von (meist überirdischer) Stärke durch das Absaugen fremder Energien. Es gibt also beispielsweise auch Begriffe wie emotionalen oder politischen Vampirismus (ein oft genanntes Beispiel hierfür: das „Ausbluten lassen” der Besatzungsgebiete zur Kolonialzeit).

Inhaltsverzeichnis

Mythologie

Auch wenn der Mythos des Vampirs, der die Menschen seit Tausenden von Jahren beschäftigt, bei den meisten Horror hervorruft (und sich dadurch auch gut verkaufen lässt), tragen sehr menschliche Bedürfnisse und Gelüste zu seiner Faszination bei: Geben und Nehmen (der Vampir nimmt seinem Opfer Blut und schenkt ihm dafür - zumindest in vielen Adaptionen des Stoffes - eine gewisse masochistische Lust), Sterben und Gebären (das Opfer des Vampirs verliert infolge des Bisses sein sterbliches Leben und ersteht als Untoter wieder auf), Eros und Thanatos (Liebe und Tod, eine Synthese von großer Tragik und Dramatik, die auch das ewige Dilemma des Untoten beschreibt, der mit einer erotischen Begegnung - als die der Biss oder Kuss des Vampirs durchaus verstanden werden kann - unweigerlich den Tod bringt).

Die Geschichte dieser Mythologie reicht zurück bis zum Beginn des Alten Testaments: die erste 'Untote' der Geschichte, schriftlich in der Kabbala (der Schrift zur gleichnamigen jüdischen Geheimlehre) benannt, ist Lilith, Adams erste Frau. Nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies (sie war Adam ungehorsam gewesen) suchte sie als 'Nachtgeist' die junge Menschengemeinde heim und stahl kleine Kinder. Seither ist der Vampir nahezu allgegenwärtig: Im alten Transsilvanien, das oft als Ursprungsland der Vampirsaga genannt wird, gehört der Glaube an Wiedergänger (Untote) und Nachzehrer (Tote, die auferstehen, um von den Lebenden zu zehren) seit Jahrhunderten zur Volkskultur. Auch in Deutschland kannte man den Mythos der Wiedergänger, er floss mit in die Massenhysterie zur Zeit der Hexenverfolgungen ein. Wie oben erwähnt, dient Vampirismus auch oft als Gleichnis für ungleiche Beziehungen im zwischenmenschlichen und vor allem politischen Bereich. In der Unterhaltungsindustrie ist der Vampir ein 'Dauerbrenner': Niemand verkörpert die Tragik von Lieben und Sterben, die Verbindung von sex and crime so echt wie die erotische, machtvolle Figur (oft dargestellt von schönen jungen Frauen oder charismatischen Männern), die nur der Tod ihrer Opfer am Leben erhält. Die Faszination des Vampirs basiert auf Sex-Appeal und Macht - da erstaunt es nicht, dass manche Menschen ihm nacheifern und das Trinken von Blut einvernehmlich praktizieren (siehe Eintrag weiter unten). Abseits von solchen erotischen Spielen hat der Vampir aber auch Menschen zu furchtbaren Verbrechen inspiriert: Ceauşescu, ehemaliger rumänischer Diktator, wurde wegen seiner Grausamkeit oft als einer bezeichnet oder auch 'Wolf' genannt, ebenso wie Adolf Hitler oder der deutsche Serienmörder Fritz Haarmann. Es ist kein Zufall, dass der Vampir oft mit dem Wolf, oder besser, dem Werwolf, verglichen wird: Beide sind Kreaturen der Nacht, verfügen über übersinnliche Kräfte und töten Nacht für Nacht Unschuldige, um zu überleben. Die Beliebtheit des Vampirs rührt wohl daher, dass er dem Menschen ähnlicher ist und in seiner Schönheit, Macht und Gerissenheit - und nicht zuletzt in seiner Unsterblichkeit - in gewissem Sinne als 'Übermensch' gesehen werden kann.

Subkultur

Es existiert in einigen Großstädten eine schwache Subkultur, die sich mit der Vampir-Ästhetik identifiziert. Eine Vorliebe für vampirartiges Styling und Kleidung ist so unter anderem in Teilen der Horrorpunk-, Metal- und Gothic-Subkulturen anzutreffen. Innerhalb der Gothic-Szene treten zudem auch von Zeit zu Zeit Gruppen auf, die sich mit ihrem Äußeren und ihrer Lyrik sehr stark mit der Vampir-Thematik befassen und die bisweilen auch als Vampire-Rock bezeichnet werden. In Verbindung mit der Begeisterung für Musik, Filme und Literatur, in deren Mittelpunkt Vampire und Vampirismus stehen, wird manchmal (auch als Selbstbezeichnung) von einer regelrechten "Vampyre-Scene" gesprochen.

Seit den 80er Jahren kamen in einigen US-amerikanischen Großstädten sogar regelrechte Szene-Clubs zum Vorschein, in welchen sich Vampir-Fans treffen und austauschen können. Im Allgemeinen reicht das subkulturelle Spektrum an Vampir-Begeisterung vom Sammeln von Filmen, Büchern, Rollenspielen, Comics oder Figuren zur Vampirthematik bis in Ausnahmefällen auch zum sexuellen Ausleben ihrer Fantasien.

Sexuelle Komponente

Einige Anhänger des Vampirismus beziehen sexuelle Lust aus Bissen im Nackenbereich und eventuell dem Trinken kleiner Tropfen Blut. Dies kann, muss aber nicht, mit als erotisch empfundener Vampir-Ästhetik verbunden sein.

Vampirismus im sexuellen Bereich gilt als seltene Paraphilie mit Nähe zum Sadismus[1]. Häufig wird Vampirismus als Form des sexuellen Fetischismus bezeichnet, dies ist jedoch im Allgemeinen nicht korrekt: Nur wenn das Blut alleine und nicht vorrangig das Beißen und Aussaugen sexuelle Erregung auslöst, ist die Einordnung als Fetisch gerechtfertigt. In der Vampir-Szene zeigt sich Fetischismus jedoch eher als Materialfetischismus (Lederbekleidung u. ä.). Hier kann es auch zu Verwechslungen kommen, denn in vampiristischen Szenen ist oft auch Fetischismus im ursprünglichen, nicht-sexuellen Sinne verbreitet.

Für gewöhnlich ist diese sexuelle Vorliebe unbedenklich. Nur wenn der Paraphilist anderen schadet, ein gestörtes Sozialverhalten zeigt oder unter seiner Neigung leidet ist eine medizinisch-psychologische Behandlung angezeigt.

Einzelnachweise

  1. Charité: Dissexualität und Paraphilien. Humboldt-Universität Berlin, Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin

Literatur

  • Miklós Sirokay: Der Vampir in Literatur und Geschichte. Berlin 2007. ISBN 3-63868-286-2
  • Norbert Borrmann: Vampirismus oder die Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Kreuzlingen/München 1999. ISBN 3-424-01351-X.
  • Massimo Introvigne: La stirpe di Dracula. Indagine sul vampirismo dall' antichità al nostri giorni. Milano: A. Mondadori 1997.
  • Lee Byron Jennings: An Early German Vampire Tale: Wilhelm Waiblinger's "Olura" (first published in 1986). In: Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, Nr. 423. Stuttgart: Verlag Hans-Dieter Heinz, Akademischer Verlag Stuttgart 2004 [2005], S. 295-306. ISBN 3-88099-428-5.
  • Jean Marigny: Vampirisme et initiation. In: Ésotérisme. Gnoses & [et] Imaginaire Symbolique. Mélanges offerts à Antoine Faivre. Edités par Richard Caron, Joseclyn Godwin, Wouter J[acobus] Hanegraaff & [et] Jean-Louis Vieillard-Baron. (Leuven <Belgium>, [Paris]:) Peeters (2001) (Gnostica. Texts & [et] Interprétations. Edited by Garry Trompf, Wouter J[acobus] Hanegraaff, 3). S. 639 - 652.
  • Frater Mordor: Das Buch Noctemeron - Vom Wesen des Vampirismus, Lübeck 2003, Bohmeier Verlag, ISBN 3-89094-399-3; z.Z. zensiert
  • Britta Radkowsky: Moderne Vampire. UBooks-Verlag. 2005 ISBN 3866080069
  • Michael Ranft: Nicolaus Equiamicus : Traktat von dem Kauen und Schmatzen der Toten in Gräbern 1734, deutsche Übersetzung aus dem Lateinischen 2006 im UBooks-Verlag. ISBN 3866080158
  • Laurence A. Rickels: Vampirismus Vorlesungen. Berlin: Brinkmann & Bose 2007. ISBN 978-3-922660-60-6
  • Patricia L. Skarda: Vampirism and Plagiarism: Byron's Influence and Polidori's Practice. In: Studies in Romanticism 27 (1989), S. 249 - 269.
  • Augustin Calmet: Gelehrte Verhandlung der Materie von den Erscheinungen der Geister, und der Vampire in Ungarn und Mähren. Edition Roter Drache, 2007. ISBN 978-3939459033 - Ausgabe Augsburg 1751: Digitalisat
  • Konstantinos: Vampires: The Occult Truth Llewellyn Publications, U.S. 1996 ISBN 1-56718-380-8

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Vampyrismus — Vampyrismus, 1) s.u. Vampyr; 2) Übertreibung des Blutlassens …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Alraune (Roman) — Alraune. Die Geschichte eines lebendigen Wesens ist ein phantastischer Roman von Hanns Heinz Ewers, der im Jahr 1911 veröffentlicht wurde. Der Roman beginnt mit einer künstlichen Befruchtung, in der das Mädchen Alraune erzeugt wird. Die Mutter… …   Deutsch Wikipedia

  • Gregor Schwartz-Bostunitsch — Infobox Politician honorific prefix = name = Gregor Schwartz Bostunitsch honorific suffix = imagesize = 160px caption = office = SS Standartenführer term start = term end = lieutenant2 = lieutenant3 = predecessor = successor = birth date =… …   Wikipedia

  • Alraune. Die Geschichte eines lebenden Wesens — Alraune. Die Geschichte eines lebendigen Wesens ist ein phantastischer Roman von Hanns Heinz Ewers, der im Jahr 1911 veröffentlicht wurde. Der Roman beginnt mit einer künstlichen Befruchtung, in der das Mädchen Alraune erzeugt wird. Die Mutter… …   Deutsch Wikipedia

  • Gerard van Swieten — Gerard van Swieten, Porträt vom Kaiserbild im NHM Wien …   Deutsch Wikipedia

  • Gregor Schwartz-Bostunitsch — (1937) Gregor V. Schwartz Bostunitsch, auch: Grigorij V. Svarc Bostunic, Pseudonym: Doktor Gregor (* 1. Dezember 1883[1] in Kiew; † sein Tod ist vollständig ungeklärt) war ein deutsch ukrainischer Autor, SS Standartenführer und …   Deutsch Wikipedia

  • Шварц-Бостунич — Бостунич, Григорий Васильевич (впоследствии Шварц Бостунич) родился 1 декабря 1883 в Киеве. Его отец происходил из аристократической рижской семьи, а родители матери были родом из Сербии и Баварии. В 1908 Шварц Бостунич завершил образование… …   Википедия

  • Vampyr — Vampyr, 1) (von den Serben Vukodlak od. Wukodlak, von den Walachen Murony genannt), nach dem Volksglauben Wesen, welche den Lebenden das Blut aussaugen u. dieselben dadurch tödten. Schon bei den Alten findet sich diese Meinung. So bei den Römern… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Шварц-Бостунич, Григорий Васильевич — Григорий Шварц Бостунич Имя при рождении: Григорий Васильевич Бостунич Псевдонимы: Доктор Грегор Дата рождения: 1 декабря 1883(1883 12 01) Место рождения: Киев, Российская империя …   Википедия

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”