Venus von Willendorf

Venus von Willendorf
Venus von Willendorf

Die Venus von Willendorf ist eine Venusfigurine aus der jüngeren Altsteinzeit (Jungpaläolithikum), dem Gravettien, und ist als Österreichs bekanntestes Fundstück heute im Naturhistorischen Museum in Wien zu sehen.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Skulptur besteht aus Kalkstein und ist 11 cm hoch. Sie stellt eine nackte, symmetrische Frauenfigur dar, wobei der Kopf zur rechten Brust geneigt ist, ein Gesicht fehlt. Der Kopf ist groß, trägt eine Frisur oder Kopfbedeckung und sitzt auf schmalen Schultern. Die Frisur oder Kopfbedeckung wurde durch schräg eingeritzte Striche und horizontale, konzentrische Linien erzeugt. Die Arme sind dünn und liegen auf den schweren Brüsten. Die Finger der rechten Hand sind durch lange Einschnitte voneinander getrennt. Die Arme sind auf beiden Seiten von vertieften Linien umgeben, ebenso die Hände, diese erscheinen so deutlicher hervorgehoben. An den Handgelenken sind durch Einschnitte gezackte Armringe angedeutet. Die Brüste sind ebenfalls von Linien umgeben.

Die Hüften sind stark, der Bauch steht vor, das Gesäß ist ausgeprägt. Brust, Bauch und Schenkel sind durch tiefe, senkrechte Gravuren modelliert, die durch horizontale Kratzer geglättet wurden. Rücken und Schenkel wurden als letztes in senkrechter Richtung bearbeitet, Brüste, Bauch und Vulva in waagrechter. Der Bauchnabel ist eine natürliche Vertiefung des Steines, die auf beiden Seiten erweitert wurde. Die Schenkel sind naturnah gestaltet, allerdings verkürzt, die Füße fehlen. Die Grenze zum Gesäß wird durch zwei deutliche Einschnitte gebildet, die nicht geglättet sind. Die Geschlechtsmerkmale sind detailliert dargestellt. Die Schamlippen wurden als letztes gestaltet, der Hersteller ist dabei leicht abgerutscht und hat dabei einen Einschnitt am linken Oberschenkel hinterlassen.

Die Figur stellt eine fettleibige Frau mittleren Alters dar. Die Darstellung ist derart realistisch, dass eine Erfindung als ausgeschlossen gilt. Farbreste zeigen, dass die Skulptur ursprünglich mit Rötel bedeckt war.

Die genaue Herstellungsweise der Venus ist nicht bekannt. Die noch sichtbaren Arbeitsspuren weisen darauf hin, dass zumindest die Endbearbeitung mit einem Stichel erfolgte. Solche Werkzeuge wurden in Schicht 8 und 9, zwischen denen die Venus entdeckt wurde, gefunden.

Material

Der Kalkstein, aus dem die Venus gefertigt wurde, ist ein Oolith. Er ist aus dicht gepackten Einzelooiden zusammengesetzt, die ein festes Gestein bilden. Die Ooide sind 0,3 bis 1 mm groß. Der Zwischenraum zwischen den Ooiden besteht aus sparitischem Kalzitzement. Im Gegensatz zu vielen Oolithen enthält dieser keine Fossilien. Der Stein ähnelt den Oolithen aus Stránská skála in Mähren. Aus Mähren stammt auch ein Teil der Feuersteine, die in Willendorf gefunden wurden. Die Venus ist das einzige Willendorfer Artefakt aus Oolith, der Ort ihrer Herstellung ist unklar.

Archäologischer Hintergrund

Die Skulptur entstand um 25.000 v. Chr. und gehört damit dem Gravettien an. Sie wurde am 7. August 1908 bei Bauarbeiten der Donauuferbahn in Willendorf in der Wachau vom Archäologen Josef Szombathy[1] gefunden.

Weitere Frauenstatuetten an derselben Fundstelle wurden Venus II und Venus III genannt. Ähnliche Frauenidole aus Kalkstein, Speckstein oder Elfenbein, sogar aus Ton, wurden über ein 3000 km weites Verbreitungsgebiet von Europa bis nach Sibirien gefunden, mittlerweile über 200 Exemplare. Vergleichbare Funde der näheren Umgebung sind die Venus von Dolní Věstonice (Mähren) oder die Venus von Moravany von Moravany nad Váhom in der Slowakei.

Heute geht man von einer einheitlichen religiösen Vorstellung während der Spätphase des Gravettien, also vor dem Höhepunkt der letzten Eiszeit aus, in der bereits großer Mangel an Nahrung herrschte und die Bevölkerungsdichte allmählich zurückging. Am Ende dieser Phase vor 20.000 Jahren war Mitteleuropa vollständig vom Homo sapiens verlassen worden. Erst Jahrtausende später wurde Europa von einer kleinwüchsigeren Bevölkerung neu besiedelt, die mit ganz anderen kulturellen Äußerungen die Höhlen bewohnten. Die dicken Venusfiguren waren verschwunden.[2]

Ausstellung

Das Original wird als so kostbar angesehen, dass lange Zeit nur eine Kopie im Museum ausgestellt war. Der Öffentlichkeit wurde die Original-Venus erstmals anlässlich einer Ausstellung im Jahr 1998 im Schloss Schönbrunn gezeigt.[3] Anlässlich des 100. Jahrestages des Fundes (jedoch bereits zwei Monate vorher) wurde sie im niederösterreichischen Landesmuseum und am Jahrestag selbst an ihrem Fundort gezeigt. Anschließend wird sie wieder in der beim jüngsten Umbau des Naturhistorischen Museums eingerichteten Tresor-Vitrine ausgestellt. Die Hochsicherheitsvitrine am Fundort wird seit 2010 jedes Jahr mit Werken von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern bespielt, die sich auf vielfältige Weise mit dem Themenspektrum rund um die Venus auseinandersetzen.

Siehe auch

Literatur

  • Wilhelm Angeli: Die Venus von Willendorf. Edition Wien, Wien 1989. ISBN 3-85058-035-0
  • Walpurga Antl-Weiser: Die Frau von W. – Die Venus von Willendorf, ihre Zeit und die Geschichte(n) um ihre Auffindung. Verlag des Naturhistorischen Museums, Wien 2008. ISBN 978-3-902421-25-8
  • Alexander Binsteiner: Rätsel der Steinzeit zwischen Donau und Alpen. Linzer Archäologische Forschungen, Band 41, Linz 2011, 1-96. ISBN 978-3-85484-440-9.
  • Matthias Schulz: Pummel aus dem Eis. In: Der Spiegel. Nr. 16, 14. April 2008, S. 153-55 (Volltext).
  • Lois Lammerhuber; Walpurga Antl-Weiser; Anton Kern: Venus, ISBN 978-3-901753-08-4

Weblinks

 Commons: Venus von Willendorf – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Belege

  1. Rezension über das Buch Venus abgerufen am 19. Juni 2011.
  2. Der Spiegel, 2008, 16, 152 ff.
  3. Das Rätsel aus der Steinzeit auf orf.at, abgerufen am 7. August 2008
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