Verfügbarkeitsfehler

Verfügbarkeitsfehler

Die Verfügbarkeitsheuristik (engl. Availability heuristic) gehört in der Sozialpsychologie zu den sog. Urteilsheuristiken, welche gewissermaßen Faustregeln darstellen, um Sachverhalte auch dann beurteilen zu können, wenn kein Zugang zu präzisen Informationen besteht. Die Bezeichnung Verfügbarkeitsfehler (engl. Availability error) ist ebenfalls gebräuchlich für die dem Spielerfehlschluss verwandte Wahrnehmungsverzerrung. Sie beruht auf der Tendenz, bestimmte Ereignisse höher zu gewichten und eher in Erinnerung zu rufen als andere Ereignisse.

Erläuterung

Die Verfügbarkeitsheuristik kann eingesetzt werden, wenn die Wichtigkeit oder Häufigkeit (resp. Wahrscheinlichkeit) eines Ereignisses beurteilt werden muss, aber gleichzeitig die Zeit, die Möglichkeit oder der Wille fehlt, um auf präzise (z.B. statistische) Daten zurückzugreifen. In solchen Fällen wird das Urteil stattdessen davon beeinflusst, wie verfügbar dieses Ereignis oder Beispiele ähnlicher Ereignisse im Gedächtnis sind. Ereignisse, an die wir uns sehr leicht erinnern, scheinen uns daher wahrscheinlicher zu sein als Ereignisse, an die wir uns nur schwer erinnern können. Aus diesem Grund könnte man etwa die Wahrscheinlichkeit dafür, ermordet oder Opfer einer Gewalttat zu werden, als recht hoch einschätzen, wenn man kürzlich einen Bericht über einen Mord gelesen hat oder in den Medien häufig solchen Berichten begegnet. Diese Heuristik kann auch automatisch eingesetzt werden, ohne dass uns dies wirklich bewusst ist.

Glücksspieler neigen in Hallen mit vielen Geldspielautomaten eher dazu, ihren Automat mit weiterem Geld zu füttern, weil sie ab und zu jemand anderes beim Gewinnen beobachten und ihre eigenen Chancen dann höher einschätzen. Man behält die Gewinne anderer leichter in Erinnerung als die viel häufigeren Verluste. Die Tatsache, dass jemand gewonnen hat, verändert die aktuellen Gewinnchancen nicht, und bei der Konzentration auf die Anzahl der Gewinne vernachlässigt man die Zahl der Verluste. Menschen machen diesen Fehler ständig, obwohl die Wettchancen in der Gruppe genauso schlecht sind wie an einer einzelnen Maschine. In der Gruppe ist es einfach leichter, sich an Gewinne zu erinnern, als an einem einzelnen Automaten.

Andere Beispiele:

  • "Entschuldigen Sie die Verspätung - ich hatte unterwegs an jeder Ampel Rot."
  • "Mein Freund ist ein Choleriker, ein typischer Widder." (Der Sprecher erinnert sich nicht daran, dass er schon hunderte "untypische Widder" getroffen hat, die nicht cholerisch veranlagt waren, und glaubt darum an die angebliche Verbindung zwischen dem Charakter und dem Tierkreiszeichen.)

Untersuchungen

In einer Untersuchung von Tversky und Kahneman (1974) wurden Versuchspersonen gebeten, sich eine Liste mit männlichen und weiblichen Namen durchzulesen. Man stellte die Listen so zusammen, dass jeweils dem einen Geschlecht nur Namen von berühmten Personen und dem anderen nur erfundene, unbekannte Namen zugeordnet worden waren. Anschließend wurden die Versuchspersonen gebeten, anzugeben, von welchem Geschlecht mehr Namen auf der Liste gewesen seien. Die Probanden wussten jedoch nicht, dass auf allen Listen gleich viele männliche und weibliche Namen zu finden gewesen waren. Die Versuchspersonen verschätzten sich in den meisten Fällen und gaben an, mehr Namen desjenigen Geschlechts gelesen zu haben, welchem die berühmten Namen zugeordnet gewesen waren. Man kann nun davon ausgehen, dass sich die Versuchsteilnehmer an die Namen der berühmten Personen - eben aufgrund ihrer Berühmtheit - leichter erinnern konnten (Famous-Names Effekt). Als sie aufgefordert wurden, zu schätzen, ob mehr Männer- oder mehr Frauennamen auf den Listen gestanden hatten, waren daher die Namen der Prominenten automatisch leichter zu erinnern und damit - subjektiv - in der Überzahl.

Quelle

  • Tversky, A. & Kahneman, D. (2005). Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. In Bazerman, Max H (Ed), Negotiation, decision making and conflict management, Vol 1-3. (pp. 251-258). Northampton, MA, US: Edward Elgar Publishing.
  • Tversky, A. & Kahneman, D. (1974). Judgment under uncertainty: Heuristics and biases. Science, 185(4157), 1124-1131.

Siehe auch: Repräsentativitätsheuristik, Illusorische Korrelation


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