Viktoria-Luise-Platz

Viktoria-Luise-Platz
Viktoria-Luise-Platz mit Fontäne

Der Viktoria-Luise-Platz liegt im Ortsteil Schöneberg des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Das unter Denkmalschutz stehende Areal hat die Form eines langgestreckten Sechsecks und ist nach Viktoria Luise von Preußen benannt, der einzigen Tochter von Kaiser Wilhelm II.

Der Platz ist 160 Meter lang und 90 Meter breit, seine Fläche beträgt rund 7000 m². Hier münden die Welser- und Winterfeldtstraße sowie die Münchener und Regensburger Straße. Die quer verlaufende und ca. 1,5 Kilometer lange Motzstraße wird von dem Platz in zwei Abschnitte geteilt.

Inhaltsverzeichnis

Vor- und Baugeschichte

Schöneberg und die BBG

Schon bald nach der Reichsgründung 1871 hatten die Kommunen in der direkten Nachbarschaft wie die Stadt Charlottenburg und die eher dörfliche Gemeinde Schöneberg Anteil an der dynamischen Entwicklung der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches. Schönebergs Einwohnerzahl stieg von 4.555 im Jahre 1871 auf 95.998 im Jahre 1900.[1] 1898 erhielt die Ortschaft die Stadtrechte. Erst bei der Schaffung von Groß-Berlin im Jahre 1920 wurde Schöneberg zusammen mit einer Reihe anderer bis dahin selbstständiger Gemeinden eingemeindet. Zu diesem Zeitpunkt war der neue Bezirk längst von der ausgedehnten Bebauung Berlins eingeschlossen.

Um 1900 hatte die zunehmende Bebauung das feuchte Wiesengebiet in der Gegend des heutigen Viktoria-Luise-Platzes erreicht. Führend bei der Erschließung des Geländes war die 1890 gegründete „Berlinische-Boden-Gesellschaft“ (BBG) mit ihrem Hauptgesellschafter Georg Haberland. Schöneberg war inzwischen Wohnort von überdurchschnittlich vielen Beamten und Militärs, zudem lebten zahlreiche Einwohner von eigenem Vermögen und Pensionen. Im Vergleich aller preußischen Städte lag Schöneberg bei den Steuereinnahmen pro Kopf der Bevölkerung 1903 auf dem fünften Platz. Für diese zahlungskräftige Zielgruppe wollte Haberland mit seiner Gesellschaft auf rein privatwirtschaftlicher Grundlage ein neues, attraktives Wohngebiet schaffen – das „Bayerische Viertel“ – und befand sich dabei zunächst durchaus im Einklang mit den städtischen Behörden. Das gute Einvernehmen war später nachhaltig gestört, nachdem Magistrat und Stadtverordnete 1908 eine Wertzuwachssteuer eingeführt und damit die Gewinnerwartungen der BBG beeinträchtigt hatten. Auch fühlte Haberland sich schon früh durch antisemitische Tendenzen benachteiligt. Während der nationalsozialistischen Herrschaft im Deutschen Reich wurde der Besitz der Haberlands „arisiert“, Georgs Sohn Kurt, der ihm in der Geschäftsleitung nachgefolgt war, starb 1942 im KZ Mauthausen.[2]

Der Platz

Entwurfszeichnung von Fritz Encke, 1899
Der Viktoria-Luise-Platz nach der Fertigstellung

Der ursprüngliche Bebauungsplan sah vor, dass ein gärtnerischer Schmuckplatz an der Kreuzung zweier verkehrsreicher Straßen –Martin-Luther-Straße und Motzstraße – entstehen sollte. Einige der betroffenen Bodenbesitzer konnten jedoch das zuständige Gremium dahingehend beeinflussen, dass nicht sie ihr wertvolles Bauland dafür abtreten mussten, sondern ein Mitbürger namens Engel, der nicht im Gemeinderat vertreten war. Dessen Terrain lag etwas weiter westlich – dort entstand dann der neue Platz.

Im Herbst 1898 schrieb die Bodenbaugesellschaft einen Wettbewerb zur Gestaltung einer Platzanlage aus, die zunächst als „Platz Z“ bezeichnet wurde, später dann zu Ehren der einzigen Tochter von Kaiser Wilhelm II. den Namen „Viktoria-Luise-Platz“ erhielt. Der Kaiser entschied sich im Sommer 1899 für den Entwurf mit dem Motto „Ruhe“ von Fritz Encke aus Potsdam, einem Vertreter der seinerzeit aktuellen Reformbestrebungen in der Gartenbaukunst. Mit seiner Gestaltung ging Encke über den zu Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin vorherrschenden Typus des ausschließlich repräsentativen Schmuckplatzes hinaus. Er verwendete zwar auch traditionelle Elemente, lieferte zugleich aber ein frühes Beispiel für eine veränderte Zielsetzung – die Verbesserung der großstädtischen Wohnqualität durch „soziales Grün“. In einem durch Vegetation abgeschirmten Binnenraum gestaltete er einen ruhigen und erholsamen Aufenthaltsort für die Bewohner des Stadtviertels. Enckes Plan wurde nahezu unverändert ausgeführt. Als einzige nennenswerte Abweichung entstand statt eines Hochbrunnens mit mehreren Schalen ein flaches Springbrunnenbecken. Aus der Vorgabe der sechs in unterschiedlichen Abständen einmündenden Straßenzüge entwickelte sich die Grundform eines langgestreckten Sechsecks. Encke erläuterte:

„Durch Pflanzung ist ein für das Auge des Besuchers […] oval erscheinender Platz herausgeschnitten, welcher ringsum von Gehölzanpflanzungen eingeschlossen erscheint. Sie ist so angeordnet, dass sie an den Schmalseiten der Anlage und an den Einmündungen der Querwege zusammenhängend hoch und kräftig ist, während sie dazwischen auf 1,50 m herabsinkt, sodass die Passanten […] die Fontänenanlage etc. sehen können.““

Informationstafel am Viktoria-Luise-Platz, Ostseite.

Die auf den Platz zulaufenden Straßen wurden dort als breite Wege weitergeführt.

Der Viktoria-Luise-Platz wurde mit einem großen Fest am 9. Juni 1900 eingeweiht. In seinen Erinnerungen beschrieb Georg Haberland, wie bei dieser Gelegenheit der Platz und die neuen Straßen mit Hilfe einer eigenen kleinen Kraftstation elektrisch beleuchtet wurden – der benachbarte Stadtteil hatte noch schlechte Gasbeleuchtung. Abends erstrahlte ein weithin sichtbarer illuminierter Springbrunnen. „Um 12½ Uhr ließ ich das Licht ausschalten, damit die Stimmung nicht allzu vergnügt wurde.“[3]

Die Randbebauung

Postkarte von 1908

Stadtverwaltung und Baugesellschaft hatten ein gemeinsames Interesse daran, in dem neuen, einheitlich gutbürgerlichen Wohnviertel möglichst keine tiefen Baublöcke zuzulassen. Solche Blöcke wirkten oft als Muster sozialer Ungleichheit: die Vorderhäuser für Besserverdienende erhielten eine Schmuckarchitektur, in den dunklen, kahlen, ungesunden Hinterhäusern lebten ärmere Mieter. Im Bayerischen Viertel wurden schon vorhandene tiefe Baublöcke auch nicht an Industrie oder Gewerbe vergeben, sondern für Schulen oder Verwaltungen genutzt. Am Viktoria-Luise-Platz 6 liefert der weitläufige Block des Lette-Vereins dafür ein Beispiel. Die 1866 gegründete Einrichtung – ursprünglich ein „Verein zur Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts“ – ist heute ein Berufsausbildungszentrum für junge Männer und Frauen in vorwiegend künstlerischen Berufen (z. B. Grafik-, Foto- und Modedesign) sowie in Hauswirtschaft und einigen technischen Fächern (z. B. Labortechnik). Architekt des Gebäudes war Alfred Messel, der in Berlin für prominente Bauten wie das Pergamonmuseum oder das Warenhaus Wertheim am Leipziger Platz verantwortlich war. Für den Lette-Verein entwarf er zurückhaltend-klassisch gegliederte Fassaden mit einem repräsentativen Hauptportal.

Altbau am Rand des Platzes

Die Randbebauung des Platzes war zum Eröffnungstermin im Wesentlichen fertiggestellt, zeitgenössische Kritiker fanden es bedauerlich, dass weder die Baugesellschaft noch die Schöneberger Stadtverwaltung „einen nennenswerten Einfluss auf Symmetrie oder Stileinheit in den Facaden zu üben versucht“ habe. Die Berliner Architekten hätten diese Freiheit „weidlich missbraucht und, unbekümmert um die regelmäßige Formengebung des Platzes, märkische Backsteinbauten neben sezessionistische Wundergebilde gestellt, künstlerisch vornehm gegliederte Barockfacaden wie die des Lettehauses neben den modernen Berliner Prunkbau mit goldgestreiften Kuppelbauten und hochgeflügelten Genienleibern.“ Rückblickend fällt das Urteil über den architektonischen Gesamteindruck meist positiver aus,[3] ein vollständiges Bild davon kann man sich allerdings nur anhand historischer Abbildungen machen. Sechs Gebäude (Nr. 1, 4, 5, 8, 10 und 11) wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, vier von ihnen (Nr. 4, 8, 10 und 11) wieder aufgebaut, sodass immerhin die einstige Kubatur – die räumliche Ausdehnung der Baukörper – nahezu unverändert geblieben ist.

Veränderungen

Bald nach seiner Fertigstellung wurde der Platz vorübergehend durch Bauarbeiten für eine neue Linie der Untergrundbahn in Mitleidenschaft gezogen. Bei dieser Gelegenheit kamen einige Knochen vorgeschichtlicher Säugetiere zu Tage. Die heutige Linie U4, am 1. Dezember 1910 eröffnet und nur knapp drei Kilometer lang, war zunächst ein separates Unternehmen der Stadt Schöneberg mit eigener Stromversorgung, eigenen Wagen und eigenem Betriebsbahnhof (siehe: Geschichte der Berliner U-Bahn). Architekt des denkmalgeschützten U-Bahnhofs Viktoria-Luise-Platz war Ernst Deneke, der Zugang liegt an der östlichen Seite des Platzes.

Abgesehen von Schäden, die im Zweiten Weltkrieg entstanden waren, blieb die Struktur des Platzes bis 1957 fast unverändert. Danach erfolgte eine rigoros modernistische Umgestaltung ohne Rücksicht auf die historischen Gegebenheiten. 1979/1980 wurde dieser Schritt wieder rückgängig gemacht. Das Naturschutz- und Grünflächenamt des Bezirksamtes ließ den Platz entsprechend einem Ausführungsplan der Berliner Gartendenkmalpflege nach historischem Vorbild wieder herstellen. Um mehr nutzbaren Raum für Spaziergänger zu schaffen, ersetzte man die Blumenrabatten um den Brunnen durch eine mehrfarbige Pflasterung nach Mustern der einst von Encke angelegten Pflanzenornamente. Für die doppelreihige Lindenallee, die den Platz zum Straßenverkehr abgrenzt, wurden 25 Bäume neu gepflanzt; 24 Bänke und 25 Laternen im wilhelminischen Stil der Anfangszeit ergänzten die Ausstattung. Nachdem der Platz 1982 als Gartendenkmal[4] ausgewiesen wurde, folgte 1994/1995 als letzter wesentlicher Schritt die Instandsetzung des Brunnens mit der großen Fontäne, dem weithin sichtbaren optischen Bezugspunkt aller zum Platz führenden Straßen. 2010 erfolgt die Statusänderung zur „geschützten Grünanlage“ (zuvor „Grünanlage auf öffentlichem Straßenland“). Die Umgebung des Viktoria-Luise-Platzes gehört heute zu den bevorzugten Wohnbereichen in westlicher Berliner Innenstadtlage; der Kurfürstendamm ist nur rund einen Kilometer entfernt.

Literatur

  • Susanne Twardawa: Der Viktoria-Luise-Platz in Berlin-Schöneberg: Das Abenteuer liegt um die Ecke. Motzbuch, Berlin 2005, ISBN 3-935790-05-8.
  • Landesdenkmalamt Berlin: 20 Jahre Gartendenkmalpflege in der Metropole Berlin. Berlin 1999.

Weblinks

 Commons: Viktoria-Luise-Platz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Friedrich Leyden: Gross-Berlin. Geographie der Weltstadt. Hirt, Breslau 1933 (darin: Entwicklung der Bevölkerungszahl in den Vororten von Berlin. S. 207ff.).
  2. Text zur Arisierung der BBG
  3. a b Informationstafel am Viktoria-Luise-Platz, Ostseite
  4. Information des Berliner Senats zur Grünanlage Viktoria-Luise-Platz
52.49574166666713.341855555556

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