Villa Rustica

Villa Rustica
Römische Villa Haselburg im Odenwald, Hessen, Modell des Herrenhauses

Als Villa rustica (Plural villae rusticae) bezeichnet man ein Landhaus beziehungsweise Landgut im römischen Reich. Sie war Mittelpunkt eines landwirtschaftlichen Betriebs und bestand meist aus einem Hauptgebäude und mehreren innerhalb eines ummauerten Hofs gelegenen Wirtschafts- und Nebengebäuden.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau und Einrichtung

Isometrische Ansicht einer Portikusvilla mit Eckrisaliten
Frontalansicht einer Portikusvilla mit Eckrisaliten
Grundriss der Villa bei Séviac (Gers, Frankreich)

In Italien umfasste das Hauptgebäude einer villa rustica meistens einen geräumigen Innenhof, um den sich die Wirtschaftsräume gruppierten, der oft zweistöckige Wohntrakt befand sich in der Regel an der nördlichen Hofseite. In den gallischen und germanischen Provinzen, wo sich die Mehrzahl der heute bekannten villae rusticae befand, war das Haupthaus oft als Porticusvilla ausgeführt: Die Front gliederte sich in die Eckrisaliten und die dazwischenliegende Porticus (eine nach vorne offene Säulenhalle). Die Wohn- und Arbeitsräume des Hausherrn und seiner Familie grenzten direkt an die Porticus an.

Die Villen verfügten in der Regel über beheizbare Baderäume oder eigene beheizbare Badehäuser, oft waren auch einzelne Räume über Fußbodenheizung (Hypokausten) zu beheizen. Sie wiesen auch in der Regel einen Keller auf, der entweder als Vorratskeller oder als Hausheiligtum für die Laren und andere Schutzgötter diente. Mitunter fand sich auf dem Gelände auch ein kleiner Tempel.

Bewirtschaftung

Der Hausherr (dominus) der villa rustica war oft ein aus dem Militärdienst ausgeschiedener Veteran, der innerhalb der provinzialen Infrastruktur Versorgungsaufgaben für die nahe gelegenen Städte und Garnisonen übernahm. Wegen der hohen Transportkosten befanden sich die meisten Villen in der Nähe der Verbraucher, was die große Zahl von villae rusticae in jenen Grenzprovinzen, in denen die römischen Truppen hauptsächlich stationiert waren, erklärt. Wenn eine Villa im Durchschnitt 50 Personen umfasste, konnte diese bestenfalls für 20 weitere Städter oder Soldaten Nahrung produzieren; denn sonderlich effizient waren diese Betriebe, gemessen an den heutigen, in der Regel nicht; der erzielte Überschuss war meist gering. Folgt man dieser Berechnung (was nicht alle Forscher tun), so lässt sich ableiten, dass rund um eine Stadt wie Carnuntum mit 40.000 Bewohnern etwa 2.000 Villen für deren Versorgung existiert haben müssen, selbst wenn hier durch zusätzliche Nahrungsbeschaffung aus Handel und Fischerei eine gewisse Entlastung für die Bauern bestand. Der Raum, den diese 100.000 Bauern benötigten war jedenfalls enorm. Die logistischen Hürden für Transport und Lagerung ebenfalls. Bis zu 50 km weit lieferten die Villen ihre Waren in die Städte und das vorzugsweise am günstigen Wasserweg über die Flüsse.

Die Bewirtschaftung der Güter erfolgte direkt über den Hausherrn oder mit Hilfe eines Verwalters. Dieser entschied je nach Jahreszeit und anfallender Tätigkeit, was die Landarbeiter, das heißt zumeist Sklaven (servi), aber auch Freigelassene (liberti) oder Freie, zu verrichten hatten.

Schon damals mussten die Erzeugnisse den Markterfordernissen angepasst werden. So standen die Agrarproduzenten des antiken Apennin im Wettbewerb mit den römischen Provinzen. Tarraconensis (Spanien) und Gallia (Gallien) waren bekannt für den Export von Weine und Öle; zudem war in Gallien die Schafhaltung weit verbreitet und die damit verbundene Produkte wie Textilien, Käse und Pökelfleisch; Aegyptus (Ägypten) und andere afrikanische Provinzen für Getreide.

Sonderform villa urbana

Daneben besaßen Senatoren und andere hohe politische Amtsträger riesige Landgüter mit entsprechend großen Landhäusern, die oft luxuriös ausgestattet waren und dem Sommeraufenthalt dienten. Eine Villa dieser Art wird, in Abgrenzung zur rein wirtschaftlichen villa rustica, als villa urbana bezeichnet, das heißt als ein mit städtischem Komfort ausgestattetes Landhaus. Im rechtsrheinischen Gebiet ist bislang nur eine einzige solche Villa gefunden worden, und zwar im baden-württenbergischen Heitersheim.

Weiternutzung durch Germanen

Ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts kam es zu einem stetigen Bevölkerungsrückgang in den germanischen Provinzen (Germania Inferior und Germania Superior), mit ausgelöst durch die zunehmenden Überfälle rechtsrheinischer germanischer Stämme (vor allem Alamannen und Franken) auf das römische Territorium. Viele Villen wurden in dieser Zeit verlassen. Eine Weiternutzung durch sich neu ansiedelnde Germanen ist archäologisch nur schwer nachzuweisen, da Funde aus dieser Zeit sich in den meisten Fällen nicht sicher ethnisch zuweisen lassen. Außerdem übernahmen die in Grenznähe siedelnden Germanen oft die römische Lebensweise, so dass es hier kaum Anhaltspunkte für eine Zuordnung gibt. In Südwestdeutschland gelang es nur in einem Fall (villa rustica von Wurmlingen), die sekundäre Verwendung römischer Bausubstanz durch die Germanen sicher archäologisch nachzuweisen. Auch im 4. und 5. Jahrhundert gab es weiterhin noch villae rusticae, aber in deutlich geringerer Zahl als früher.

Liste der in Wikipedia beschriebenen Villae Rusticae

Deutschland

bei Wurmlingen
bei Haselburg
bei Eschweiler

Baden-Württemberg

Bayern

Hessen

Nordrhein-Westfalen

Rheinland-Pfalz

Saarland

Villa von Boscoreale

Italien

Großherzogtum Luxemburg

Österreich

bei Löffelbach

Steiermark

Vereinigtes Königreich

Siehe auch

  • Portal und Themenliste Rom

Literatur

  • John T. Smith: Roman Villas. A Study in Social Structure. Routledge, London 2003, ISBN 0-415-16719-1.
  • John Percival: The Roman Villa. A Historical Introduction. Batsford, London 1988, ISBN 0-7134-6053-9.
  • Helmut Bender, Hartmut Wolff (Hrsg.): Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den Rhein-Donau-Provinzen des Römischen Reiches (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie; Bd. 2). Leidorf Verlag, Espelkamp 1994.

Weblinks

Online-Publikationen:

  • Bilgehan Köhler: Villa rustica Frimmersdorf 49 und Villa rustica Frimmersdorf 131. Studien zur römischen Besiedlung im Braunkohlentagebaugebiet Garzweiler I. Dissertation an der Universität Köln, 2005. Auf den Servern der Universität Köln und der Deutschen Nationalbibliothek

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