Vioxx

Vioxx
Strukturformel
Strukturformel von Rofecoxib
Allgemeines
Freiname Rofecoxib
Andere Namen

4-[4-(Methylsulfonyl)phenyl]- phenylfuran-2(5H)-on

Summenformel C17H14O4S
CAS-Nummer 162011-90-7
PubChem 5090
ATC-Code

M01AH02

DrugBank DB00533
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

nichtsteroidales Antirheumatikum, COX-2-Hemmer

Wirkmechanismus

selektive Inhibition der COX-2

Fertigpräparate

Vioxx® (D)

Verschreibungspflichtig: ja
Eigenschaften
Molare Masse 314,36 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung

unbekannt
R- und S-Sätze R: ?
S: ?
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Rofecoxib ist ein Arzneistoff. Das nichtsteroidale Antirheumatikum der Gruppe der selektiven COX-2-Hemmer (daher die Endung -coxib, vgl. Celecoxib) diente zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen und Schmerzen. Es wurde vom US-Pharmakonzern MSD Sharp & Dohme unter dem Handelsnamen Vioxx® in Verkehr gebracht.

In Deutschland war Vioxx das umsatzstärkste Produkt der Firma (mit etwa 20 % des nationalen Konzernumsatzes). Auch weltweit erreichte Merck mit Vioxx die Marktführerschaft unter den Coxiben und erzielte einen Gesamtumsatz von zuletzt 2,5 Milliarden US-Dollar.

Inhaltsverzeichnis

Marktrücknahme

Am 30. September 2004 kündigte der Konzern an, Vioxx wegen einer neuen Langzeitstudie (APPROVe: Adenomatous Polyp Prevention on VIOXX-Studie - Studie zur adenomatösen Polypenprävention bei VIOXX) über 1,5 Jahre, tägliche Dosis 25 mg Rofecoxib zur Prävention des erneuten Auftretens kolorektaler (Dick- und Mastdarm betreffender) Polypen bei 2600 Patienten mit kolorektalen Adenomen, die bisher wenig beachtete Nebenwirkungen des Medikaments als schwerwiegend eingestuft hatte, unverzüglich vom Markt zu nehmen.[1] In dieser Studie zeigte sich nach 18 Monaten eine nahezu verdoppelte Rate an Herz-Kreislauferkrankung (insbesondere Herzinfarkten, instabiler Angina Pectoris und Schlaganfällen) im Vergleich zu einer Behandlung mit Placebo. Die Studie musste aus diesem Grund vorzeitig abgebrochen werden.

Es drohen nun Schadenersatzforderungen gegen den Hersteller: Seit Rückzug des Medikaments vom Markt sind bis März 2006 nahezu 10.000 Klagen gegen Merck & Co. erhoben worden. Im ersten Gerichtsverfahren in dieser Sache, welches im Sommer 2005 in Angleton (Texas) stattfand, sprach eine Jury der Witwe eines mutmaßlichen Vioxx-Opfers 253 Millionen Dollar zu. Der Mann hatte nach acht Monaten kontinuierlicher Einnahme des Medikaments einen tödlichen Herzinfarkt erlitten. Aufgrund der Gesetzeslage in Texas rechnen Experten jedoch mit einer Kürzung des Anspruchs der Witwe auf 26,1 Millionen Dollar. Das durch den Vioxx-Skandal und die erste Prozessniederlage angeschlagene Unternehmen konnte jedoch den zweiten und dritten Gerichtsprozess für sich entscheiden. In den beiden Klagen ging es wiederum um Herzinfarkte mit Todesfolge nach Einnahme des Präparates und in beiden Fällen sprach das Gericht Merck von der Verantwortung für den Tod der Männer frei.[2][3]

Interessant ist, dass die Firma MSD zwei Wochen vor dem Rückruf von Rofecoxib in Deutschland die Zulassung für einen weiteren COX2-Hemmer (Etoricoxib), erhalten hat. Allerdings ist Etoricoxib in Großbritannien seit 2002 zugelassen.

2009 wurde bekannt, dass Merk vor der Marktrücknahme eine interne Liste mit Kritikern des Medikaments führte, die mundtot gemacht werden sollten. [4]

Indikation

Vioxx wurde zur Behandlung von Arthrose, Osteoarthritis, rheumatoider Arthritis, akuten Schmerzen bei Erwachsenen und bei primärer Dysmenorrhoe angewendet. Noch Anfang September 2004 hatte die US-Gesundheitsbehörde FDA die Zulassung des Medikaments auf die Behandlung von Kindern ab zwei Jahren erweitert.

Bewertung der Nebenwirkungen

Insgesamt stellt sich die Frage, ob diese Nebenwirkung alle Coxibe betrifft oder ob es ein Moleküleffekt ist. Das Risiko, an einer Magenblutung unter Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen oder Indometacin zu versterben, ist nach behördenkontrollierten Zulassungsstudien und Expertenmeinung wesentlich höher als das möglicherweise jetzt herausgefundene kardiovaskuläre (Herz und Gefäßsystem betreffend) Risiko von Coxiben (etwa Faktor 10). Diese Angaben werden von Publikationen wie dem Arznei-Telegramm angezweifelt. Allerdings gibt es zu den klassischen NSAR derzeit keine veröffentlichten Langzeitstudien (über 15-18 Monate) zum kardiovaskulären Risiko. Epidemiologische Untersuchungen sprechen eine deutliche Sprache bezüglich hoch dosierter alter NSAR (Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen oder Indometacin) ohne Magenschutz: Von etwa 1200 Patienten stirbt einer wegen ursächlicher Nebenwirkungen der oben genannten Substanzen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) rät jedenfalls derzeit nur zur eingeschränkten Anwendung von Coxiben (siehe auch Linkliste).

Patienten, die Rofecoxib einnahmen, hatten offenbar ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Dies legt die Rotterdam-Studie nahe, an der 7636 ältere Bürger dieser Stadt teilnahmen, alle ohne Insult. Innerhalb der mittleren Beobachtungszeit von neun Jahren ereilte dieses Schicksal 807 von ihnen. Für Patienten, die zum Zeitpunkt des Insults nichtselektive oder COX-2-selektive NSAR eingenommen hatten, ermittelten die Autoren eine signifikant erhöhte Hazard Ratio (HR) von 1,72 bzw. 2,75, für COX-1-selektive NSAR ließ sich ein solcher Zusammenhang statistisch nicht belegen. Unter den Einzelsubstanzen zeigten Naproxen (HR 2,63) und Rofecoxib (HR 3,38) eine erhöhte Schlaganfallinzidenz, bei Diclofenac, Ibuprofen und Celecoxib hingegen fehlte der numerisch ermittelten Steigerung die Signifikanz. [5]

Die Magen/Darm-Problematik der alten NSAR wird häufig von der Presse und auch von Fachkreisen ausgeblendet. Nach Studienlage bieten Protonenpumpenhemmer (Pantoprazol, Omeprazol, Esomeprazol, Lansoprazol) nur einen wirksamen Schutz für den Magen, jedoch nicht für den unteren Gastrointestinaltrakt (Duodenum, Darm).

Nach der Marktrücknahme von Vioxx ist der ausgewiesene Quartalsgewinn von MSD um 29 Prozent eingebrochen. Im dritten Jahresquartal 2004 betrug der Überschuss nur 1,33 Milliarden Dollar gegenüber 1,86 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum, wie der Konzern am 21. Oktober 2004 veröffentlichte.

Kürzlich hatte sich MSD für den Tod eines 53 Jahre alten Mannes vor Gericht zu erklären. Unter Berücksichtigung des Alters, Geschlechts und der Ernährung ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass das Produkt nicht mangelhaft und daher auch nicht schuld am Tod des Mannes sei.

Literatur

  • Bombardier C. et al. (2000): Comparison of upper gastrointestinal toxicity of rofecoxib and naproxen in patients with rheumatoid arthritis. VIGOR Study Group. In: N. Engl. J. Med. 343(21), 1520–1528. PMID 11087881 PDF (freier Volltextzugriff, engl.)

Einzelnachweise

  1. VIOXX® Internet-Präsenz von Merck & Co.
  2. Roxanne Khamsi (2005): Painkiller verdict shows mistrust of Merck. Nature 436; 1070; doi:10.1038/4361070a
  3. Make or break time in Vioxx drama. Nature 2006; 440; 277; doi:10.1038/440277a
  4. 1. April 2009 The Australien
  5. Mendel D. M. Haag, Arch Intern Med 2008; 168: 1219-1224

Weblinks

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