Vitodurum

Vitodurum
Römische Inschriftentafel aus Vitudurum, die die Gründung bezeugt

Vitudurum (manchmal auch Vitodurum) war eine römische Siedlung auf dem heutigen Stadtgebiet von Winterthur.

Um das Jahr 1 entstanden entlang des römischen Verkehrsweges, der von Vindonissa an den Bodensee führte, erste, sicher nachgewiesene Bauten nordöstlich des Kirchhügels von Oberwinterthur. Nach laufendem Ausbau entstand bis zum Jahre 70 n. Chr. ein vicus, ein römisches Strassendorf mit dafür charakteristischen Streifenhäusern in Fachwerktechnik, einer über ein Leitungssystem funktionierenden Wasserversorgung und Werkstätten wie Schmieden und Töpfereien und einer durch erhaltene Bottiche nachgewiesenen Gerberei.

Ebenso fanden sich öffentliche Gebäude, die auf dem heute gut ergrabenen und dokumentierten Kirchhügel angelegt waren. Es handelt sich hierbei um einen um 80 n. Chr. errichteten gallo-römischen Tempel, ein sogenanntes fanum, mit rechteckigem Grundriss, turmartiger cella und einem von Säulen getragenen Umgang. Südöstlich befand sich ein dem Tempel zugehöriges Nebengebäude. Beide wurden von einer Mauer umfasst und bildeten dadurch das temenos, den heiligen Bezirk. Dieser wurde an der östlichen Längsseite von weiteren drei Streifenhäusern gesäumt, wobei das mittlere Streifenhaus einen deutlich höheren Wohnkomfort aufwies und dadurch als öffentliches Gebäude interpretiert wird. Der den Tempelbezirk an der südlichen Schmalseite flankierende Steinbau wird aufgrund der Anlage des Wasserleitungssystems als Therme gedeutet.

Vitudurum zur damaligen Zeit auf einem Kartenausschnitt (komplett schwarzer Punkt)

Im Zuge der in der Mitte des 3. Jahrhunderts wiederholt erfolgenden Alemanneneinfälle wurde der Kirchhügel im Jahre 294 n. Chr. befestigt und zu einem Kastell ausgebaut. Das Gründungsdatum wurde durch eine erhaltene Bauinschrift überliefert, welche möglicherweise am Haupttor der Kastellmauer eingelassen war und sich heute im Winterthurer Rathaus befindet. Ebenfalls in diese Zeit fällt das Vergraben eines Hortfundes im so genannten "Unteren Bühl", dem Westteil des vicus.

Nebst auf Baufunde stützt sich das heutige Wissen um Aussehen, Alltag und Entwicklung des römischen Oberwinterthur auf zahlreiche Kleinfunde, von denen die hier genannten Keramikfunde, Fibeln, bronzenen Votivstatuetten, kleineren Terrakotten und außergewöhnlichen Glasgefässe nur eine geringe Auswahl einer großen Fülle an Fundmaterial darstellen. Keines der Fundstücke jedoch datiert sich jünger als nach 400 n. Chr. Mit dem Abzug der römischen Truppen von der Rheingrenze und dem Niedergang des Kastells erfährt Vitudurum einen Abbruch der archäologischen Quellen.

Literatur

  • W. U. Guyan, J. E. Schneider, A. Zürcher, Turicum - Vitudurum - Iuliomagus. Drei Vici in der Ostschweiz. In: Festschrift O. Coninx (1985) 170-231.
  • J. Rychener, P. Albertin, Beiträge zum römischen Vitudurum - Oberwinterthur 2 (1986)
  • P. Bouffard, Winterthur in römischer Zeit (1943).
  • Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (Hrsg.), SPM V. Römische Zeit (2002) 403-404
  • Schweizerische Stiftung Pro Patria (Hrsg.), Der römische Reiseplaner (1992) 89-90.
  • Schweizerische Verkehrszentrale (Hrsg.), Römerwege (1993) 107-109.

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