Von-Gierke-Krankheit

Von-Gierke-Krankheit
Klassifikation nach ICD-10
E74.0 Glykogenspeicherkrankheit (Glykogenose)
Von-Gierke-Krankheit
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Als Von-Gierke-Krankheit, auch Glykogenspeicherkrankheit Typ I (GSD1) oder Glykogenose Typ I, wird die häufigste Erkrankung aus der Gruppe der Glykogenspeicherkrankheiten bezeichnet. Die Erkrankung wurde 1929 von dem Pathologen Edgar von Gierke (1877-1945) erstmals beschrieben.[1] Zugrunde liegt bei der Form 1A ein Defekt des Enzyms Glucose-6-Phosphatase, das eine zentrale Rolle bei der Freisetzung von Glucose insbesondere aus der Leber und somit im Energiestoffwechsel des Körpers spielt. Es kommt zu einer Akkumulation von Glucose-6-phosphat in den Hepatozyten und den proximalen Tubuluszellen. Die Folge ist eine übermäßige Glykogensynthese. Ein Grund dafür ist die allosterische Aktivierung der Phosphoprotein-Phosphatase-1 durch Glucose-6-Phosphat, welche den Glykogenabbau hemmt und die Synthese fördert. Die Krankheit wird autosomal-rezessiv vererbt. Mit einer Häufigkeit (Inzidenz) von einer Erkrankung je 100.000 Geburten ist die Erkrankung selten.[2]. Die Ursache für die Formen 1B, 1C und 1D liegt in einem Defekt der Glucose-6-phosphat-Translokase, einem Transportprotein, das insbesondere den Transport von G6P ins endoplasmatische Reticulum bewerkstelligt.[3]

Inhaltsverzeichnis

Klinik

Die Erkrankung manifestiert sich schon beim Säugling mit einer Hypoglykämie und Azidose infolge der durch den Enzymdefekt gestörten Glucosefreisetzung. Die gestörte Glucosefreisetzung führt auch zu einer vermehrten Glykogenablagerung in der Leber, was mit Vergrößerung der Leber (Hepatomegalie) verbunden ist. Häufig bestehen eine Muskelschwäche und eine Wachstumsverzögerung. Eine vermehrte Glykogeneinlagerung in die Muskulatur (wie bei der Pompe-Erkrankung und der McArdle-Erkrankung) findet sich jedoch nicht.

Diagnostik

Die Erkrankung führt zu niedrigen Blutglucose-Spiegeln, die nicht unbedingt symptomatisch werden. Eine kompensatorische übermäßige Aktivierung der Lipolyse führt zur Hyperlipidämie. Weiterhin besteht eine Hyperurikämie. Nach Verabreichung von Glucose wird ein Anstieg des Blutglucosespiegels und ein Abfall des Laktatspiegels im Blut beobachtet. Die Verdachtsdiagnose kann durch eine molekulargenetische Untersuchung des Glucose-6-Phosphatase-Gens G6PC bestätigt werden. Eine Leberbiopsie ist darum nicht mehr erforderlich.

Therapie

Die Behandlung sollte in einem Pädiatrischen Stoffwechselzentrum erfolgen, wobei die Kinder und ihre Eltern über medizinische und ernährungsphysiologische Grundlagen sowie über Notfallmaßnahmen aufgeklärt werden müssen. Ein Notfallausweis ist auszustellen. Ziel der Therapie ist die sichere Vermeidung von Hypoglykämien und die Stabilisierung der Stoffwechselsituation. Tagsüber erreicht man das über häufige, kleine, kohlenhydratreiche Mahlzeiten, nachts ist eine kontinuierliche Dauersondierung mit Dextrinlösung oder Stärke notwendig. Beginnt man mit dieser Therapie rechtzeitig kann ein normales Körperwachstum erreicht und chronische Organkomplikationen vermieden werden.[4]

Einzelnachweise

  1. von Gierke: Hepato-nephromegalia glykogenica (Glykogenspeicherkrankheit der Leber und Nieren). Beiträge zur pathologischen Anatomie und zur allgemeinen Pathologie, Jena, 1929, 82: 497-513.
  2. Melis D et al.: Genotype/phenotype correlation in glycogen storage disease type 1b: a multicentre study and review of the literature. Eur J Pediatr. 2005 Aug;164(8):501-8. Epub 2005 May 19. PMID 15906092
  3. UniProt O43826
  4. AWMF Leitlinien Kinderheilkunde und Jugendmedizin: Glykogenspeicherkrankheiten der Leber Nr. 027/015 Volltext
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