Vytautas Landsbergis

Vytautas Landsbergis
Vytautas Landsbergis – Ex-Parlamentspräsident Litauens und Führer der Unabhängigkeitsbewegung Sąjūdis

Vytautas Landsbergis?/i (* 18. Oktober 1932 in Kaunas) ist ein litauischer konservativer Politiker. Er war als Vorsitzender des provisorischen Parlaments (Seimas) das erste Staatsoberhaupt Litauens nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1990. Er war später Parlamentspräsident und ist heute Mitglied des Europäischen Parlaments.

Inhaltsverzeichnis

Jugend und Zeit in der Sowjetunion

Vytautas Landsbergis ist einer von zwei Söhnen (Bruder Gabrielius) einer großbürgerlichen Familie. Sein Vater, Vytautas Žemkalnis-Landsbergis, arbeitete bis zum Zweiten Weltkrieg als Chefarchitekt in Kaunas. Vytautas studierte am Staatskonservatorium in Kaunas Klavier und arbeitete zunächst als Klavierlehrer. 1969 promovierte er mit einer Arbeit über Leben und Werk des Komponisten und Malers Mikalojus Konstantinas Čiurlionis. Am Staatskonservatorium lehrte er als Dozent für Musikgeschichte und Klavier.[1] Er schuf sich einen Ruf als angesehener Musikwissenschaftler und Experte für das kompositorische und malerische Werk des litauischen Nationalhelden Čiurlionis. Bereits in dieser Arbeit kam seine Verbundenheit mit der litauischen Heimat zum Ausdruck. 1987 gehörte er zu den Begründern der Čiurlionis-Gesellschaft, die sich die Bewahrung des kulturellen Erbes dieses bedeutendsten litauischen Komponisten zur Aufgabe gemacht hat. In den 50er Jahren nahm Landsbergis mehrmals an den litauischen Schachmeisterschaften teil.

Vorsitzender der Sąjūdis-Bewegung

Vytautas Landsbergis ist einer der Begründer der litauischen Unabhängigkeitsbewegung Sąjūdis. Auf dem Gründungskongress wurde er am 22. Oktober 1988 zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Klein von Statur und im Auftreten wie ein typischer Wissenschaftler wirkend, erwies sich Landsbergis als gewiefter Stratege, der die weitere Entwicklung scharfsinnig voraussah.

Seine rhetorische Brillanz und Schärfe machten ihn zu einem starken Gegenspieler der gewandelten kommunistischen Partei Litauens (KPL) unter Algirdas Brazauskas. Landsbergis führte Sąjūdis zu überlegenen Siegen bei den Wahlen zum Kongress der Volksdeputierten der Sowjetunion im April 1989 und bei den ersten freien Parlamentswahlen (der Seimas) am 24. Februar 1990.

Politiker im unabhängigen Litauen

Das neu gewählte Parlament wählte Landsbergis zu seinem Vorsitzenden. Als am 11. März 1990 die Unabhängigkeit Litauens für wiederhergestellt erklärt und die Verfassung der Ersten Republik (1920–1940) wieder in Kraft gesetzt wurde, wurde Landsbergis kraft seines Amtes kommissarisches Staatsoberhaupt Litauens bis zur Inkraftsetzung einer neuen Verfassung. Während des Jahres 1990, das durch zunehmende Spannungen mit der sowjetischen Führung unter Michail Gorbatschow gekennzeichnet war (u. a. Rohstoffblockade im April und Mai 1990), verfocht Landsbergis eine harte Linie, bei der die Unabhängigkeit Litauens als unverrückbar angesehen wurde und auch kein Moratorium denkbar war.

Nachdem die Wahlen 1992 mit einer Niederlage der konservativen Parteien und einem Sieg der Reformkommunisten endeten, trat Landsbergis zunehmend in den Schatten von Algirdas Brazauskas, blieb jedoch noch bis 1996 Parlamentspräsident.

Bis heute ist Landsbergis einer der bekanntesten Politiker Litauens und in seiner Partei, der konservativen Vaterlandsunion, sehr einflussreich. Durch seine unversöhnliche Haltung gegenüber Russland, das das Baltikum nach wie vor als seine Einflusssphäre betrachtet, hat er sich mittlerweile aus der Mitte des gesellschaftlichen Konsenses in Litauen entfernt.

Seit der ersten litauischen Europawahl 2004 sitzt er als Mitglied der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Hier gehört er dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten sowie dem Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung an.

Im Mai 2005 äußerte er sich wie folgt zum Ende des Zweiten Weltkriegs: „Die Deutschen wissen vom Völkermord an den Juden, den Indianern, den Armeniern, aber nichts von dem an ihnen verübten. Vergegenwärtigen Sie sich diese Tatsache mal für einen Moment. – Nun sagen Sie mir, halten Sie es jetzt immer noch für angemessen, das Kriegsende im Osten als »Befreiung« zu feiern?“[2]

Auszeichnungen

Am 2. Mai 2003 wurde ihm von Volker Schimpff als Vertreter des sächsischen Landtagspräsidenten Erich Iltgen für sein Engagement für Freiheit, Demokratie und das Selbstbestimmungsrecht die Sächsische Verfassungsmedaille verliehen.[3]

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Autoren der Aufsätze: Vytautas Landsbergis, In: Beiträge zur Musikwissenschaft; herausgegeben vom Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler in der DDR, Heft 1/1979, Seite 71, Berlin (Ost) 1979
  2. Junge Freiheit, Nr. 19/05, 6. Mai 2005
  3. Pressemitteilung vom 6. Mai 2003: Sächsische Verfassungsmedaille für Vytautas Landsbergis, abgerufen am 24. Januar 2010

Schriften

  • Vytautas Landsbergis: Das Königliche Konservatorium zu Leipzig mit den Augen eines Studenten, Briefe von M. K. Ciurlionis. In: Beiträge zur Musikwissenschaft; herausgegeben vom Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler in der DDR, Heft 1/1979, Seite 42–69, Berlin (Ost) 1979

Weblinks


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