Waldzither

Waldzither
Vogtländische Waldzither, Hamburger Modell, um 1935

Die Waldzither ist ein Zupfinstrument aus der Familie der Cistern, das etwa um 1900 in Thüringen aufkam. Sie ist trotz ihres Namens keine Zither, sondern gehört vielmehr, wie alle Cistern, zu den Kastenhalslauten.

Die Waldzither ist eine deutsche Bauform der Cister, so wie sich auch in anderen Ländern eigene Cistervarianten entwickelt haben, z. B. in Portugal die Portugiesische Gitarre, in England die English Guitar und in Irland die sogenannte Irische Bouzouki.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bezeichnete der Begriff „Zither” ausschließlich Instrumente aus der Familie der Cistern. Im 19. Jahrhundert gewann dann eine Weiterentwicklung des mittelalterlichen Scheitholt im Salzburger Raum an Bedeutung, auf welche der Name Zither überging. So kam es zu einem Namenskonflikt zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Instrumententypen.

Cistern wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert nur noch in einigen wenigen Gebieten Deutschlands (z. B. Thüringen, Harz) gebaut und gespielt. Um Verwechslungen zu vermeiden, erhielten die Instrumente neue Bezeichnungen in Form von Namenszusätzen wie „Halszither”, „Bergmannszither”, „Harzzither”, oder „Thüringer Zither”. Der Name Waldzither entstand vermutlich als Verkürzung von „Thüringer Wald-Zither”.

Martin Luther soll Cister gespielt haben, was allerdings historisch nicht belegt ist. Auf Grund dieser Überlieferung kamen Anfang des 20. Jahrhunderts Variationen der Waldzither mit Bezeichnungen wie „Lutherzither” oder „Wartburglaute” auf.

Eine weitere gelegentlich verwendete Bezeichnung für die Waldzither ist „deutsche Laute” – ein Begriff, der aber auch für die Gitarrenlaute verwendet wurde und daher doppeldeutig ist.

Geschichte

Die Cister ist ein Instrument aus dem Mittelalter und der Renaissance, das im 19. Jahrhundert beinahe in Vergessenheit geraten war. Durch die Jugendbewegung und die Jugendmusikbewegung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde das Instrument wieder neu entdeckt und als Waldzither in der deutschen Volksmusik wieder populär. Aus Arbeiterkreisen gelangte es auch in die Wandervogelbewegung.

Mit dem Erstarken des deutschen Nationalbewusstseins in den 1920er und 1930er Jahren wurde von einigen Herstellern der Waldzither versucht, auf diesen Trend aufzuspringen und das Instrument als deutsches „Nationalinstrument“ zu etablieren, wie folgendes Zitat belegt:

„Es ist eine unbedingte Notwendigkeit, dass der Deutsche zu seinen Liedern auch ein echt deutsches Begleitinstrument besitzt. Wie der Spanier seine Gitarre (fälschlich Laute genannt), der Italiener seine Mandoline, der Engländer das Banjo, der Russe die Balalaika usw. sein Nationalinstrument nennt, so sollte der Deutsche seine Laute, die Waldzither, welche schon von Dr. Martin Luther auf der Wartburg im Thüringer Walde (daher der Name Waldzither) gepflegt wurde, zu seinem Nationalinstrument machen.” – Vorwort eines Taschen-Liederhefts von C. H. Böhm (Hamburg, im März 1919)

Trotzdem wurde das Instrument im deutschen Nationalsozialismus von den neuen Machthabern nicht gefördert. Dies lag daran, dass es mit dem Wandervogel assoziiert wurde, der mit der Machtergreifung der Nazis verboten wurde. Spieler der Waldzither wurden teilweise unter dem Verdacht, autonome Wandervögel zu sein, festgenommen. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war die Waldzither dennoch sehr populär, weil sich viele Musikfreunde ein teureres Instrument gar nicht leisten konnten. Kurse wurden in riesigen Gruppen angeboten, Politik dabei aber strengstens umgangen, weil die Musikschulen von den Nazis argwöhnisch kontrolliert wurden.

Nach Kriegsausbruch war der Erwerb einer Waldzither schwierig bis unmöglich. Wer eine besaß, nahm sie in der Regel auch auf Flucht und Vertreibung mit, weil Musik für die Menschen eine wichtige Überlebenshilfe war. Richtig untergegangen ist die Waldzither erst in den 1950er Jahren, in denen das Singen deutscher Volkslieder als Nazi-Erbgut betrachtet wurde und gleichzeitig die Gitarre als Instrument massiv an Bedeutung gewann. Dazu kam die deutsche Teilung, die Produktion der Waldzither (Sachsen) und Abnehmer (Mittel-und Norddeutschland) voneinander trennte. In Hamburg wurde nach dem Krieg keine Waldzither mehr produziert, wohl aber im Sauerland durch den Einzelunternehmer Friedrich. Dieser stellte sich dann aber auch auf den einsetzenden Gitarrenboom um.

In den 1970er Jahren kam die Waldzither durch das deutsche Folkmusik-Aufleben wieder zu Ehren. Gruppen wie Liederjan spielten auf alten Instrumenten ihren neuen Folk. Inzwischen gibt es wieder ein vermehrtes Interesse an dem Instrument, in der Volksmusik, der Folkmusik, sowie seit den 1990er Jahren auch aus den Reihen der Musik der Mittelalterszene. Es gibt auch heute noch einige Instrumentenbauer, die Waldzithern herstellen.

Bauformen

Schraubenkopfmechanik

Die Waldzither besteht aus einem länglichrunden, meist tropfenförmigen, flachen Korpus mit Zargen, einem Hals mit Griffbrett und einem Kopf mit den Wirbeln, an denen die Saiten gespannt werden. Der Saitenhalter befindet sich unterständig beim Klotz, der die beiden Zargenteile verbindet (ähnlich wie bei der Mandoline). Das Griffbrett ist durch quer eingelegte Metallstäbchen in der Regel in 17 Bünde eingeteilt.

Neben der häufigsten Korpusform, der Tropfenform, gibt es auch die „Wappenform“ (birnen- oder glockenartig) und die „Lautenform“. Bei der Waldzither ist es, anders als beispielsweise bei der Gitarre oder Mandoline, nie zu einer echten Standardisierung gekommen. Aus diesem Grund wurden zu jeder Zeit und von jedem Hersteller Waldzithern mit leicht oder auch stärker abweichenden Baumerkmalen gefertigt.

Die weitverbreitetsten Bauformen der Waldzither sind:

  • die Thüringische Waldzither
  • die Hamburger Waldzither
  • die Vogtländische Waldzither

Die „Thüringische Waldzither“ ist traditionell mit hinten durchgesteckten Stimmwirbeln ausgestattet.

Die „Hamburger Waldzither“ ist eine Variante des Hamburger Mandolinenfabrikantens C. H. Böhm und anderen konkurrierenden Hamburger Instrumentenbauern des beginnenden 20. Jahrhunderts. Sie besitzt eine Schraubenkopfmechanik (auch Fächermechanik oder Schraubenfächermechanik genannt), die eine Weiterentwicklung der Preston's machine der English guitar darstellt, und einen flachen Korpusboden.

Die „Vogtländische Waldzither“ gibt es in zwei Modellen, dem ‚Hamburger Modell‘ mit Schraubenkopfmechanik und dem ‚Thüringer Modell‘ mit Embergher Wirbelmechanik (wie bei einer Gitarre). Letzteres Modell wird manchmal auch „Thüringer Waldzither“ genannt, ist aber eine ganz andere Bauform als die „Thüringische Waldzither“. Das Hamburger Modell der vogtländischen Waldzither hat im Unterschied zur Hamburger Waldzither einen mehrfach gespanten gewölbten Korpusboden.

Besaitung und Stimmung

Die heutige Waldzither ist, wie bei Cistern üblich, in einer offenen Stimmung gestimmt. Die Saiten sind immer aus Metall, in der Regel Stahlsaiten, und doppel- oder mehrchörig angeordnet.

Die neun Saiten werden in der auch heute noch üblichen Bezeichnung Tenorzither in (C-Dur) gestimmt (von der tiefsten Saite ausgehend: c gg c'c' e'e' g'g'. Vor allem in Thüringen wird heute noch von Hilmar Günther die so genannte Basszither gebaut, die eine Quarte tiefer in G-Dur gestimmt ist (G dd gg h'h' d'd'). Als Diskantzither ist sie ebenfalls in G-Dur üblich, allerdings dann eine Oktave höher. (g d'd' g'g' h'h' d" d") Es gibt auch 14-saitige Waldzithern. Diese haben fünf Chöre: einen Doppelchor im Bass und vier Tripelchöre, sie ähneln in Größe und Bauweise den Tenorzithern (cc ggg c'c'c' e'e'e' g'g'g').

Wird die Waldzither als reines Bordun-Begleitinstrument eingesetzt, kann man auch die Terz weglassen und eine Stimmung verwenden, die nur den Grundton und die Quinte enthält, z. B. c gg c'c' c'c' g'g', was einen sehr vollen Bordunklang ergibt (entsprechend einem Powerchord).

Experimentierfreudige heutige Waldzitherspieler setzen zum Teil auch ganz andere Stimmungen für die Waldzither ein. Zu diesem Thema referierte Gregory Doc Rossi beim 3. Waldzithersymposium in Suhl ausführlich mit praktischen Anregungen.

Spielweise

Die Waldzither kann sitzend oder stehend gespielt werden. Das Anschlagen der Saiten erfolgt meist mit einem Plektrum, das zwischen Zeigefinger, Mittelfinger und Daumen gehalten wird. Die Fingerspielweise (ohne Plektrum) ist sehr selten.

Die Waldzither kann als reines Melodieinstrument oder auch als Rhythmusinstrument eingesetzt werden. Es lässt sich auch Melodie und Rhythmus gleichzeitig spielen. Die Grundakkorde sind sehr leicht zu greifen, so dass auch Anfänger sehr schnell zu guten Ergebnissen gelangen. Bei der C-Dur-Stimmung ist das Spiel in den Tonarten C-Dur, G-Dur und F-Dur und den verwandten Molltonarten am leichtesten. Es kommen dabei auch Barré-Griffe zum Einsatz. Das Spiel in anderen Tonarten erfordert allerdings mehr Übung.

Man kann auch einen Kapodaster verwenden – zum Beispiel am zweiten Bund, um ein Stück auf einfache Weise in D-Dur zu spielen.

Weitere mögliche Spieltechniken sind die Verwendung von Fingerpicks oder Bottlenecks.

Waldzither-Symposium

Seit 2003 findet alle zwei Jahre in Suhl (Thüringen) ein Waldzither-Symposium statt, bei dem Spieler, Sammler, Historiker, Instrumentenbauer und Interessierte sich treffen und austauschen.

Auch 2011 findet mit Unterstützung Leitung des Suhler Waffenmuseums ein Cister-Symposium statt.

Weblinks


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