Walter Tiemann

Walter Tiemann

Walter Tiemann (* 29. Januar 1876 in Delitzsch; † 17. September 1951 in Leipzig) war ein deutscher Buchkünstler, Schriftgestalter, Typograf, Grafiker und Illustrator.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Grabstätte Walter Tiemann auf dem Südfriedhof in Leipzig

1887 übersiedelte die Familie nach Leipzig, wo Walter Tiemann 1894 sein Studium an der Königlichen Kunstakademie und Kunstgewerbeschule begann. Nach zwei Jahren wechselte er nach Dresden; später folgte ein Studienaufenthalt in Paris.

1897 gewann er einen Plakatwettbewerb für die sächsisch-thüringische Ausstellung; 1903 berief man ihn an die Königliche Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig als Lehrer der Meisterklasse für das Gesamtgebiet des Buchgewerbes, der Illustration, der freien und der angewandten Grafik.

1905 kam der Kontakt mit der Offenbacher Schriftgießerei Gebr. Klingspor zustande, in der alle von Tiemann entworfene Schriften erschienen. 1907 gründete er zusammen mit seinem Freund seit Jugendtagen Carl Ernst Poeschel die Janus Presse, die erste deutsche Privatpresse, für die er auch die Schrift (Janus-Pressen-Schrift) entwarf. 1914 fand in Leipzig die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Grafik (Bugra) statt, an der Walter Tiemann als Juror mitwirkte.

1920 wurde er Direktor der Leipziger Akademie und erhielt zu seinem 50. Geburtstag 1926 die Ehrendoktorwürde der Leipziger Universität. Die Zwanziger Jahre waren trotzdem eine schwierige Zeit. Die junge Generation erkannte die Vorgaben der etablierten Typografen nicht mehr an und es kam zum Konflikt mit den Vertretern der elementaren Typografie, namentlich Jan Tschichold, der zuvor bei Tiemann, Hermann Delitsch und Hugo Steiner-Prag studiert hatte. 1940 ging Walter Tiemann in den vorläufigen Ruhestand. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs nahm ihn Adolf Hitler im August 1944 in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Gebrauchsgraphiker und Entwurfszeichner auf,[1] was ihn von einem Kriegseinsatz, auch an der Heimatfront befreite.

Nach dem Kriegsende, im August 1945, übernahm er nochmals kommissarisch die Leitung der Akademie bis Februar 1946.

Werk

Walter Tiemann prägte vor 1914 das Erscheinungsbildes des Insel Verlages (ab ca. 1903), des Julius Zeitler Verlages (1904–1912), des Hans von Weber Verlages / Hyperion Verlag Hans von Weber (1906–1922). Des Weiteren arbeitete er für den Rütten & Loening Verlag in Potsdam, S. Fischer Verlag in Frankfurt, Eugen Diederichs in Jena, den Albert Langen Verlag in München sowie für den Rowohlt Verlag, dessen Verlagssignet ERV von ihm stammt (erstmals 1910 verwendet). Tiemanns Gestaltungen, Titel, Signets und Ausstattungen markieren den Übergang vom floral geprägten Jugendstil-Buch hin zur typografischen, weitgehend vom Buchschmuck befreiten Buchgestaltung, wie wir sie heute kennen. Wichtig waren die Freundschaften mit dem Druckereibesitzer Carl Ernst Poeschel und dem Schriftgießerei-Betreiber Karl Klingspor.

Verzeichnis der Tiemann-Schriften

  • Janus-Pressen-Schrift (1907) (im Zusammenwirken mit Carl Ernst Poeschel)
  • Tiemann-Mediäval (1906–1909)
  • Tiemann-Mediäval kursiv (1910–1912)
  • Tiemann-Fraktur (1912–1914)
  • Peter Schlemihl (1912–1914)
  • Narziß (1915–1921)
  • Tiemann-Gotisch (1917–1924)
  • Tiemann Antiqua (1922–1923)
  • Tiemann-Antiqua-kursiv (1923–1925)
  • Kleist-Fraktur (1926–1928)
  • Fichte-Fraktur (1933–1935)
  • Orpheus (1926–1928)
  • Daphnis (1928–1929)
  • Orpheus kursiv (1929–1935)

Alle Schriften erschienen in der Schriftgießerei Gebr. Klingspor, Offenbach.

Walter-Tiemann-Preis

Seit 1992 vergibt der Verein zur Förderung von Grafik und Druckkunst Leipzig e.V. im zweijährigen Rhythmus (alle geraden Jahre) den Walter-Tiemann-Preis. Aus dem Informationstexts des Vereins:

Mit dem Preis wird vorrangig die Gestaltungsleistung von Typografen und Illustratoren gewürdigt. Der Wettbewerb richtet sich an jene, die außerhalb der etablierten Verlage Innovationsräume schaffen und mit großem Engagement ihre künstlerischen Ideen verwirklichen.
Durch Auseinandersetzungen mit Möglichkeiten der Text- und Bildvermittlung über elektronische Medien ergeben sich auch für die künstlerische Arbeit am Buch neue Ansätze. Von der Funktion der reinen Wissensvermittlung entlastet öffnen sich für das Buch Wege, auf denen die Spezifik des Mediums bewusst untersucht werden kann.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 615.

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