Wassilij Konstantinowitsch Blücher

Wassilij Konstantinowitsch Blücher
Wassili Konstantinowitsch Blücher (1923)

Wassili Konstantinowitsch Blücher (* 19. Novemberjul./ 1. Dezember 1889greg. in Barschtschinka, Gouvernement Jaroslawl; † 9. November 1938; russisch Василий Константинович Блюхер, wiss. Transliteration Vasilij Konstantinovič Bljucher) war General der Roten Armee und Marschall der Sowjetunion.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Wassili Konstantinowitsch wurde als Sohn der Bauernfamilie Gurow in Barschtschinka, Gouvernement Jaroslawl, geboren.[1] Sein Urgroßvater war Leibeigener, hatte am Krimkrieg teilgenommen und sich dabei viele Auszeichnungen erworben. Nach seiner Rückkehr erhielt er daher von dem Gutsbesitzer den Spitznamen Blücher. Dieser Spitzname wurde im Laufe der Jahre weitergegeben, bis Wassili Konstantinowitsch ihn als echten Familiennamen übernahm. Ab 1904 und den darauffolgenden Jahren war Blücher Schüler der örtlichen Pfarrschule, bis sein Vater ihn aus finanzieller Not mit nach St. Petersburg nahm, damit er sich dort seinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Blücher arbeitete als Gehilfe in einem Laden und später als Hilfsarbeiter im Französisch-Russischen Maschinenbauwerk. Dort wurde er gekündigt, weil er sich an einer Demonstration der Arbeiter beteiligt hatte. Auf der Suche nach Arbeit reiste er nach Moskau. Dort wurde er 1909 Schlosser im Mytischtschinski-Eisenbahnwerk. 1910 wurde er wegen Aufrufs zum Streik verhaftet und zu Gefängnishaft verurteilt.

Erster Weltkrieg und Oktoberrevolution

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Blücher aus dem Gefängnis entlassen und als Soldat in die Russische Armee eingezogen. Blücher diente in der 8. russischen Armee unter Alexei Alexejewitsch Brussilow. Wegen seiner Tapferkeit wurde Blücher zweimal mit dem Kreuz des heiligen St. Georg ausgezeichnet und zum Unteroffizier befördert. [1] Wenig später wurde er jedoch bei Ternopil schwer verwundet. Aufgrund seiner Verletzung wurde er vom Militärdienst freigestellt. Er reiste nach Nischni Nowgorod und arbeitete dort im Sormowski-Schiffbauwerk. Später zog er nach Kasan um und arbeitete im dortigen mechanischen Werk. In Kasan trat er 1916 den Bolschewiki bei. Im Mai 1917 machte Blücher Bekanntschaft mit Walerian Wladimirowitsch Kuibyschew. Von Kuibyschew wurde er zum 102. Ersatzregiment der russischen Armee geschickt, um dort für die Bolschewiki zu agitieren. Wenig später wurde Blücher in das Regimentskomitee gewählt und Deputierter der Soldaten im Stadtsowjet von Kasan. Während der Oktoberrevolution war Blücher Mitglied des lokalen Kriegs- und Revolutionskomitees von Samara.[1]

Karriere in der Roten Armee

Im Verlauf des November 1917 wurde Blücher in Tscheljabinsk zum Kommissar der Roten Garden ernannt und zum Vorsitzenden des Tscheljabinsker Revolutionären Komitees gewählt. Zu Beginn des Jahres 1918 gelang ihm die Rückeroberung Orenburgs, das von antibolschewistischen Kosakeneinheiten besetzt war. Die Eroberung der sibirischen Stadt Orenburg war der erste einer Reihe von militärischen Erfolgen während des Russischen Bürgerkriegs, die ihn zu einem der bekanntesten Befehlshaber der im März 1918 von Trotzki neu gegründeten Roten Armee machen sollten. Mit der Gründung der Roten Armee wurden die bisherigen Roten Garden automatisch in das neue Landheer der Bolschewiki integriert.

Die Position der Bolschewiki war aber in Sibirien bei weitem nicht so gefestigt, wie es im europäischen Teil Russlands der Fall war. Daher gerieten die sibirischen Truppen der Roten Armee in eine kritische Lage, als im Mai 1918 der Aufstand der Sozialrevolutionäre ausbrach. Dieser wurde von Soldaten der ehemaligen Tschechoslowakischen Legion des Russischen Heeres unterstützt, die die sibirische Eisenbahnlinie unter ihre Kontrolle brachten. Nach der Rückeroberung Jekaterinburgs am 25. Juni 1918 kesselten die konterrevolutionären Truppen Orenburg ein. Blücher stellte sich an die Spitze der in der Stadt befindlichen roten Truppen und führte diese in Gewaltmärschen über den Ural auf Territorien zurück, die noch unter Kontrolle der Bolschewiki standen. Für diese militärische Leistung wurde Blücher 1921 als erstem Träger der Rotbannerorden verliehen. Die von Blücher angeführte Abteilung wurde am 20. September 1918 als 30. Schützenregiment in die 4. Uraldivision eingeliedert und Blücher offiziell zum Befehlshaber des Regiments ernannt.

Im Januar 1919 wurde Blücher zum Assistenten des Befehlshabers der 3. sowjetischen Armee ernannt. Im April übernahm er die Aufgabe als Platzkommandant den Rajon Bjatsk gegen Angriffe der Weißgardisten zu befestigen. Im Sommer 1919 wurden die Einheiten zur Verteidigung des Bjatsker Rajons und die nördliche Expeditionsabteilung zur 51. Schützendivision unter dem Befehl von Blücher zusammengefasst. Mit dieser Einheit drang Blücher ausgehend von Tjumen bis zum Baikalsee entlang der sibirischen Eisenbahnlinie nach Osten vor.

Darstellung der Offensive der Roten Armee, die zur Eroberung der Krim und zur Beendigung des Russischen Bürgerkriegs im europäischen Teil Russlands führte, Blücher hatte mit der erfolgreichen Verteidigung des Kachowsker Rajons (links oben) gegen Wrangels Frühjahrsoffensive einen wesentlichen Anteil am Erfolg der Roten Armee
Von Blücher als Kommandozentrale genutzter Eisenbahnwaggon, Militärmuseum Chabarowsk

Im März 1920 wurde die 51. Schützendivision an die Südfront verlegt. Blücher bekam die Aufgabe, das Kachowsker Rajon gegen eine erwartete Offensive der weißen Armee unter General Pjotr Nikolajewitsch Wrangel zu befestigen. Diese Offensive konnte trotz des Durchbruchs Wrangels in Richtung Osten abgewehrt werden, nicht zuletzt weil die unter dem Befehl Blüchers stehenden Truppen dem Ansturm standhielten und sich bei Perekop ein Brückenkopf der Roten Armee hielt. Nachfolgend konnte die Rote Armee aus dem Aufmarschgebiet bei Kachowsk heraus Wrangels Truppen im August 1920 eine schwere Niederlage zufügen. Im November 1920 gelang es der Roten Armee schließlich, die Krim zu erobern und den Russischen Bürgerkrieg auf europäischem Boden zu beenden.[1]

1921 wurde Blücher wieder in den fernen Osten versetzt, wo er die letzten noch von weißen Truppen kontrollierten Gebiete eroberte. Am 21. Juli wurde Blücher zum Verteidigungsminister der Fernöstlichen Sowjetrepublik ernannt. In dieser Position verfolgte er das Ziel der vollständigen Befreiung des fernen Ostens, das durch Verhandlungen mit den Japanern und Amerikanern, auf denen der Abzug aller Interventionstruppen beschlossen wurde, 1922 erreicht wurde. Kurz darauf wurde die Fernöstliche Sowjetrepublik in die neu geschaffene Sowjetunion integriert.

Im selben Jahr wurde Blücher zum Kommandeur-Kommissar des ersten Infanteriekorps der Roten Armee ernannt. Der Rang entsprach dem eines Generals, der aber zu dem damaligen Zeitpunkt in der Hierarchie der Roten Armee nicht existierte.

Von 1922 bis 1924 war Blücher Kommandant des Petrograder Verteidigungsbezirks.

Von 1924 bis 1927 wurde er auf Anforderung der Kuomintang-Regierung als militärischer Berater nach China entsandt, wo er in geheimer Mission der Roten Armee unter dem Namen Galen in Kanton tätig war.[1] Die junge Sowjetmacht sah sich der revolutionären Kuomintang-Bewegung Sun Yat-sens ideologisch verbunden und verfolgte bis zum Ende der 1920er Jahre eine entsprechende Bündnispolitik. Die Entsendung des siegreichen Generals verstand sich daher als besondere Geste der sowjetischen Führung gegenüber der damals noch verbündeten Kuomintang.

Nach der Rückkehr aus China übernahm Wassili Blücher bis 1929 zunächst das Oberkommando der Roten Armee in der Ukraine und danach die Führung der sogenannten Besonderen Fernostarmee. Mit dieser Armee bekämpte er erfolgreich chinesische Truppen während des Chinesisch-Sowjetischen Grenzkrieges von 1929.[1] Auf Grund seiner militärischen Verdienste wurde er 1935 zum Marschall der Sowjetunion ernannt. Die hohe Priorität, die die Besondere Fernostarmee aufgrund ihrer Aufgabenstellung hatte, schützte Blücher zunächst vor den Stalinschen Säuberungen. Er gehörte im Juli 1937 dem Militärtribunal des vierten Moskauer Prozesses an, das Marschall Tuchatschewski zusammen mit 11 weiteren Offizieren der Roten Armee zum Tode verurteilte.[1]

Verhaftung und Tod

Im Sommer 1938 gelang es Blücher, einen japanischen Angriff auf das Staatsgebiet der Sowjetunion in der Schlacht am Chassansee vom 29. Juli bis zum 11. August 1938 abzuwehren. Dass es den Japanern gelungen war, am 31. Juli auf sowjetisches Territorium vorzudringen, wurde Blücher von Seiten des sowjetischen Volkskommissariats für Verteidigung als schweres Versagen angelastet. Er wurde zurück nach Moskau beordert und von seinem Kommando entbunden. Am 22. Oktober 1938 wurde Blücher verhaftet und zunächst in die Zentrale des NKWD gebracht. Er wurde kurz darauf der Spionage für Japan und des Verrats bezichtigt.[1] Für die Untersuchung seines Falles war der stellvertretende Volkskommissar des NKWD Lawrenti Beria zuständig. Blücher wurde mit erzwungenen Geständnissen seines Stellvertreters Iwan Fedko, des Korpskommandeurs Chacharjan sowie seines Bruders Pawel Gurow konfrontiert, weigerte sich aber, die gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen zu gestehen.[2]

Am 3. November wurde Blücher auf Anweisung Berijas in das Lefortowo-Gefängnis verlegt und dort schwer gefoltert. Laut einem Artikel des Historikers Safonow waren Berija und sein Stellvertreter Iwanow die einzigen Personen, die für die Befragung Blüchers verantwortlich waren. Unter dem Druck ständiger Gewaltanwendung begann Blücher ein Geständnis zu schreiben, das aber unvollendet blieb, da er aufgrund innerer Verletzungen am Abend des 9. November 1938 verstarb.[2]

Nach dem Ende der Stalin-Ära rehabilitierte der oberste sowjetische Militärgerichtshof Marschall Blücher 1956 als Helden des Russischen Bürgerkriegs und erklärte die gegen ihn erhobenen Anklagen für nichtig.[2]

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Jeanne Vronskaya, Vladimir Chuguev: A Biographical Dictionary of the Soviet Union; Verlag K. G. Saur 1989; ISBN 0-86291-470-1
  2. a b c V. Safonov: Marshal Blüchers last days

Literatur

  • V. Safonov: Mashal Blüchers last days; Sovietsky Voin, Ausgabe 6/1991

Weblinks


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