Weicher Stil

Weicher Stil

Der weiche Stil ist eine Stilrichtung in der spätgotischen Malerei und Plastik um 1400. Sie stellt das letzte Kapitel in der Geschichte der mittelalterlichen Skulptur und Plastik dar. Wichtige Träger des weichen Stils sind stehende Madonnenplastiken, die auch „schöne Madonnen“ genannt werden.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung zum Weichen Stil

„Horber Madonna“, um 1400

In der Zeit der Entwicklung zum Weichen Stil besaß für die Kultur vor allem die Achse PragParis Bedeutung, was auf die besonders engen Beziehungen der Luxemburger mit den französischen Königen zurückzuführen ist. Der aus dem Geschlecht der Luxemburger stammende römisch-deutsche Kaiser Karl IV. (1346–1378) hatte sich zum Ziel gesetzt, Prag zum künstlerischen Zentrum Mitteleuropas zu machen, was ihm auch gelang. Für den Bau des Veitsdomes in Prag holte Karl IV. Peter Parler. Dieser war als Architekt und Bildhauer tätig. Er führte das Grabmal Ottokars I. Přemysl aus, wofür er 900 Silbergroschen nahm. Die Figur des Heiligen Wenzel im Veitsdom entstammt ebenfalls dem Parlerkreis.

Merkmale

Charakteristisch ist die Betonung des in runden, fließenden Mulden herabfallenden, zunehmend dreidimensional wirkenden Gewandes. Ebenfalls charakteristisch sind der zarte, verträumte Ausdruck und die zierliche Gestalt, gepaart mit Detailschilderungen.

Der weiche Stil war bereits um 1380 ausgebildet (siehe André Beauneveu) und ein Jahrzehnt später weit verbreitet. Schöne Madonnen entstanden fast während des gesamten 15. Jahrhunderts, doch gehören die späteren Werke, die so bezeichnet werden, nicht mehr zum Weichen Stil, der um 1450 endet. Er wird durch neue realistische Einflüsse aus den Niederlanden verdrängt. Im Faltenstil ist dies am Übergang zum „eckigen Stil“ mit hart umbrechenden Falten zu erkennen.

Um 1400 wurden in einigen Kunstzentren Ton und Kunststein zu den allgemein verwendeten Werkstoffen, da diese weniger kostspielig und leichter zu verarbeiten waren als die anderen gewöhnlichen Werkstoffe wie Naturstein, Marmor und Holz.

Madonna aus den Très Belles Heures de Notre-Dame eines unbekannten Künstlers (um 1402)
„Frauen unter dem Kreuz“ aus dem Thomasaltar von Meister Francke (um 1424)

Die „schönen Madonnen“ zeichnen sich durch eine gelöste Beweglichkeit und eine teils bis zum Erotismus gehende Versinnlichung aus. Die innige Beziehung der Muttergottes zum Jesuskind ist hierbei besonders auffallend.

Begriffe

Der Begriff „weicher Stil“ wurde 1907 von H. Börger geschaffen und erfuhr in den 1920er bis 30er Jahren durch Wilhelm Pinder weite Verbreitung. Da er fast nur von der deutschen Kunstwissenschaft verwendet wird, gibt es umstrittene Versuche, die Ersatzbezeichnung „Internationale Gotik“ einzuführen. Sie entspringt der Feststellung, dass der weiche Stil einem regen internationalen Austausch von Formen und Idee und einer in der Geschichte Europas bis dahin einmaligen Einheitlichkeit unterworfen war. Die von der tschechischen Kunstforschung ausgehende Bezeichnung „schöner Stil“ ist ein weiteres Synonym für den weichen Stil.

Der Begriff „schöne Madonna“ wird sowohl Pinder (1923) als auch A. Stix zugeschrieben. Letzterer führte einen – heute angezweifelten – „Meister der Schönen Madonna“ ein.

Literatur

  • Weicher Stil und Schöne Madonnen. In: Lexikon der Kunst. Hrsg. von Harald Olbrich. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1991, ISBN 3-423-05906-0
  • Weicher Stil und Schöne Madonna. In: Das grosse Kunstlexikon von P.W. Hartmann. Hartmann, Sersheim 1997, ISBN 3-9500612-0-7
  • Die Parler und der Schöne Stil. Europäische Kunst unter den Luxemburgern. Ausstellungskatalog Schnütgen-Museum. Köln 1978. (3 Bände, zwei Ergänzungsbände).

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