Weißrussische Streitkräfte

Weißrussische Streitkräfte
Signet des weißrussischen Verteidigungsministeriums

Die Weißrussischen Streitkräfte teilen sich in Weissrussisches Heer und Weissrussische Luftstreitkräfte. Sie stehen unter dem Kommando des Verteidigungsministers.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Armee Weißrusslands bildete sich nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1992 aus den Truppen des Weißrussischen Militärbezirks der Sowjetunion. Rund 70 Prozent der Offiziere waren zu dem Zeitpunkt Russen oder Ukrainer. Mit der Neustrukturierung der Streitkräfte in Hauptverteidigungskräfte als zentraler Kern von Reservistenverbänden sowie der Aufstellung einer schnellen mobilen Eingreiftruppe gab es immer wieder finanzielle Probleme. Ziel war die Aufstellung von 75.000 Soldaten.

Am 11. Januar 1992 beschloss das weißrussische Parlament die Unterstellung aller ehemaligen sowjetischen Truppen auf dem Staatsgebiet unter den eigenen Oberbefehl und die Bildung eines Verteidigungsministeriums. Eine Ausnahme bildeten die strategischen Truppen, die zusammen mit den taktischen Atomwaffen nach Russland zurückkehren sollten. Am 4. Februar 1992 ratifizierte das Parlament den Strategic Arms Reduction Treaty (Vertrag zur Verringerung der Strategischen Nuklearwaffen).

Interkontinentalraketen vom Typ RS-12M Topol (NATO-Code: SS-25 Sickle) waren bis 1996 in Weißrussland stationiert

Am 20. März 1992 wurden offiziell die neuen Streitkräfte der Republik Belarus gebildet. Im April 1992 unterzeichnete Weißrussland als erster der Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Charta von Paris der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE).

Nach der Machtübernahme durch Aljaksandr Lukaschenka übernahm am 21. Juli 1994 Anatoli Kostenko das Amt Verteidigungsministers. Aufgrund von Korruptionsvorwürfen in der Führung der Streitkräfte trat Kostenko im Juni 1995 zurück.

Als Gegenleistung für einen eher geringen Kredit in Höhe von 25 Millionen Euro zugunsten Weißrusslands wurde am 8. Januar 1995 mit Russland ein Pachtvertrag abgeschlossen, der den russischen Streitkräften bis 2020 die Nutzung von militärischen Anlagen und Stützpunkten in Weißrussland gewährt. Am 11. Januar 1995 akzeptierte Weißrussland auch das Angebot der NATO über eine militärische Zusammenarbeit im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden (PfP). Im Februar 1995 setzte die weißrussische Regierung die Umsetzung des Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) von 1990 wegen finanzieller Probleme außer Kraft und ratifizierte erst 2004 das 1999 in Istanbul verabschiedete Übereinkommen über die Anpassung des KSE-Vertrages.

Bis Dezember 1995 wurden 63 Interkontinentalraketen vom Typ RS-12M Topol (NATO-Code: SS-25 Sickle) aus Weißrussland abgezogen. Die letzten beiden einsatzfähigen mobilen Regimenter mit rund 18 Atomraketen wurden bis Ende 1996 nach Russland verlegt.

Im Januar 1997 übernahm der bisherige Generalstabschef Tschumakow das Amt des bisherigen Verteidigungsministers, konnte aber keine Fortschritte in den Aufbau der militärischen Infrastruktur schaffen. Auch die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme war nicht völlig hergestellt. So waren nach westlichen Angaben von den in Weißrussland vorhandenden 130 Kampfflugzeugen nur rund ein Drittel einsatzbereit.

Am 19. Dezember 1997 wurde erneut ein Vertrag zwischen der Republik Belarus und der Russischen Föderation über die Militärzusammenarbeit und das Abkommen über die gemeinsame Gewährleistung der Regionalsicherheit im Militärbereich abgeschlossen. Am 22. Januar 1998 erfolgte auf einer Sitzung des Höchsten Rates der Russisch-Weißrussischen Union in Moskau die Einigung über eine Konzeption für die gemeinsame Verteidigungspolitik. Seit der Streitkräftereform 2001 gibt es zwei Territorialkommandos in Hrodna (vormals die Sitz der 28. Armee) und Baryssau (vormals 65. Armee).

Im Juni 2006 wurde ein russisch-weißrussisches Großmanöver mit 8.800 Soldaten abgehalten. Im November 2006 lieferte Russland moderne Flugabwehrraketensysteme vom Typ S-300PS an die weißrussischen Streitkräfte. Der Verteidigungshaushalt betrug im gleichen Jahr 421 Millionen US-Dollar.

Im Rahmen einer gemeinsamen GUS-Luftabwehr unterhält Russland eine Radarstation bei Baranawitschy vom Typ „Wolga“, die auch zur Erfassung von ballistischen Raketen dient. Außerdem haben beide Seiten ihre Rüstungsindustrien sowie -exporte eng aufeinander abgestimmt.

Im Februar 2008 kam es zu Verhandlungen mit Russland ab 2009 das moderne Langstrecken-Boden-Luft-Raketensystem S-400 Triumf (SA-21 Growler) zur Bekämpfung von Kampfflugzeugen und Marschflugkörpern in allen Flughöhen zu erwerben.

Organisation

Weißrussland und Russland arbeiten militärisch sehr eng zusammen. Im Falle eines Angriffs auf Weißrussland würde das Land die Luftverteidigung übernehmen, während Russland die Operationsführung der Landstreitkräfte übernimmt. Die Streitkräfte Weißrusslands würden dann durch ein gemeinsames Oberkommando geführt, das von einem russischen General der Gruppe der Russischen Truppen in Kaliningrad geleitet wird.

2007 betrug die Sollstärke der Streitkräfte rund 72.940 Soldaten, davon 18.170 bei den Luftstreitkräften. Die Anzahl der Reservisten (Dienstzeit in den letzten 5 Jahren) umfasst 290.000 Mann, diese werden jährlich zu zweimonatigen Übungen einberufen. Die Allgemeine Wehrpflicht beträgt 9 bis 12 Monate.

Derzeitiger Verteidigungsminister ist Generaloberst Leonid Malzew (МАЛЬЦЕВ Леонид Семенович), sein Stellvertreter ist Generalstabschef Sergej Gurulew.

Heer

Die Landstreitkräfte umfassen 29.600 Soldaten.

Dem Verteidigungsministerium direkt unterstellt ist eine Brigade Spezialeinsatzkräfte, zwei Brigaden mit Boden-Boden-Raketen (u.a. mit 60 Stück R-17 (Scud)) und eine Fernmeldebrigade.

Die Armee ist in drei Kommandos gegliedert:

  • Armeekommando mit
    • zwei Luftlandebrigaden
    • eine Pionierbrigade
    • eine Brückenpionierbrigade
    • fünf Artilleriebrigaden
    • ein ABC-Abwehrregiment
  • Operatives Kommando West mit
    • zwei selbständige Schützenpanzerbrigaden
    • zwei Artillerieregimenter
    • ein Raketenartillerieregiment
    • ein Pionierregiment
    • ein Flugabwehrregiment
  • Operatives Kommando Nordwest mit
    • einer selbständigen Schützenpanzerbrigade
    • eine Flugabwehrbrigade
    • zwei Artillerieregimenter
    • ein Raketenartillerieregiment

Ausrüstung

Weißrussischer T-72B

Die Ausrüstung der Landstreitkräfte der Republik Belarus ist im Wesentlichen sowjetischen oder russischen Ursprungs:

  • 1407 Stück Kampfpanzer T-72B und T-72M
  • 96 Stück Kampfpanzer T-80B und T-80BW

Geringe Bestände an mittleren Panzern der Typen T-62 und T-54 sind ebenfalls noch vorhanden.

Schützenpanzer:

  • 1164 Stück BMP-2
  • 154 Stück BMD-1
  • 161 Stück BRM (BMP-R)
  • 94 Stück BMP-1

Mannschaftstransportpanzer:

Artilleriegeschütze:

Mehrfachraketenwerfer:

Flugabwehrraketensysteme: Insgesamt rund 350 Stück verschiedener Typen:

Luftwaffe

Weissrussisches Jagdflugzeug Su-27UBM während eines Trainingfluges vor dem Air Show 2009 in Radom im August 2009. Am zweitem Tag der Veranstaltung ist die Maschine abgestürzt und die beiden Piloten sind ums Leben gekommen.

Der Luftwaffe Weißrusslands mit 18.170 Soldaten mangelt es an moderner Ausrüstung und intensiver Ausbildung der Piloten, was auf den geringen Verteidigungsetat zurückzuführen ist. Im Dezember 2001 wurden die beiden Bereiche Luftwaffe (VVS) und Luftverteidigung (PVO) zusammengefasst.

Die wichtigsten Luftwaffenstützpunkte sind in Baranawitschy und Bereza.

Zu den Luftwaffenverbänden gehören:

  • zwei Abfangjägerbasen
  • eine Bomber-/Aufklärerbasis
  • eine Jagdbomberbasis
  • eine gemischte Fliegerbasis
  • eine selbständige Hubschrauberbasis
  • eine Kampfhubschrauberbasis
  • drei weitere Hubschrauberbasen

Ausrüstung

Die Luftstreitkräfte verfügen überwiegend über Ausrüstung aus der ehemaligen Sowjetunion bzw. aus Russland. Weitere Lieferländer in den letzten Jahren sind Polen und die Ukraine.

Im Mai 2011 teilte der Vorsitzende des Staatlichen Komitees für Rüstungsindustrie Sergej Gurulew mit, dass Weißrussland beabsichtige, seine Luftwaffe mit neuen Flugzeugen der Typen MiG-35 und Su-30 zu modernisieren und außerdem die Beschaffung von Iskander-Kurzstreckenraketen in Erwägung ziehe.[1]

Literatur

  • Steven J. Main: The Belarussian Armed Forces: A Military-Political History 1991–2003 [1], Conflict Studies Research Centre, RMA Sandhurst, 2003.
  • Pavel Bykovsky, Alexander Vasilevich: Military Development and the Armed Forces of Belarus [2], Moscow Defence Brief, CAST, 2007

Weblinks

 Commons: Weißrussische Streitkräfte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Weißrussland deckt sich mit Jagdflugzeugen und Kurzstreckenraketen ein auf RIA Novosti, abgerufen am 5. Mai 2011.

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