Weltraummüll

Weltraummüll
Verteilung des Weltraummülls in niedrigen Erdumlaufbahnen (Partikel stark vergrößert)
Abgetrennte zweite Stufe einer Delta-II-Rakete im Orbit, aufgenommen vom Experimentalsatelliten XSS 10
Auf die Erde gestürzter Überrest einer PAM-D-Raketenstufe
Ein Stück Aluminiumoxid aus einem Test eines Space-Shuttle-Boosters
Einschlag in den Solarzellenflügel des SMM-Satelliten

Unter Weltraummüll, auch als Weltraumschrott bezeichnet, versteht man nichtfunktionale künstliche Objekte in einer Umlaufbahn, aber auch Trümmerteile, die nach einem Wiedereintritt die Erdoberfläche erreichen. [1] [2]

Laut Modellen, wie zum Beispiel MASTER-2005 (Meteoroid and Space Debris Terrestrial Environment Reference) von der ESA, befinden sich über 600.000 Objekte mit einem Durchmesser größer als 1 cm in Umlaufbahnen um die Erde. Nur ein Bruchteil davon, etwa 13.000 Objekte, kann mithilfe des US-amerikanischen Space-Surveillance-Systems kontinuierlich beobachtet werden.

Im Jahr 1996 sollen sich nach ESA-Daten rund 8.500 Stücke größerer künstlicher Objekte im Erdorbit befunden haben. Das Joint Space Operations Center des United States Strategic Command weiß 2009 von über 18.500 vom Menschen hergestellten Himmelskörpern.

Im Rahmen von Weltraummüll-Messkampagnen werden mit Radaranlagen und Teleskopen sporadische Messungen durchgeführt. Hierbei können Objekte bis hinunter zu einem Durchmesser von 2 mm (durch Goldstone-Radarbeobachtungen) im Low Earth Orbit (LEO) und bis zu 10 cm (durch das ESA Space Debris Telescope am Teide-Observatorium auf Teneriffa) im Geostationären Orbit (GEO) detektiert werden. Solche Beobachtungen werden zur Validierung von Weltraummüll-Modellen wie MASTER verwendet. Eine weitere Quelle für Informationen über die Weltraummüllumgebung sind zurückgeführte Satellitenoberflächen. Dazu zählen unter anderem die Solarzellen des Hubble-Weltraumteleskops. Auf letzteren wurde eine Vielzahl an Einschlagkratern erfasst und ausgewertet. Spektroskopische Analysen ermöglichten Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und somit mögliche Quellen der eingeschlagenen Objekte.

Inhaltsverzeichnis

Verteilung

Die Weltraummülldichte in verschiedenen Höhen
Teilchenflussdichte pro m² und Jahr in Abhängigkeit von der Teilchengröße.

Die Teilchenzahl variiert mit der Höhe. Unterhalb 400 km verglühen sie innerhalb weniger Jahre. In den von Satelliten bevorzugt genutzten Orbits von 600 km bis 800 km (Sonnensynchronorbit) und 36000 km (Geostationärer Orbit) reichern sie sich an (siehe linke Grafik).

Die Teilchenzahl variiert mit der Größe. Durch Stöße zerfallen Meteoroiden mit der Zeit in kleine Bruchstücke. Die Verteilung folgt einer Potenzverteilung mit einem Exponenten von ca. 4. Sie ist als blaue Gerade in das rechte Diagramm eingezeichnet. Sie beschreibt die Anzahl von Teilchen, die eine Fläche von einem Quadratmeter pro Jahr passieren. Die tatsächliche Anzahl, die rote Kurve im Diagramm, weicht für Teilchen größer als 1 cm ab. Der Beitrag stammt von Weltraumschrott. Die Abhängigkeit der Teilchengröße und Anzahl für einen 400-km-Orbit gibt im Groben die Abhängigkeit im Orbit bis ca. 10 km Höhe wieder:

  • 300 Mio Teilchen > 1 mm
  • 600 000 Teilchen > 1 cm
  • ca. 20 000 Teilchen > 10 cm

Ca. 16 000 Teilchen größer als 10 cm sind katalogisiert. Ihnen können Satelliten zur Not ausweichen. Leichte Teilchen kleiner als 1 mm lassen sich durch dünne Aluminiumbleche abschirmen. Kritisch sind Objekte im Bereich von 1 cm bis 10 cm, die einen Satelliten zerstören können.

Risiken

Die durchschnittliche Relativgeschwindigkeit zwischen Weltraummüll und Satellit beträgt zehn Kilometer pro Sekunde. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit besitzt ein Teilchen von 1 cm Durchmesser eine Energie von 50 kJ. Bei vollständiger Abbremsung wandelt ein 10-cm-Teilchen eine Energie von 50 MJ um, was der Sprengkraft von mehr als 10 kg TNT entspricht.

Bereits Einschläge von Millimeter-Objekten können die Funktion eines Satelliten beeinträchtigen. Die bemannten Module der Internationalen Raumstation (ISS) sind mit doppelwandigen Meteoritenschutzschilden ausgestattet und können aufgrund der durch den Einschlag in die erste Wand erzeugten Streuwirkung Einschlägen von Weltraummüll von mehreren Zentimeter Durchmesser widerstehen.

Bereits jetzt ist auf einigen Umlaufbahnen die durch Einschläge von Weltraummüll hervorgerufene Ausfallwahrscheinlichkeit operationeller Satelliten nicht mehr vernachlässigbar. Selbst Einschläge kleinerer Partikel bis in den Mikrometerbereich können empfindliche Nutzlasten beschädigen, Plasmaentladungen hervorrufen oder eine Bedrohung für das Leben von Astronauten bei Außenbordaktivitäten darstellen.

Die bislang größte Kollision im All, ein Zusammenstoß zweier Satelliten, ereignete sich am 10. Februar 2009. Ein deaktivierter russischer Kommunikationssatellit und ein Iridium-Satellit kollidierten in 789 km Höhe über Nordsibirien. Beide Satelliten wurden dabei zerstört. Die Kollision setzte eine erhebliche Menge weiteren Weltraummülls frei.[3]

Viele Raumfahrzeuge, wie die Space Shuttles oder die Internationale Raumstation, aber auch Satelliten wie der Erdbeobachtungssatellit Envisat sind in der Lage, notfalls Ausweichmanöver durchzuführen, um eine als nicht unwahrscheinlich (Wahrscheinlichkeit p = 1/10.000) eingestufte Kollision mit einem der etwa 13.000 Objekte, deren Bahnen kontinuierlich verfolgt werden, zu vermeiden. Im Jahr 2004 musste Envisat bereits zwei solcher Manöver durchführen. Raumfähren wie zum Beispiel die Discovery mussten insgesamt sechs Ausweichmanöver fliegen. Die Internationale Raumstation ISS hat bis 2009 acht Ausweichmanöver erfolgreich durchgeführt.

Der NASA-Berater Donald J. Kessler veröffentlichte schon 1978 eine Arbeit, in der er darauf hinwies, dass Weltraummüll für Satelliten bald eine größere Gefahr darstellen werde als natürliche Meteoriten und dass diese Gefahr stetig zunehme, auch unter der Annahme, dass keine weiteren Satelliten mehr gestartet würden.[4] Das Szenario, dass Weltraummüll die Raumfahrt in der Erdumlaufbahn stark behindert oder gar unmöglich macht, ist unter der Bezeichnung Kesslersyndrom bekannt.

Mengen

Bis zum Frühjahr 2010 erfolgten in 50 Jahren Raumfahrt etwa 4700 Raketenstarts mit gut 6100 Satelliten. Davon verblieben 15.000 Bruchteile von Raketen und Satelliten, bis zu kompletten Oberstufen. Nach dem USA-Katalog sind das 15.000 Objekte von mindestens zehn Zentimeter Größe, vermutlich kommen noch 7000 geheimgehaltene Objekte hinzu. Wird die Mindestgröße auf einen Zentimeter gesenkt, werden 600.000 Objekte geschätzt, zu denen noch etwa eine Million kleinere Teilchen hinzukommen. Daraus ergibt sich die Gesamtmasse an Weltraummüll von 6000 Tonnen, wovon 73 % der Objekte sich im erdnahen Orbit (LEO) befinden, allerdings sind dies von der Gesamtmasse nur 40 %, also etwa 2400 Tonnen. Besonders betroffen ist die Höhe von 800 Kilometern, die bevorzugte Flugbahn der Aufklärungssatelliten. Die ISS fliegt zwischen 350 Kilometern und 400 Kilometern; sie musste bislang achtmal Objekten ausweichen, die größer als ein Zentimeter sind. Im geostationären Orbit (GEO) in 36.000 Kilometer Höhe um die Erde befinden sich zwar nur 8 % der Bruchstücke, aber hier kreisen die großen tonnenschweren Telekommunikationssatelliten mit einem geschätzten Gesamtgewicht von 33 %, also etwa 2000 Tonnen. Die restlichen 19 % der Objekte mit 27 % der Masse befinden sich auf anderen Bahnen.[5]

„Selbst wenn man heute mit der Raumfahrt aufhörte, würde die derzeitige Trümmermasse im Orbit ausreichen, [auf Grund des Kaskadeneffektes …] um immer neue Trümmer entstehen zu lassen. […] Die Zunahme des Weltraummülls kann langfristig dazu führen, dass bestimmte Orbits für die Raumfahrt sonst nicht mehr genutzt werden können.“

Heiner Klinkrad (Leiter des Space Debris Office der ESA)

2009 erfolgten 80 Raketenstarts mit Satelliten, Shuttles und Weltraumsonden. In den kommenden Jahren sind alleine für Navigationssysteme 100 neue Satelliten für den Orbit in 21.000 bis 26.000 Kilometer Höhe vorgesehen.

Quellen und Senken

Neben Starts neuer Satelliten gibt es eine Vielzahl an Ereignissen und Mechanismen, die zur Entstehung von Weltraummüll führen.

Explosionen

von Satelliten oder Oberstufen – diese werden hervorgerufen durch absichtliche Sprengungen, durch die Entzündung von Resttreibstoffen von Oberstufen und durch das Verdampfen von kryogenen Treibstoffkomponenten in Oberstufen, in denen noch Treibstoffreste zurückgeblieben sind. Durch die Ausdehnung dieser Treibstoffe während des Verdampfens können die Oberstufen gesprengt werden. Explosionen können auch von Entladungen in Batterien der Satelliten ausgelöst werden. Es wird angenommen, dass sich seit Beginn der Raumfahrt etwa 200 Explosionen im Orbit ereignet haben.

Feststofftriebwerke

erzeugen während des Abbrandes mikrometergroße Aluminiumoxid-Partikel.[6] Am Ende des Abbrandes können auch größere Schlackeobjekte austreten, deren Durchmesser mehrere Zentimeter erreichen kann.

Reaktorkühlmittel

aus weltraumgestützten Buk-Kernreaktoren von sowjetischen Spionagesatelliten der im Westen als RORSAT bekannten Serie. Bei 16 solcher Satelliten wurde nach Beendigung der Mission eine Abstoßung des Reaktorkerns durchgeführt, dabei wurde das Kühlmittel des primären Kühlkreislaufs NaK-78 freigesetzt (jeweils ca. 8 kg). Das NaK verteilte sich dabei in Tropfen verschiedener Größe auf den Umlaufbahnen der RORSAT-Satelliten. Durch verschiedene Bahnstörungen und die Drehung der Knotenlinie verteilt sich das NaK jedoch auch zunehmend auf anderen Bahnen.

Oberflächendegradation

Aufgrund der Umgebungsbedingungen im Weltraum lösen sich zum Beispiel Farbpartikel von Satelliten und Oberstufen ab. Neueste Beobachtungen des ESA Space Debris Teleskops deuten außerdem darauf hin, dass sich vermutlich häufiger auch größere Teile von Satelliten ablösen. Der zeitliche Verlauf der Bahnparameter dieser Objekte zeigte, dass sie ein sehr hohes Flächen- zu Massenverhältnis besitzen (bis zu 30 m²/kg). Daher könnte es sich hierbei um Wärmeschutzfolie handeln.

Ejecta

Durch Einschläge von Mikrometeoriten und Weltraummüll freigesetzte Bestandteile orbitaler Objekte.

West Ford Dipole

Zu Beginn der 1960er Jahre im Rahmen der West-Ford-Experimente freigesetzte Nadeln, die sich aufgrund der verschieden starken Gravitation an beiden Enden der Nadeln (ähnlich wie Gravitationsgradientenstabilisierung bei Satelliten) zur Erde hin ausgerichtet und dabei Cluster gebildet haben.[7]

Missionsbedingte Objekte

Im Rahmen von Weltraummissionen freigesetzte Objekte (engl. mission-related objects, MRO), wie zum Beispiel Sprengbolzen und Abdeckungen. Ebenfalls ganze Raketenoberstufen und Doppelstartvorrichtungen, die mit den Satelliten in die Umlaufbahnen gelangen und dort verbleiben.

Killersatelliten

Satelliten, die während des Kalten Krieges – wahrscheinlich auch noch heute – eigens zur Neutralisierung von Spionagesatelliten des Gegners eingesetzt werden. Die meisten führen selbstzerstörerisch eine beabsichtigte Kollision mit dem Ziel herbei, mitunter einhergehend mit einer Explosion. Weder ihre Zahl noch die ihrer Opfer sind öffentlich bekannt, da sowohl sie selbst als auch ihre Ziele unter strengster militärischer Geheimhaltung stehen.

Antisatellitenraketen

Der Einsatz dieser Waffen kann die Trümmer, die bei der Zerstörung von Satelliten entstehen (wie z. B. bei Fengyun-1C), auf sehr viele verschiedene Bahnen schleudern – auch solche, die große Höhen erreichen.[8]

Kollisionen von Satelliten

Dabei werden die kollidierenden Satelliten zerstört und in Trümmerwolken zerlegt. Die meisten Trümmer folgen weiterhin den Bahnen der Ursprungssatelliten, entfernen sich jedoch langsam von einander. Einige werden jedoch auf elliptische Umlaufbahnen geschleudert, die höher oder tiefer reichen und auch andere Satelliten auf anderen Umlaufbahnen bedrohen könnten. Das erste bekannte Beispiel ist die Satellitenkollision am 10. Februar 2009 eines Iridium-Satelliten mit dem ausrangierten militärischen Kommunikationssatelliten Kosmos 2251, bei dem rund 600 Trümmerteile entstanden.

Kollisionen, bei denen weitere Bruchstücke entstehen

Bruchstücke und Fragmente, die aus der Kollision zweier Raumflugkörper resultieren, vermehren den Weltraummüll durch häufigere Kollisionen fortlaufend. Als Beispiel für eine spektakuläre Kollision gilt die Abtrennung des Stabilisierungsmastes des Cerise-Satelliten (ausfahrbarer Mast) durch eine Ariane-Raketenoberstufe, die zehn Jahre zuvor in den Orbit gebracht wurde.

Lebensdauer in verschiedenen Höhen

Die Teile in niedrigen Umlaufbahnen werden durch einen Rest an Luftwiderstand abgebremst und verglühen irgendwann in der Atmosphäre, nur sehr wenige sind groß genug, um auf die Erdoberfläche zu stürzen. In größeren Höhen wird diese Reibung immer geringer, so dass der Weltraummüll aus einer Höhe von 800 km bereits Jahrhunderte, aus einer Höhe von 1.500 km sogar einige tausend Jahre braucht, um zu verglühen.

Da die Höhen von 800 km und 1.500 km als Umlaufbahnen bevorzugt genutzt werden, wächst die Bedrohung für die kommerzielle und wissenschaftliche Raumfahrt. Konzepte, wie dieses Problem zu lösen ist, scheitern zur Zeit an den damit verbundenen Kosten. So wäre es denkbar, die Trümmer mit einem Laserstrahl zu verdampfen. Gelingt dies aber nicht vollständig, werden nur neue Teile in größerer Zahl erzeugt. Hinzu kommt der dafür benötigte hohe Energiebedarf. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Trümmer abzulenken und zum Verglühen zu bringen. Ein neuerer Ansatz geht davon aus, die Teile auf diese Weise so anzuschmelzen, dass sie wesentlich schneller absinken und verglühen (allerdings nur für niedrige Umlaufbahnen geeignet).[9]

Vermeidungsmaßnahmen

Zur Vermeidung von Kollisionen mit Teilen des Weltraummülls werden von zuständigen Observatorien der NASA und des Militärs sämtliche größere Teilchen (ab 1 cm Größe) permanent verfolgt. Wird ein Kollisionskurs mit der ISS, einem Space Shuttle oder einem anderen manövrierbaren Raumfahrzeug erkannt, so erfolgt das typischerweise früh genug (oft sogar Wochen im Voraus), dass dieses Raumfahrzeug ein Ausweichmanöver einleiten kann. Da die ISS sowieso immer wieder auf eine etwas höhere Umlaufbahn zurückgebracht werden muss, versucht man, diese beiden Zwecke effizient zu einem Manöver zu verbinden. ISS und Space Shuttle haben vor allem den Vorteil, dass sie für solche Manöver immer wieder neu mit Treibstoff versorgt werden können. Hingegen haben unbemannte Raumfahrzeuge und Satelliten einen festen Vorrat an Treibstoff an Bord, mit dem über ihre komplette Lebenszeit alle Manöver zur Lagestabilisierung oder eben zur Kollisionsvermeidung bestritten werden müssen. Je mehr Ausweichmanöver also nötig werden, desto mehr wird die Lebensdauer (im Sinne von stabil kontrollierbarer Lage) vermindert – ein erheblicher Kostenfaktor in der Folgenbetrachtung von Weltraummüll.

Zur Vermeidung von Weltraummüll werden bei allen modernen Raketen die in die Umlaufbahn gelangenden Stufen mit Hilfe einer zusätzlichen Triebwerkzündung wieder abgebremst, um sie in der Atmosphäre verglühen zu lassen. Bei Oberstufen, die in hohe Umlaufbahnen gelangen und keinen ausreichenden Bremsimpuls erzeugen können, werden zumindest die Reste des Treibstoffs verbraucht oder abgelassen, um eine mögliche Explosion zu verhindern. Eine weitere Maßnahme ist die Vorgabe, Satelliten nach Möglichkeit nur auf solchen Bahnen zu platzieren, auf denen sie durch den Widerstand der Restatmosphäre nach einer gewissen Zeit (z. B. 25 Jahre) automatisch abstürzen. Letzteres kann auch durch gezielte De-orbit-Manöver erreicht werden. Des Weiteren gibt es Ansätze, die zum Beispiel die Querschnittsfläche von MROs (siehe oben bei Quellen und Senken) in Abhängigkeit von der Missionsdauer beschränken. Ein Vorschlag der ESA lautet beispielsweise:

A \cdot t < 0{,}1\, m^2y
  • A – Querschnittsfläche
  • t – Einsatzdauer

Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) hat vor wenigen Jahren ein Konzept für einen Satelliten erarbeitet, der bis zu 30 ausgediente Oberstufen und Satelliten aus dem geostationären Ring in einen wenige hundert Kilometer darüber gelegenen Friedhofsorbit befördern kann. Nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung wird der mit „ROGER“ (Robotic Geostationary Orbit Restorer) bezeichnete Satellitenfänger ein Wurfnetz auf einen Zielsatelliten schießen und diesen damit in die Friedhofsbahn ziehen. Durch geschickte Beschleunigungs- und Abbremsmanöver wird verhindert, dass sich das Seil, mit dem das Wurfnetz am ROGER befestigt ist, entspannt. In der Friedhofsbahn angekommen, wird das Seil gekappt, und Satellit und Netz verbleiben dort. Die Verwendung eines Wurfnetzes erfordert jedoch einen großen Vorrat von Netzen, da für jede Mission ein einzelnes Netz benötigt wird. Daher wird an einem ähnlichen Verfahren mit einem wiederverwendbaren Greifarm geforscht.

Um nicht noch mehr Müll im Geostationären Ring anzusammeln, werden inzwischen geostationäre Satelliten nicht mehr bis zum vollständigen Erschöpfen der Treibstoffvorräte genutzt, sondern mit einem gewissen Rest in einen Friedhofsorbit gebracht, der sich normalerweise 300 km über der geostationären Umlaufbahn befindet.

Messungen

Die Detektion von Weltraummüll kann vom Erdboden aus mittels optischer Teleskope oder Radar erfolgen. Einige Radare können dabei in niedrigen Umlaufbahnen Partikel im Millimeterbereich nachweisen. Die genaue Messung der Bahnparameter und das kontinuierliche Verfolgen der Objekte ist jedoch nur bei Durchmessern ab 5 cm in LEO und 50 cm in GEO möglich. Die Bahnen dieser Objekte werden durch das amerikanische Space Surveillance Systems kontinuierlich verfolgt und ihre Bahnelemente in einem Objektkatalog veröffentlicht. Derzeit enthält dieser Katalog ca. 13.000 Objekte, allerdings sind lediglich die Bahndaten für etwa 9600 Objekte der Öffentlichkeit zugänglich. Als einzige Möglichkeit, Population und Bahnparameter von kleineren Partikeln zu ermitteln, bleiben damit in-situ-Messungen. Zu diesem Zweck wurden bereits mehrere Detektorkonzepte erprobt. Die bekanntesten europäischen Detektorkonzepte sind der DEBIE-Detektor und der GORID-Detektor (identisch mit Galileo- und Ulysses-Detektoren). Beide Detektoren bestimmen die Einschlagsenergie eines Hochgeschwindigkeitspartikels über die Zusammensetzung des durch den Einschlag entstehenden Plasmas. Mit elektrischen Feldern werden die Elektronen und Ionen im Plasma voneinander getrennt und mit geladenen Gittern die jeweilige Spannung gemessen. Aus der Form und dem zeitlichen Verlauf der Spannungspulse lassen sich über am Erdboden aufgenommene Kalibrierungskurven Masse und Geschwindigkeit des eingeschlagenen Partikels bestimmen. Zur reinen Plasmamessung kommt beim DEBIE-Sensor die Messung des Einschlagsimpulses über Piezoelemente hinzu, so dass es ein Vergleichssignal zur Plasmamessung gibt. Ein weiteres Konzept zur in-situ-Detektion (passiv) von Weltraummüll stellt der Large Area Debris Collector (LAD-C) dar. Dieser soll an der Internationalen Raumstation befestigt werden. Bei einer geplanten Fläche von 12 m² soll Aerogel ein Einfangen der Debris-Objekte ermöglichen. Mit Hilfe mehrerer akustischer Sensoren können Einschlagszeitpunkt und Einschlagsort von Objekten bestimmt werden. Nach etwa zwei Jahren Flugzeit soll LAD-C mit einem Space-Shuttle wieder zurück zur Erde gebracht werden, wo eine genaue Analyse der eingefangenen Debris-Objekte erfolgen kann.

Kataloge

Die Kataloge über künstliche Satelliten, beispielsweise NORAD, beschränken sich auf intakte Objekte. Die Trümmer, die bei einem Auseinanderbrechen entstehen, werden in gesonderten Datenbanken für Weltraummüll erfasst. Eine wird, wie NORAD, von USSTRATCOM gepflegt.[10] Sie ist auch die Grundlage für die Sammlung DISCOS (Database and Information System Characterizing Objects in Space) der ESA.[11]

Siehe auch

Literatur

  • Carsten Wiedemann, Peter Vörsmann und Heiner Klinkrad: Ein Modell für den Weltraummüll. In: Sterne und Weltraum, Oktober 2005, S. 30–36.
  • Heiner Klinkrad: Space debris – models and risk analysis. Springer, Berlin 2006, ISBN 3-540-25448-X.
  • W. Flury : Space debris. In: Proceedings of a Committee on Space Research Assembly. Pergamon Press, Oxford 1999.
  • Regina Mielniczek: Entstehung und Entsorgung von Abfall im Weltall. Dipl.-Arb., Wirtschaftsuniversität Wien 1994.
  • George T. Hacket: Space debris and the corpus iuris spatialis. Éd. Frontières, Gif-sur-Yvette 1994, ISBN 2-86332-156-0.
  • Michael W. Taylor: Orbital Debris - Technical and Legal Issues and Solutions. McGill University, Montreal 2006, Abstract online ( pdf, S.121, abgerufen 2. November 2009)
  • P. Eichler, A. Bade: Removal of debris from orbit. American Institute of Aeronautics and Astronautics 1990-1366, [1]

Weblinks

 Commons: Weltraummüll – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. D. Spencer, et al.: Space Debris Research in the U. S. Department of Defense. Second European Conference on Space Debris, 1997, ESOC, Darmstadt, Germany (1997), ESA-SP 393., S.9, @adsabs.harvard.edu
  2. Die Müllhalde des Weltraumschrottsorf.at; Filling up Pacific's space junk graveyard nzherald.co.nz, 20. Jänner 2007; abgerufen am 10. September 2010)
  3. http://spaceweather.com/glossary/collidingsatellites.htm
  4. Donald J. Kessler, Burton G. Cour-Palais: Collision Frequency of Artificial Satellites - The Creation of a Debris Belt. In: Journal of Geophysical Research Vol 81. No. 46. 1. Juni 1978, S. 2637-2646, abgerufen am 3. Mai 2010 (3,4 MB PDF, englisch).
  5. ESA-Angaben nach vdi-n vom 2. Juli 2010, Seite 3
  6. Stabroth, S.; Wegener, P.; Oswald, M.; Wiedemann, C.; Klinkrad, H.; Vörsmann, P.: Introduction of a nozzle throat diameter dependency into the SRM dust size distribution. In: Advances in Space Research 38, 2006, S. 2117–2121.
  7. Wiedemann, C., Krag, H., Wegener, P., Vörsmann, P., Jahrbuch 2002 der DGLR, Band II, S. 1009–1017. Das orbitale Verhalten von Clustern aus Kupfernadeln der West Ford Experimente.
  8. Uwe Reichert: Umweltkatastrophe im Orbit. Sterne und Weltraum 46 Nr. 4, S. 24 (April 2007), ISSN 0039-1263
  9. pressetext: Laserkanone soll Weltraummüll vernichten
  10. Situation of Space debris in 1995
  11. DISCOS of ESA

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