White Supremacy

White Supremacy

Als White Supremacy ([waɪt su'premɘsɪ], engl. für „weiße Vorherrschaft“, „Überlegenheit der Weißen“) werden im englischsprachigen Raum diejenigen rassistischen Ideologien bezeichnet, die auf der Annahme beruhen, dass Weiße anderen menschlichen „Rassen“ überlegen seien. Der Ausdruck dient als Sammelbezeichnung für eine Vielzahl rassistischer ideologischer Systeme, darunter auch die Nationalsozialistische Rassenlehre und die Rassenideologie im südafrikanischen Apartheids-Regime. Darüber hinaus schließt der Begriff „White Supremacy“ auch solche Ideologien ein, die in englischsprachigen Ländern wie den Vereinigten Staaten verbreitet waren bzw. noch heute verbreitet sind. Viele amerikanische Historiker und Politologen bevorzugen den Ausdruck „White Supremacy“ gegenüber dem weniger präzisen Ausdruck „Rassismus“, weil er erstens explizit benennt, von welcher Personengruppe diese Ideologien ausgehen, und weil er zweitens klar herausstellt, dass es dabei um Macht und Herrschaft geht und nicht nur um etwas so Vages wie etwa Einstellungen oder Vorurteile.[1] Das Pendant hierzu ist die Black Supremacy.

Inhaltsverzeichnis

Postkoloniale Theorie

Die in dem Rahmen der postkolonialen Theorien entstandenen Critical Whiteness Studies (kritische Weißseinsforschung) bezeichnen nicht nur explizite Normsetzungen von Weiß-Sein ... im Kontext von Kolonialismus, Rechtsextremismus und Apartheid als Form der Machtausübung und Herrschaft, sondern richten die Aufmerksamkeit mit dem Begriff White Supremacy (bell hooks [2]) auch auf das Phänomen, dass die in von Weißen dominierten Gesellschaften gebildete Normen nicht nur als überlegen angesehen werden, sondern auch als „neutral“ und „normal“ verallgemeinert und objektiviert werden. [3] Gleichzeitig entziehen sie sich damit der kritischen Reflexion. White Supremacy maskiere[4] demnach auch die "eigenen" weißen Privilegien und machten diese für weiße Positionen unsichtbar. [5] Während einerseits "White Supremacy" einen mythischen Charakter bekomme und die Machtverhältnisse verschleiert würden, bleiben die Auswirkungen der Normierung Weißsein in den Erfahrungen und Vorstellungen derjenigen, die nicht in der Kategorie weiß wahrgenommen werden, eine Gewaltstruktur, die bis hin zum "Terror" reiche. [6] So zeige sich die White Supremacy auch an den Universitäten, an denen die weiße Norm bestimmt, wer etwas zu sagen hat, also "Wissen" definiert und im Zentrum des Diskurses steht, und wessen "Wissen" nicht als "objektiv" wahrgenommen wird, sondern als "Erfahrung". [7]

White Supremacy in den Vereinigten Staaten

Während der Sklaverei

Die Ursprünge der White-Supremacy-Ideologie in den Vereinigten Staaten liegen in der Sklaverei der Kolonialzeit. In demselben Umfang, in dem die Pflanzer eine auf der Arbeitskraft afroamerikanischer Sklaven basierende Plantagenökonomie errichteten, durch die sie wohlhabend und politisch mächtig wurden, förderten sie ein rassistisches Gedankensystem, das ihre Macht auch ideologisch rechtfertigte. Wie der amerikanische Historiker Ira Berlin beschrieben hat, definierte dieses ideologische System in seiner Hochblüte nicht nur das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen, sondern führte die menschlichen Beziehungen generell auf ein Herrschafts-Unterwerfungs-Verhältnis zurück, etwa auch die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, Männern und Frauen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern.[8]

Die Pflanzer betrachteten sich nicht nur als Herren ihrer Sklaven und Bediensteten, sondern entwickelten die Ideologie einer paternalistischen Gesellschaft, in deren alle sozialen Beziehungen durch Differenz und Autorität definiert, und in der sie selbst die Beweger aller Dinge waren. Ihren Anspruch auf bedingungslosen Gehorsam leiteten sie daraus ab, dass sie sich als wohlwollende Patres familias verstanden, die an ihrer erweiterten „Familie“, zu der sie auch ihre Sklaven zählten, väterlichen Anteil nahmen, ihnen monatliche „Rationen“ zuwiesen und zu Weihnachten Geschenke machten. Die Plantage erschien in dieser Konstruktion als ein kollektives Unternehmen, in dem Herr und Sklaven zum beiderseitigen Vorteil miteinander verbunden waren.[9]

Dabei hielt die Begrifflichkeit der Familie erst allmählich Einzug in die Ideologie der Sklavenhalter. In der frühen Kolonialzeit empfanden die Pflanzer ihre Sklaven nämlich noch keineswegs als ihre „Kinder“, sondern als unverzichtbare, aber schwierige Arbeitskräfte, die sich ihnen jederzeit zu widersetzen drohten. Erst im Verlaufe der nächsten 200 Jahre entstand das Stereotyp des ewig unreifen, ewig heranwachsenden Sklaven, dessen Kindheit bis ins Alter hinein reichte. Ihre Vollform und ihre größte Bedeutung erreichte diese Ideologie Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Institution der Sklaverei von innen heraus brüchig zu werden begann und von außen durch den Abolitionismus bedroht war.[9]

Mit der Realität der Plantagen hatte diese Ideologie meist nichts zu tun. Dort wurde die Disziplin weiterhin mit der Peitsche durchgesetzt. Auch die Sklaven ließen niemals nach, sich dem Arbeitsregime zu widersetzen, sich krankzustellen, die Arbeit zu sabotieren, Werkzeug zu zerstören, Arbeitstiere zu verletzen oder zu fliehen. Oftmals diente diese Ideologie auch dazu, dass die Pflanzer sich in die Angelegenheiten ihrer Sklaven bis in die intimsten Bereiche hinein einmischten und mit dem Anspruch, deren Lebensbedingungen zu verbessern, versuchten, die Wohnverhältnisse, die Ernährung, die Lebensweise, die familiären Beziehungen und das religiöses Leben ihrer Sklaven zu kontrollieren.[10]

Nach der Abschaffung der Sklaverei

Ku-Klux-Klan-Treffen in Gainesville am 31. Dezember 1922

Noch im selben Jahr, in dem die Sklaverei endgültig abgeschafft wurde (1865), entstand auch der Ku-Klux-Klan, der eine Gleichstellung der nunmehr freien Afroamerikaner mit den Mitteln des Terror zu verhindern suchte und sich für eine Rassentrennung einsetzte.[11]

Enge Beziehungen zur White-Supremacy-Ideologie bestehen auch in manchen kleinen amerikanischen Glaubensgemeinschaften, besonders in der Christian-Identity-Bewegung, die die angelsächsische bzw. nordische „Rasse“ als „Gottes auserwähltes Volk“ betrachtet und deren Mitglieder seit 1984 mehrfach durch rassistische und antisemitische Gewaltakte in Erscheinung getreten sind.[12] Das 1973 gegründete Creativity Movement fordert eine „weiße Religion“ und die Ausweisung aller Andersfarbigen aus den USA.[13] Obwohl die Ásatrúar („Odinisten“) die White-Supremacy-Ideologie mehrheitlich verwerfen, bekennt sich ein kleiner Teil der White Supremacists auch zu dieser neuheidnischen Religion.[14]

Der Gründer der American Nazi Party, George Lincoln Rockwell, schuf in den 1960er Jahren in Anlehnung an den schwarzen Kampfbegriff Black Power das Schlagwort „White Power“, das in der amerikanischen Neonazi- und Skinhead-Szene bis heute verbreitet ist.

Bereits vor seiner Wahl zum US-Präsidenten versuchten offenbar mehrere Rassisten Barack Obama umzubringen.[15] Aus diesem Grund waren die Sicherheitsvorkehrungen für den damaligen Junior Senator aus Illinois so hoch wie bei keinem anderen Kandidaten bisher.

Siehe auch

Literatur

Alle genannten Buchtitel sind englischsprachig:

  • Eduardo Bonilla-Silva: White Supremacy and Racism in the Post-Civil Rights Era. Lynne Rienner Publishers, Boulder CO u. a. 2001, ISBN 1-58826-032-1.
  • John Whitson Cell: The Highest Stage of White Supremacy. The Origins of Segregation in South Africa and the American South. Cambridge University Press, Cambridge 1982, ISBN 0-521-27061-8.
  • Betty A. Dobratz, Stephanie L. Shanks-Meile: The White Separatist Movement in the United States. „White Power, White Pride!“ The Johns Hopkins University Press, Baltimore MD 2000, ISBN 0-8018-6537-9.
  • Abby L. Ferber: White Man Falling. Race, Gender, and White Supremacy. Rowman & Littlefield Publishers, Lanham MD u. a. 2000, ISBN 0-8476-9026-1.
  • George M. Fredrickson: White Supremacy. A Comparative Study in American and South African History. Oxford University Press, New York NY u. a. 1982, ISBN 0-19-503042-7 online.
  • Ghassan Hage: White Nation. Fantasies of White Supremacy in a Multicultural Society. Pluto Press Australia u. a., Annandale u. a. 1998, ISBN 1-86403-056-9 (Vgl. auch: Simone Prodolliet: Weiss sein).
  • bell hooks: Weißsein in der Schwarzen Vorstellungswelt. In: bell hooks: Black Looks. Popkultur - Medien - Rassismus. Orlanda-Frauenverlag, Berlin 1994, ISBN 3-929823-14-4, S. 207 (original: white supremacist terror) (Vgl. auch: Eske Wollrad: Körperpolitik – feministisch-antirassistische Reflexionen zu Weißsein als Mythos und Terror. European Women's Synod: S. 5–10 d'agost, 2003 Universitat Autònoma de Barcelona. [4]).

Einzelnachweise

  1. What is White Supremacy?
  2. hooks, bell. “Representing Whiteness in the Black Imagination.” Displacing Whiteness. Essays in Social and Cultural Criticism. Ed. Ruth Frankenberg. Durham, London: Duke UP, 1997. 165-179. bell hooks: Weißsein in der Schwarzen Vorstellungswelt. In: bell hooks: Black Looks, Berlin, 1994, 207. (original: white supremacist terror)
  3. Susan Arndt: Weiß-Sein, Roland Barthes la vaccine und die afrikanisch-feministische Literatur. [1], Susan Arndt: Weißsein. Die verkannte Strukturkategorie Europas und Deutschlands und Susan Arndt: Mythen des weißen Subjekts: Verleugnung und Hierarchisierung von Rassismus In: Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hg.) Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Zusammenstellung des Beitrags.
  4. Zum Begriff vgl.: Frantz Fanon (1967), Black Skin, White Masks. London: Grove Press. Auf Fanons Begriff der Maske rekurrieren zahlreiche Studien zu Whiteness.
  5. Susan Arndt: Weiß-Sein, Roland Barthes la vaccine und die afrikanisch-feministische Literatur. [2]; Arndt, Susan. The Dynamics of African Feminism. Defining and Classifying African Feminist Literatures. Trenton, NJ; Asmara: Africa World Press 2002. Arndt, Susan. „Grenzenloses Weiß-Sein. Weiß-Sein ohne Grenzen? Konzeptionen von Weiß-Sein und Feminismus in der afrikanisch-feministischen Literatur.“ in: Monika Ehlers, Eva Lezzi, Sandra Schramm (Hrsg.). Fremdes Begehren. Repräsentationsformen transkultureller Beziehungen. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2003: 107-120. Zum Begriff der Maskierung und des Mythos siehe auch Arndts Verweise auf: Frantz Fanon (1967), Black Skin, White Masks. London: Grove Press.
  6. Eske Wollrad: Körperpolitik – feministisch-antirassistische Reflexionen zu Weißsein als Mythos und Terror. European Women's Synod: 5-10 d'agost, 2003 Universitat Autònoma de Barcelona. [3];
  7. Grada Kilomba über die white supremacy an Berliner Universitäten: "When they speak it is scientific, when we speak it is unscientific; ... they have knowledge, we have experiences. These are not simple semantic categorizations; they possess a dimension of power that maintains hierarchical positions and upholds white supremacy. We are not dealing here with a “peaceful coexistence of words,” as Jacques Derrida (...) emphasizes, but rather a violent hierarchy that defines who can speak. Grada Kilomba: Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism. Münster 2008. S. 28. (kursive Hervorhebungen im Original: Grada Kiloma). Zu who can speak nimmt Grada Kilomba bezug auf: Gayatri C. Spivak (1995): ‘Can the subaltern speak?’ Und im deutschen Kontext: Steyerl & Gutiérrez Rodríguez (2003): Spricht die Subalterne deutsch? Vgl. G. Kilomba, S. 26 ff.
  8. Ira Berlin: Generations of Captivity: A History of African-American Slaves, Cambridge, London: The Belknap Press of Harvard University Press, 2003, ISBN 0-674-01061-2
  9. a b Berlin, S. 62f, 147, 204
  10. Berlin, S. 205
  11. White Supremacy in America: The Ku Klux Klan
  12. Christian Identity: White Supremacy, Christian Supremacy, Christian Nationalism
  13. The Creativity Movement
  14. Overview of U. S. White Supremacist Groups
  15. Nicholas Riccardi (27. August 2008): Threat to kill Obama downplayed. Los Angeles Times. Abgerufen am 8. März 2011.

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