Begriffsumfang

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Extension und Intension (auch Begriffsumfang und Begriffsinhalt) bezeichnen in der Logik und Sprachphilosophie verschiedene, nach Meinung mancher Autoren entgegengesetzte Eigenschaften von Begriffen.

Inhaltsverzeichnis

Extension

Unter der Extension oder dem Umfang eines Begriffs versteht man in der traditionellen Logik (Begriffslogik) die Gesamtheit der Dinge, auf die er sich erstreckt (die unter ihn fallen, die er umfasst). So ist die Extension des Begriffes „Mensch“ die Gesamtheit aller Menschen. Üblicherweise bezieht sich dies auf die gegebene Welt und jeden beliebigen Zeitpunkt. Die Extension von „Mensch“ ist also identisch mit der Menge aller Menschen, die wirklich leben, gelebt haben und in Zukunft leben werden. Komplikationen ergeben sich, wenn eine speziellere Ontologie vorausgesetzt wird, etwa eine, welche nur gegenwärtige Objekte als real existent annimmt – der sogenannte Präsentismus.

Entsprechend besitzt der Begriff „Marsmensch“, nach allem was wir vom Mars wissen, eine leere Extension: Es gibt keine Marsmenschen, es sei denn in der Phantasie. Erweitern wir daher das Diskursuniversum (den Bereich, über den gesprochen wird,) über die physischen Dinge hinaus und beziehen auch Phantasiewesen (Fabelwesen, Fiktionen) ein, so erscheinen darin neben Meerjungfrauen und Yetis auch Marsmenschen. Die Extension von „Marsmensch“ ist dann nicht mehr leer. Je nachdem, welche Theorie über fiktionale Wesen vertreten wird, ist dies ein Spezialfall der Position, auch andere mögliche Welten als unsere in die Extension von Begriffen einzubeziehen.

In der modernen Logik fasst man Begriffe oft als einstellige Prädikate auf, das heißt als Aussageformen mit einer Leerstelle. Aus der Aussageform „… ist ein Mensch“ entsteht dann eine wahre Aussage, wenn man in die Leerstelle den Eigennamen oder die Kennzeichnung eines Menschen einsetzt. Die Menge der so Bezeichneten, für die das Prädikat wahre Aussagen ergibt, ist dann seine Extension. Entsprechendes gilt für mehrstellige Prädikate (Relationen): Die Extension des zweistelligen Prädikats „… hat denselben Vater wie …“ besteht aus der Menge aller Geschwister- und Halbgeschwisterpaare.

Intension

Darüber, was Intension und Begriffsinhalt sind, gehen die Meinungen in der Logik auseinander. Nach einer häufig vertretenen Auffassung besteht die Intension eines Begriffes aus der Gesamtheit der Merkmale oder Eigenschaften – die Terminologie ist hier uneinheitlich –, die den Dingen, die er umfasst, faktisch gemeinsam sind oder die die Schnittmenge ihrer notwendigen Merkmale ausmachen. Demnach enthält die Intension des Begriffes „Mensch“ die Merkmale belebt, sterblich, auf zwei Beinen gehend, ungefiedert, vernunftbegabt, Werkzeuge produzierend etc.

Begriffsmerkmale treten hauptsächlich bei der Definition eines Begriffs in Erscheinung:

  • Menschen sind auf zwei Beinen gehende ungefiederte Lebewesen.

Oder:

  • Menschen sind vernunftbegabte Lebewesen.

Keine dieser Definitionen macht von allen Merkmalen Gebrauch, die allen Menschen gemeinsam sind; beide kommen z. B. ohne das Merkmal sterblich aus. Trotzdem erfüllen sie ihren Zweck, nämlich aus einem Diskursuniversum, das nur physische Dinge umfasst, trennscharf diejenigen herauszufiltern, die unter den Begriff „Mensch“ fallen. Wäre dagegen von einer Welt die Rede, in der auch für vernunftbegabte Unsterbliche Platz ist, z. B. für die Göttinnen und Götter des Olymp, so müsste die zweite Definition, um diese Funktion zu erfüllen, durch die Hinzunahme des Merkmals sterblich verengt werden.

Die Beispiele zeigen außerdem, dass Begriffe mit verschiedener Intension im selben Diskursuniversum dieselbe Extension haben können: „auf zwei Beinen gehende ungefiederte Lebewesen“ und „vernünftige Lebewesen“ sind extensional gleiche Begriffe. Das Umgekehrte gilt nicht: Begriffe mit verschiedener Extension besitzen im selben Diskursuniversum stets verschiedene Intension.

Extensionale Individuation von Begriffen

Bekanntlich sind viele Wörter mehrdeutig: Das Wort „Bank“ kann eine Sitzgelegenheit oder ein Geldinstitut bezeichnen. Bei beiden Bedeutungen handelt es sich um verschiedene Begriffe. Was konstituiert die Verschiedenheit dieser Begriffe und wie erkennt man Gleichheit und Verschiedenheit von Begriffen? Ein einfacher Antwortversuch auf diese Frage wird als Extensionalitätsthese bezeichnet. Demnach sind Begriffe durch ihren Extensionalbereich vollständig bestimmt. Offensichtlich ist die Menge aller Sitzgelegenheiten eine andere Menge als diejenige aller Geldinstitute.

Diese Extensionalitätsthese hat u. a. das bekannte Problem, zu erklären, wie es sich bei Bezeichnungen wie „Abendstern“ und „Morgenstern“ verhält. Die Extension beider Bezeichnungen ist identisch: beide beziehen sich auf den Planeten Venus. Trotzdem scheint plausibel, dass, wer an den Abendstern denkt, einen anderen Begriff verwendet als jener, welcher an den Morgenstern denkt. Der Unterschied liegt, so die klassische Formulierung von Gottlob Frege, nicht in der Extension, sondern in der Weise der Bezugnahme, also der Intension. Frege selbst spricht nicht von Extension, sondern von Bedeutung, und nicht von Intension, sondern von Sinn. Zieht man auch die Intension zur Individuation von Begriffen heran, muss die Extensionalitätsthese verworfen werden.

Inversverhältnis von Intension und Extension

Versteht man die Intension als eine Menge von Merkmalen und die Extension als eine Menge von Gegenständen, welche diese Merkmale besitzen, so verhalten sich Intension und Extension offensichtlich in folgender Weise gegensätzlich zueinander: je umfangreicher die Intension, desto kleiner die Extension und umgekehrt. Ein Begriff wie „Substanz“ umfasst nach der aristotelischen Ontologie alles überhaupt Seiende, ein Begriff wie „körperliche Substanz“ entsprechend weniger, und ein Begriff wie „vernunftbegabte beseelte körperliche Substanz“ noch weniger Objekte. Solche Beispiele existieren in großer Zahl und lassen die folgende grundlegende Gesetzmäßigkeit vermuten:

Sind A und B zwei Klassen innerhalb einer Klassifikation mit einheitlich durchgeführtem Merkmalssystem, so gilt:

Wenn die Intension von A (als Teilmenge) in der Intension von B enthalten ist, dann ist die Extension von B (als Teilmenge) in der Extension von A enthalten. B ist dann eine Unterklasse (eine Spezies) von A, A eine Oberklasse (ein Genus) von B.

Mit dem Aufkommen der modernen Logik wurde die Allgemeingültigkeit dieser Regel auf verschiedene Weise angezweifelt. Der Grund dafür lag in der erwähnten Unbestimmtheit des Begriffs der Intension und in der Vielzahl der Möglichkeiten, ihn in die formale Sprache eines Logikkalküls zu übersetzen. Den ersten erfolgreichen Versuch zu einer solchen Übersetzung unternahm Paul Weingartner.[1] Weingartner konnte zeigen, dass „bei entsprechender Definition des intensionalen Enthaltenseins“[2] die oben formulierte Grundregel ein Theorem der Klassenlogik darstellt.

Terminologie

Eine terminologische Unterscheidung von Extension und Intension formulierte früh bereits Leibniz anhand der Begriffe ‚Mensch’ und ‚Lebewesen’: „Das Lebewesen umfasst mehr Individuen als der Mensch, aber der Mensch enthält mehr Ideen oder Formeigenschaften; das eine hat mehr Exemplare, das andere mehr Wirklichkeitsgrad; das eine hat mehr Extension, das andere mehr Intension.“ [3]

Im Lauf der Philosophiegeschichte wurde das Konzept der Extension und Intension von unterschiedlichen Autoren unterschiedlich bezeichnet. Die folgende Tabelle zeigt einige dieser Bezeichnungen.[4]

Intension Extension Autor
Intension Extension Leibniz, Carnap, Stegmüller
connotation denotation John Stuart Mill
Sinn Bedeutung Gottlob Frege
meaning denotation Bertrand Russell
sense reference Max Black
meaning reference Willard Van Orman Quine
sense denotation Alonzo Church
intensionale Bedeutung (Begriff) extensionale Bedeutung (Klasse) Kamlah-Lorenzen
Bedeutung Bezeichnung Georg Klaus
Bedeutung Bezug Franz von Kutschera
Bedeutung Designata Karl-Dieter Opp

Dabei ist zu beachten, dass der Wiederbeleber dieser Unterscheidung, Frege, den Ausdruck „Bedeutung“ gerade für Extension verwendet hat, während alltagssprachlich unter „Bedeutung“ eher die Intension verstanden wird, die bei Frege „Sinn“ heißt. Bei Mill ist zu beachten, dass der Ausdruck „connotation“ nichts mit dem deutschen Wort Konnotation zu tun hat, das alltagssprachlich nicht die Intension eines Ausdrucks, sondern die mit dem Ausdruck verbundenen subjektiven Assoziationen bezeichnet (zum Beispiel „alte Jungfer“ als abwertende Bezeichnung für eine unverheiratete Frau).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Paul Weingartner: A Predicate Calculus for Intensional Logic. In: Journal of Philosophical Logic 2, 1973, S. 220–303.
  2. Paul Weingartner: Wissenschaftstheorie. Teil II, 1: Grundlagenprobleme der Logik und Mathematik. Fromman-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1976, ISBN 3-7728-0324-5, S. 159f., Anm. 191.
  3. Übersetzung des frz. Textes aus Leibniz: Nouveaux Essais, IV, Kapitel 17, §8, in: Sämtliche Schriften und Briefe, Reihe VI, Philosophische Schriften, Band 6, Berlin, 1962, S. 486
  4. Nach Herberger/Simon, Wissenschaftstheorie 1980, S. 243 m.w.N.; weitere Nachweise: semiotisches Dreieck

Literatur

Logikgeschichte

Überblicksdarstellungen
  • Joseph C. Frisch: Extension and Comprehension in Logic, New York 1969
  • R. H. Robins: A Short History of Linguistics, Longman 1967, 4. A. 1997.
  • Ellen Walther-Klaus: Inhalt Und Umfang, Georg Olms Verlag 1987, ISBN 3487078295.umfassende historische Darstellung, u.a. zu Spätantike, Porphyrius, Scholastik, Petrus Hispanus, Thomas de Vio, Port-Royal, Leibniz, Kant, Erdmann, Peirce, Bolzano und die jeweiligen Zwischenphasen
Antike
  • William T. Parry, Edward A. Hacker: Aristotelian Logic, SUNY 1991, bes. 60ff
Mittelalter
  • Heinz W. Enders: Sprachlogische Traktate des Mittelalters und der Semantikbegriff, F. Schöningh 1975, ISBN 3-506-79420-5
  • Paul Spade: The Semantics of Terms, in: Norman Kretzmann, Anthony Kenny, Jan Pinborg (Hgg.): The Cambridge History of Later Medieval Philosophy, Cambridge University Press, Cambridge 1982, 188–96.
Frühe Neuzeit
  • Jill Vance Buroker: The Port-Royal semantics of terms, in: Synthese 96/3 (1993), 455-475
  • Wolfgang Lenzen: Zur extensionalen und ‘intensionalen’ Interpretation der Leibnizschen Logik, in: Studia Leibnitiana 15 (1983), 129-148.
  • Chris Swoyer: Leibniz on Intension and Extension, in: Noûs 29/1 (1995), 96-114.
  • Raili Kauppi: Über die Leibnizsche Logik mit besondere Berücksichtigung des Problems der Intension und der Extension, Helsinki: Suomen Filosofinen Yhdistys (Acta Philosophica Fennica 12) 1960, New York/London: Garland (The Philosophy of Leibniz 6) 1985.
  • A. Heinekamp / F. Schupp: Die intensionale Logik bei Leibniz und in der Gegenwart, Wiesbaden 1979.
Klassik

Moderne

  • Rudolf Carnap: Bedeutung und Notwendigkeit. Berlin-New York, Springer 1972; engl. Meaning and Necessity: A Study in Semantics and Modal Logic, 1947, 2. A. 1956
  • Gottlob Frege: Über Sinn und Bedeutung ([1]), in: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik NF 100 (1892), 25-50, etliche Wiederabdrucke, z.B. in: Berka, K. / Kreiser, L. (Hrsg.): Logik-Texte. Berlin : Akademie-Verlag, 1983, 423–442
  • Franz von Kutschera: Sprachphilosophie, München: Fink 1993, bes. 66ff
  • Clarence I. Lewis: Notes on the Logic of Intension, in: Structure, Method, and Meaning: Essays in Honor of Henry M. Sheffer, New York: Liberal Arts Press 1951, 25-34.

Weblinks


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