William de la Mare

William de la Mare

Wilhelm oder William de la Mare († um 1290), gelegentlich auch Doctor correctivus genannt, war ein englischer Franziskanertheologe und Philosoph, der die traditionelle neoplatonisch-augustinische Schule vertrat, und ein prominenter Kritiker der, durch Thomas von Aquin wiederbelebten, aristotelischen Ideen war.

Biographie

Über Williams erste Jahre ist wenig bekannt. Etwa in den 1260er Jahren hielt er eine Predigt im Franziskanerkonvent von Lincoln und verfasste einen eigenen Sentenzenkommentar, ähnlich dem des Bonaventura. Daneben wurde er wohl auch von den zeitgenössischen Autoren Johannes Peckham, der als sein direkter Lehrer gilt, Walter von Brügge, Roger Bacon und dem Dominikaner Petrus de Tarantasia beeinflusst. In seinen frühen Werken ist die Kritik am Dominikaner Thomas von Aquin noch wenig ausgeprägt und bleibt im Rahmen der üblichen Schulstreitigkeiten. Die spätere, grundlegende Kritik am heterodoxen Aristotelismus und an Averroes ist noch nicht zu erkennen.

Als Mitglied des Franziskanerordens legte William seinen Magister der Theologie um 1275 an der Universität Paris ab. Als Professor in Paris vertrat er die ausgustinische Schule, wie sie von dem renommierten italienischen Franziskaner Bonaventura fortgeführt worden war. In seinem in Paris verfassten Commentarium super libros sententiarum ("Kommentar zum Sentenzenbuch") und seinen Disputationes de quolibet reflektiert er auch über den Ekenntnisprozess, den er als Operation einer intrinsischen Kraft im menschlichen Geist begreift, die dem Menschen von Gott bei der Erschaffung mitgegeben wurde. Der daraus resultierende menschliche Wille sich mit Gott wiederzuvereinigen, und eine innere Erleuchtung der Seele (Mystik), durch die die ewigen Ideen und Wahrheiten erkannt werden können, bilden für William die Grundlage der menschlichen Psychologie. Seine wissenschaftstheoretischen Auffassungen ähneln der Roger Bacons, mit dem er das Interesse für Grammatik, Sprachwissenschaft, Logik und empiristische Ideen teilt.

Nach seiner Pariser Lehrtätigkeit kehrte er nach England, vermutlich nach Oxford, zurück, und schrieb dort 1277/78 sein bekanntes Werk Correctorium fratris Thomae ("Korrektur des Bruder Thomas"), welches als Manifest der neu-augustinischen Franziskanerschule bezeichnet werden kann. Darin kritisiert er die Lehren des Dominikaners Thomas von Aquin heftig. Von den dominikanischen Parteigängern des Thomas wurde es von Beginn an als "Corruptorium" angefeindet, und löste schließlich den als Korrektorien-Streit bezeichneten Disput aus.

Werk

Die Einführung der aristotelischen Ideen im Spätmittelalter, besonders durch Thomas von Aquin, forderte die traditionellen neoplatonischen Gelehrten heraus, die das westliche Denken seit Augustinus beherrscht hatten. So ist es auch das Ziel von Williams Schrift Correctorium fratris Thomae, den (theologischen) Studenten eine Anleitung an die Hand zu geben, wie sie mit Thomas' Ideen umgehen sollten. Dazu pickte sich William 118 Artikel aus Thomas' Schriften heraus, vornehmlich aus dessen Summa theologiae ("Summe der Theologie"), und zeigt daran, wie die Anwendung aristotelischer Einflüsse zu Interpretationen führt, die der kirchlichen Orthodoxie widersprechen. Philosophiehistoriker weisen hier allerdings daraufhin, dass William nicht die konfliktverursachende Grundfrage zwischen thomistischem Aristotelismus und Neoplatonismus erkannt hat uns somit auch nicht zu analysieren vermochte: die Unterscheidung zwischen Essenz und Existenz, Zeit und Ewigkeit, Materie und Geist.

William's Correctorium wurde 1282 vom gesamten Franziskanerorden übernommen, als der franziskanische Generalminister Bonagratia von Bergamo das Studium der Schriften des Thomas von Aquin verbot. 1283 wurde die Schrift auf dem Generalkapitel der Franziskaner in Straßburg auch förmlich kanonisiert. Thomas' Summa Theologiae durfte von den Minoriten nun nur noch mittels der Benutzung des Correctoriums gelesen werden.

Schon bald nach seiner Veröffentlichung wurde das Correctorium selbst zum Ziel polemischer Publikationen von Thomisten, die dieses wiederum "korrigierten". Besonders die englischen Dominikaner Richard Clapwell und Thomas Sutton, und der französische Dominikaner Johannes von Paris antworteten mit Gegenschriften, die als Correctoria corruptorii bezeichnet wurden.

Angeregt von Roger Bacon beschäftigte sich William de la Mare auch mit einer kritischen Bibelausgabe, der Correctio textus bibliae (“Korrektur des Textes der Bibel”) und einem Glossar für die hebräischen und griechischen Wörter, das De Hebraeis et Graecis vocabulis glossarum bibliae (“Über die hebräischen und griechischen Begriffe der Bibel”). Das Glossar gilt als eines der gelehrtesten aus der mittelalterlichen Periode.

William sah die Theologie als Anleitung zum rechten Handeln und damit als eine "praktische Wissenschaft". Allerdings nicht im streng aristotelischen Sinne des Wortes Wissenschaft, sondern als auf göttliche Autorität gestützte, letztlich dogmatische, Gesetze, die zum Glauben führen wollen und das Handeln des Menschen zur Seligkeit hinführen sollen. Auch damit steht William in der, von Augustinus herkommenden, frühen franziskanischen Tradition.

Auch wenn Williams Hauptwerk ein wichtiger Schritt für die franziskanische Theologie darstellte, war seine Kritik an Thomas von Aquin und der aristotelischen Beeinflussung der Theologie doch schnell vergessen. Seine Arbeiten zu einer kritischen Bibelausgabe waren dagegen fruchtbarer und wurden von Duns Scotus und Petrus Johannis Olivi des Öfteren zitiert.

Literatur/Weblinks


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