Wirtschaftshistoriker

Wirtschaftshistoriker

Die Wirtschaftsgeschichte ist eine Brückendisziplin zwischen den Wirtschaftswissenschaften und der Geschichtswissenschaft. Sie untersucht die historische Wirtschaftsentwicklung in Zusammenhang mit anderen Kulturveränderungen.

Dies macht, je nach Betrachtungsweise, Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre zu Hilfswissenschaften der Wirtschaftsgeschichte, oder aber die Wirtschaftsgeschichte zum Untersuchungsfeld für wirtschaftswissenschaftliche Studien zur epochenübergreifenden Gültigkeit ihrer Theorien.

Ein besonderer Zweig ist die Cliometrie, die Anwendung von Wirtschaftsstatistik und Ökonometrie auf historische Zusammenhänge.

In der universitären Lehre in den deutschsprachigen Ländern ist die Wirtschaftsgeschichte meist zusammen mit der Sozialgeschichte als Sozial- und Wirtschaftsgeschichte gekoppelt.

Inhaltsverzeichnis

Quellen der Wirtschaftsgeschichte

Quelle der Wirtschaftsgeschichte kann jede Art von Überlieferung sein, die Informationen über wirtschaftliche Umstände und Vorgänge in der Vergangenheit offenbart.

Methoden der Wirtschaftsgeschichte

Als Brückendisziplin befindet sich die Wirtschaftsgeschichte zwischen den methodologischen Ansätzen der Geschichts- und der Wirtschaftswissenschaften.

Auf der einen Seite steht die eher induktive historische Methode (zum Beispiel Hermeneutik), auf der anderen stehen die eher deduktiven, mathematisch-analytisch orientierten Theorien und Methoden der Wirtschaftswissenschaften. In gewisser Weise spiegelt sich hier der Methodenstreit der Nationalökonomie, der besonders im deutschsprachigen Raum um die Wende zum 20. Jahrhundert zwischen der Historischen Schule und der neoklassischen Österreichischen Schule der Nationalökonomie ausgetragen wurde, wider. In Großbritannien und den USA dominiert die neoklassisch orientierte New Economic History die wirtschaftsgeschichtliche Forschung, während in anderen, vor allem europäischen Ländern verschiedenste, häufig stark mit der Sozialgeschichte verzahnte Ansätze (zum Beispiel Annales-Schule) von Bedeutung sind.

Die von verschiedenen Forschern verwendeten Methoden differieren demnach entsprechend ihrer Herangehensweise und ihrer Fragestellung. Häufig ist ein der Fragestellung angepasster Methodenpluralismus vorzufinden.

Teildisziplinen und Forschungsrichtungen

Teildisziplinen und Forschungsfelder der Wirtschaftsgeschichte befinden sich oft in engem Zusammenhang bzw. in Überlappung zu anderen Disziplinen. Einige wichtige Felder sind:

Benachbarte Fächer

Wirtschaftsgeschichte und Genealogie

Veränderungen in den Häufigkeiten von Berufen und Erwerbszweigen, wie sie sich aus allen genealogischen Arbeiten belegen lassen, sind das wichtigste Begegnungsfeld zwischen den Disziplinen Wirtschaftsgeschichte und Genealogie für die vorstatistische Zeit vor 1850.

Ein weiteres Begegnungsfeld ist die Unternehmensgeschichte, für die es zum Beispiel die Persönlichkeit des Gründers und seine Geldquellen, oft aus verwandtschaftlichen Beziehungen zu Kaufmannsfamilien herrührend bzw. einer Geldheirat, zu erhellen gilt (siehe auch Gründerfamilie, Heiratskreis, soziale Mobilität).

Auch ein tieferes Verständnis handwerklicher Traditionen ist ohne Genealogie undenkbar.

Verkehrsgeschichte und Postgeschichte

Kommunikation war zu allen Zeiten Grundvoraussetzung für das Funktionieren wirtschaftlicher Prozesse, deshalb ist die Postgeschichte - die Post war lange Zeit nahezu alleiniger Vermittler von Nachrichten - unverzichtbar. Anstatt wie früher als Institutionengeschichte verstanden kann Postgeschichte zum Verständnis der kaufmännischen Entscheidungen beitragen. Zumal im 18. und 19. Jahrhundert wegen der komplexen Versandbedingungen die Kaufleute viel Zeit und Kosten aufwenden mussten, um ihre Nachrichten sicher und schnell abzusetzen. Ähnliches gilt für die Verkehrs- und die neuere Kommunikationsgeschichte.

Bedeutende Wirtschaftshistoriker

International:

in Deutschland:

vor 1945:

Siehe auch

Literatur

Methodische Einführungen

  • Rolf Walter: Einführung in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte. UTB. Böhlau, Weimar 2008 (2.Aufl.). ISBN 978-3-8252-3085-2
  • Gerold Ambrosius, Dietmar Petzina, Werner Plumpe (Hrsg.): Moderne Wirtschaftsgeschichte: Eine Einführung für Historiker und Ökonomen. München 1996, ISBN 3-486-56098-0
  • Christoph Buchheim: Einführung in die Wirtschaftsgeschichte. München 1997, ISBN 3-406-41901-1
  • Ludwig Beutin, Hermann Kellenbenz: Grundlagen des Studiums der Wirtschaftsgeschichte. Köln [u.a.] 1973, ISBN 3-412-86373-4
  • Wolfgang Zorn: Einführung in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Probleme und Methoden. München 1974 (2.Aufl.), ISBN 3-406-05484-6

Thematische Einführungen

  • Gerold Blümle: Wirtschaftsgeschichte und ökonomisches Denken. Ausgewählte Aufsätze. Metropolis, Marburg 2007. ISBN 3895185973
  • Timothy Earle: Bronze Age Economics: The First Political Economies. Westview Press, Boulder Colo 2002. ISBN 0813339693
  • Marshall David Sahlins: Stone Age Economics. Aldine Atherton, Chicago 1972. ISBN 0-202-01098-8
  • Bertram Schefold: Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte. Verl. Wirtschaft und Finanzen, Düsseldorf 2004. ISBN 3878811829
  • Günther Schulz, Christoph Buchheim, Gerhard Fouquet (Hrsg.): Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete - Probleme - Perspektiven. Franz Steiner, Stuttgart 2005. ISBN 978-3515087711
  • Rolf Walter: Wirtschaftsgeschichte: vom Merkantilismus bis zur Gegenwart. Köln 2003 (4.Aufl.). ISBN 3-412-11803-6
  • Rolf Walter: Geschichte der Weltwirtschaft. Eine Einführung. UTB. Böhlau, Weimar 2006. ISBN 3825227243
  • Wirtschafts-Ploetz. Die Wirtschaftsgeschichte zum Nachschlagen. Hrsg. von Hugo Ott und Hermann Schäfer. Ploetz, Freiburg/Würzburg 1984. ISBN 3-87640-073-2 (unter Mitarbeit zahlreicher Fachwissenschaftler, mit gut 100 grafischen und tabellarischen Übersichten)

Regionale Abhandlungen, insbesondere Deutschland

  • Werner Abelshauser, Dietmar Petzina (Hrsg.): Deutsche Wirtschaftsgeschichte im Industriezeitalter. Konjunktur, Krise, Wachstum. Königstein/Taunus 1981 (mit einer nach Sachgebieten gegliederten Bibliografie). ISBN 3-7610-7239-2
  • Michael Beer: Bayerns Boom im Bauernland. Landesplanung und Strukturwandel der bayerischen Wirtschaft im ländlichen Raum von 1945 bis 1975. Lulu, Morrisvielle 2008, ISBN 978-1409205807.
  • Friedrich-Wilhelm Henning: Das vorindustrielle Deutschland 800 bis 1800. Schöningh, Paderborn 1974. ISBN 3-506-99162-0
  • Friedrich-Wilhelm Henning: Das industrialisierte Deutschland 1914 bis 1976. Schöningh, Paderborn 1978 (4. Aufl.). ISBN 3-506-99168-X
  • Franz Irsigler: Wirtschaftsgeschichte und deutsche Mediävistik. (pdf, online-publikation. Der Beitrag war für die Tagung „Forschungsstand und Perspektiven der deutschen Mediävistik“ in Rom vom 19.-20. Februar 2004 vorgesehen)
  • Hermann Kellenbenz: Deutsche Wirtschaftsgeschichte. 2 Bde. München 1977/1981. ISBN 3-406-06987-8, ISBN 3406069886
  • Hans-Heinrich Müller (Red.): Produktivkräfte in Deutschland 1870 bis 1917/18. Herausgegeben von Rudolf Berthold u.a., Institut für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaften, Berlin. Akademie-Verlag, Berlin 1985.
  • Michael North 2005 (Hsg.): Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick. München : C.H.Beck Verlag. ISBN 3-406-50266-0
  • Rosemary Thorp: Progress, Poverty and Exclusion. An Economic History of Latin America in the 20th Century. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1998. ISBN 1886938350


Wichtige Zeitschriften

International:

In Deutschland:

Weblinks


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