Wolle

Wolle
Schafwolle vor der Weiterverarbeitung

Als Wolle (von indogermanisch „uel“: reißen, rupfen oder drehen) bezeichnet man die weichen Haare des Fells einiger Säugetiere (im Gegensatz zum Deckhaar). Sie gehört wie Seide zu den Proteinfasern, jedoch unterscheiden Wolle und andere Tierhaare sich von dieser durch ihren hohen Schwefelgehalt (3–4 %), der vom hohen Gehalt der Doppelaminosäure Cystein herrührt. Wolle ist ein nachwachsender Rohstoff, der nachweislich seit etwa 3000 v. Chr. verwendet wurde.[1]

Inhaltsverzeichnis

Gewinnung

Schafschur
Schafschur im Mittelalter

Der Wollgewinnung dienen Schafe (siehe auch Schafwolle), Kaschmirziegen (Kaschmirwolle) und Angoraziegen (Mohair), Angorakaninchen (Angora), Kamele (Kamelhaar) und Kleinkamele wie Alpakas, Lamas und Vikunjas, Moschusochsen (Quiviut) und Yaks (Yakwolle).

Zur Wollgewinnung werden die Tiere geschoren (Schurwolle) oder ausgekämmt, einige Schafrassen (Soay) werden gezupft (das ist für die Tiere schmerzfrei, man löst jeweils vorsichtig nur die fast schon losen Haare).

Bereits die Vorfahren der Inkas fertigten feinste Garne aus der Wolle der südamerikanischen Alpakas und der noch selteneren frei lebenden Vikunjas. Auch heute noch gilt Alpaka als ein besonders hochwertiges Garn. Es hält die Wärme fünfmal besser als Schafwollgarne. Durch mikroskopisch kleine Lufttaschen hält es besser warm als fast alle anderen tierischen Fasern. Alpaka enthält kein Lanolin und ist daher für Wollallergiker geeignet.

Ebenfalls durch sehr geringes Gewicht und außergewöhnlich gute Isolationsfähigkeit zeichnet sich Merino-Possum-Wolle aus. Sie wird vor allem in Neuseeland hergestellt und verwendet. Die Produktion dieser Mischung hilft mit, die Bestände der unerwünscht zahlreichen, die einheimische Flora und Fauna gefährdenden Possums zu verringern.

Weiterverarbeitung

Zuerst wird die Wolle gewaschen, gekämmt oder kardiert, eventuell gebleicht und/oder gefärbt und zu Kammgarn oder Streichgarn versponnen. Das so entstandene Garn lässt sich zu Stoffen weben, zum Stricken (Strickwaren) und Wirkwaren verwenden oder sie werden von Hand oder maschinell zu Teppichen geknüpft. Die gereinigte und kardierte Wolle kann auch zu Filz verarbeitet werden. Es ist geplant, aus nicht für Textilien einsetzbaren Wolle künftig auch Düngepellets zu produzieren.[2]

Zusätzliche Eigenschaften erhält die Wolle durch das sogenannte Ausrüsten, beispielsweise den Schutz vor Mottenfraß (eulanisieren), Filzfreiheit (Hercosett-Verfahren, EXP-Verfahren), Maschinenwaschbarkeit und anderes.

Eigenschaften

Die Wolle hat eine so genannte natürliche Thermoregulations-Eigenschaft. Wolle kann im Faserinneren Wasserdampf aufnehmen, die Oberfläche stößt Wasser jedoch ab. Die Aufnahme kann bis zu 33 % des Trockengewichts der Wolle betragen, ohne dass sie sich feucht anfühlt. Außerdem leitet sie die Feuchtigkeit wesentlich schneller ab als beispielsweise die viel verwendete Baumwolle. Da Wollwaren (bezogen auf ihr Gesamtvolumen) aus bis zu 85 % Luft bestehen, sind sie gute Wärmeisolatoren: die Körperwärme entweicht nur wenig. Umgangssprachlich heißt es deshalb, dass Wolle gut „wärmt“, obwohl Wolle selbst eigentlich nur die Wärmestrahlung des Körpers reflektiert. Wolle nimmt Schmutz schlecht an, die elastische Faser knittert kaum. Sie ist sehr farbbeständig und schwer entflammbar. Sie brennt nicht, sondern verkohlt nur. Wolle nimmt im Gegensatz zu Kunstfasern wenig Gerüche (z. B. Schweiß) an und hat eine natürliche Selbstreinigungsfunktion – aufgenommener Geruch wird wieder an die Luft abgegeben, die Wolle riecht nach kurzem Lüften wieder neutral und frisch. Sie kann Schweiß chemisch binden und somit lange neutralisieren.[3] Wolle neigt zum Fusseln (Pilling), was man durch Fusselfrei-Ausrüstungen oder Verarbeitungsqualität mindern kann. Wollkleidung kann als unangenehm bzw. kratzig empfunden werden. Dies lässt sich durch spezielle Behandlung mindern.

Merinowolle ist eine sehr hochwertige Wolle, die von Merinoschafen gewonnen wird. Die Faser ist wesentlich hochbogiger als z. B. die von Crossbred-Wollen, was zu Griff- und Volumenvorteilen führt. Die Merinowolle ist feiner und sehr elastisch. Sie ist daher besonders für den Einsatz im körpernahen Kleidungsbereich beispielsweise als Baselayer (Zwiebelschalenprinzip) geeignet. Die kommerziell eingesetzte Feinheit der Merinofaser kann bis zu 16,5µ (super fine merino wool) betragen, was zu einer extrem feinen und hochwertigen Ware führt.[4]

Für technische Anwendungen eignet sich die Schafwolle als antistatisches und schwer entflammbares Material, z. B. in den Sitzen von Autos und Flugzeugen. Als Dämmmaterial wird sie wegen ihrer schadstoffabsorbierenden Eigenschaften eingesetzt.

Qualitätsbegriffe

Die Bezeichnung Schurwolle oder Reine Schurwolle besagt, dass es sich um neue, unmittelbar von einem lebenden Tier stammende Wolle, und nicht um ein wieder verwendetes, also aus Alttextilien hergestelltes Recyclingprodukt wie Reißwolle oder um die aus den Fellen geschlachteter (Schwöde-, Schwitz- oder Gerberwolle) oder verendeter (Sterblingswolle) Tiere gewonnene Wolle handelt.

Kennzeichnung nach dem Textilkennzeichnungsgesetz:

  • WO = Wolle
  • WV = Reine Schurwolle

Das Internationale Woll-Sekretariat (IWS) hat zur Kennzeichnung von Qualitätserzeugnissen aus reiner Schurwolle das Wollsiegel eingeführt.

"Super 150": 150 Meter des für diesen Schurwollstoff verwendeten Garns wiegen 1 Gramm

Beim Spinnen mittels hochpräziser elektronisch gesteuerter Spinnmaschinen wird die zu spinnende Wolle in einen langen Faden gesponnen.

Strickwolle bzw. Handstrickgarn besteht heute meist aus einem Gemisch von Wolle und Kunstfasern.

Kurkwolle stammt von der ersten Schur eines Schafes im Alter von circa sechs Monaten. Das Wort Kurkwolle kommt vom persischen Wort für Flaum oder weiche Wolle. Die Wolle ist weniger als 50 mm lang, weich, elastisch und glatt und wird für hochwertige Textilien oder Teppiche verwendet.

Spezielle Stoffe

Aus grobem Wollgewebe (Loden) wurde jahrhundertelang die Wetterbekleidung der bäuerlichen Bevölkerung Europas hergestellt. Eine genauso lange Tradition hat nachträglich gewalkter Lodenstoff.

Tweed ist ein besonders grober, warmer und dauerhafter Wollstoff. Original Harris Tweed kommt von den Äußeren Hebriden. Bekannte italienische Webereien von hochwertigen Wollstoffen sind u. a. Cerruti, Zegna, Guabello und Loro Piana.

Die Bezeichnungen wie „Super 100“, „Super 120“ etc. findet man auf jedem besseren Anzug aus Schurwolle. Es sollte auf dem Label des jeweiligen Stoffherstellers angebracht sein. Es bezeichnet die Feinheit des versponnenen Wollgarns, z. B. Super 100 bedeutet: 100 Meter des Garns wiegen 1 Gramm. Je höher die Zahl, desto feiner ist das Garn, derzeit (2005) werden bis Super 210 für sehr feine und sehr teure Stoffe verarbeitet. Die Bezeichnung ist aber nicht geschützt, so dass ebenso auf renommierte Stoffhersteller zu achten ist.

Wirtschaftliche Bedeutung

Weltweit werden in fast 100 Ländern rund 2,2 Mio. Tonnen Wolle jährlich produziert, das meiste davon in Australien, gefolgt von China, Neuseeland, Argentinien, Indien, Großbritannien und Nordirland mit mehr als 50.000 Tonnen pro Jahr (FAO 2009). In Deutschland beträgt die Schafwollproduktion rund 8.000 Tonnen. Deutsche Wolle hat auf dem Weltmarkt jedoch einen schweren Stand, gegenüber Neuseeland mit seinen hochweißen, feinen Qualitäten können hiesige Erzeuger preislich und qualitativ nur schlecht konkurrieren.[5] Ein Großteil der Wolle wird in der Bekleidungsindustrie weiter verarbeitet, gröbere Fraktionen werden für Bettwaren, Polsterungen, Teppiche und Düngepellets verwendet.

Einzelnachweise

  1. Almut Bick: Die Steinzeit. Theiss WissenKompakt, Stuttgart 2006. ISBN 3-8062-1996-6
  2. http://www.han-online.de/Harburg-Land/article58392/Wolle-als-Duengepellet.html
  3. Eberle u.A.: Fachwissen Bekleidung. 9. Auflage. Europa, Haan 2007, ISBN 978-3-8085-6209-3. S. 18 f.
  4. H.E. Schiecke: Wolle als textiler Rohstoff. 2. Auflage. Schiele & Schön, Berlin 1987, ISBN 3-7949-0446-x. S. 18 ff.
  5. Deutschlands größter Verarbeiter stellt Wollkämmerei ein. Rückschlag für Verarbeitung – Einblick in den Markt für Schafschurwolle. nova-Institut für politische und ökologische Innovation GmbH, 14. August 2009, abgerufen am 31. Oktober 2010: „Nachrichten-Portal für Nachwachsende Rohstoffe hat im Frühsommer 2010 seine Pforten geschlossen und startet nun ab Dezember 2010 neu als „Fachportal für Industrielle Biotechnologie und Biowerkstoffe“. Es richtet sich damit gezielt an ein enges Fachpublikum und kann für 1000 €/Jahr zzgl. 19 % MWSt abonniert werden“

Literatur

  • Hannelore Eberle, Hermann Hermeling, Marianne Hornberger: Fachwissen Bekleidung. 9 Auflage. Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten 2007, ISBN 978-3-8085-6209-3.
  • Anny Kastner: Faser- und Gewebekunde. 15 Auflage. Handwerk und Technik / Büchner, Hamburg 2008, ISBN 978-3-582-04243-9.
  • Ursula Völker, Katrin Brückner (Hrsg.): Von der Faser zum Stoff. Textile Werkstoff- und Warenkunde. 34 Auflage. Handwerk und Technik / Büchner, Hamburg 2009, ISBN 978-3-582-05112-7.

Weblinks

 Commons: Wool – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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