Benedetto Caetani

Benedetto Caetani
Papst Bonifatius VIII. auf einem Fresko von Giotto di Bondone (1298–1300) im Lateran

Bonifatius VIII. (* um 1235 in Anagni; † 11. Oktober 1303 in Rom; eigentlich Benedetto Caetani) war Papst von 1294 bis 1303. Er war ein brillanter Kirchenpolitiker, stand aber bald im Gegensatz zu Frankreichs König, der 1303 ein (erfolgloses) Attentat auf ihn verüben ließ, das keinen weiteren Einfluss auf sein Leben haben sollte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bonifatius, Grabstatue von Arnolfo di Cambio, heute im Museo dell'Opera del Duomo in Florenz. Sie dürfte die erste Statue eines Papstes mit porträthaften Zügen sein. Zwar alterslos, zeigt die Figur den Papst um die 30 - in Jesu Alter beim Kreuzestod.

Bonifatius wurde um 1235 in Anagni (Latium) geboren, 60 km südöstlich von Rom. 1281 wurde er Kardinaldiakon mit der Titelkirche S. Nicola und 1294 maßgeblicher Berater des nach langem Konklave gewählten Mönch-Papstes Coelestin V. Dieser stand zwar im Ruf der Heiligkeit, sah sich aber im Spannungsfeld einflussreicher Adelsfamilien bald überfordert und geriet unter Druck von Karl II. (Neapel). Der Kardinal riet ihm daher - trotz des Widerstands des Kirchenvolkes - zur baldigen Abdankung, die Coelestin durch eine eigens erlassene Konstitution noch regelte. Caetani galt als sein logischer Nachfolger, und das Konklave wählte ihn nach kurzer Beratung am 24. Dezember 1294 ins Amt. Bis zum Tod 1296 des Vorgängers ließ er Coelestin jedoch aus Angst vor einem Schisma in Gewahrsam halten.

Ein starker Papst

Caetani war wegen seiner überragenden Fähigkeiten, seiner Intelligenz und auch seines Hochmuts gefürchtet. Er war ein versierter Jurist – wie seine Veröffentlichung des Liber Sextus (1298) zeigt. Er gründete in Rom die Universität La Sapienza. Wissenschaft ohne Grenzen schätzt er allerdings nicht: die Anatomie des menschlichen Körpers erklärt er 1300 zum Frevel.

Bonifatius erklärte, erstmals in der Kirchengeschichte, das Jahr 1300 zum Heiligen Jahr (vlg. Jubeljahr), in dem er Pilgern einen Ablass versprach. Es wurde damit auch ein Ablassjahr zur Nachfinanzierung der Kreuzzüge. Zwei Millionen Menschen kamen nach Rom, so dass sich der Papst gezwungen sah, eine Regelung für die Nutzung der Engelsbrücke vorzugeben: Die Pilger hatten sozusagen Linksverkehr einzuhalten.

Unter dem Einfluss des Bonifatius und der Inquisition hatten damals besonders die Juden zu leiden. Weil er die Verfolgungen seiner wehrlosen Gemeinde beenden wollte, nahm der Rabbiner Elia de Pomis selbstlos alle, auch unhaltbare Beschuldigungen gegen die Gemeinde auf sich und ließ sich verbrennen. Er war das erste Opfer dieser Art in Italien.

Mit Philipp IV. (Frankreich) verbündete sich Bonifatius zunächst, geriet aber bald mit ihm in Streit, als Philipp wegen seines großen Finanzbedarfs den Zehnt beanspruchte und 1296 den französischen Klerus besteuern wollte [1]. Der Papst erließ daraufhin das Dekret "Clericis laicos", das für solche Fälle die Zustimmung des Papstes zur Bedingung machte. Diese und andere Bullen brachte der König aber verfälscht in Umlauf und hetzte das Volk gegen den Papst auf.

Papsttum versus Königtum

Die wohl bekannteste Bulle Unam Sanctam vom 18. November 1302 könnte auf die am 30. Oktober begonnenen Synode in Rom zurückgehen. Sie sollte den unbedingten Vorrang der kirchlichen vor der weltlichen Macht festlegen, denn es gebe lt. Lukas-Evangelium 22,38 zwei Schwerter, von denen das geistliche von der Kirche, das weltliche für die Kirche gebraucht werde (Zwei-Schwerter-Theorie). Der Schluss-Satz der Bulle beansprucht, nach dem Selbstverständnis des Katholizismus bis heute (geistlich verstanden) die Unfehlbarkeit.

Buchstäblich (und politisch) verstanden konnten die Ansprüche des Papsttums nie durchgesetzt werden. Der Konflikt um das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht fand im Anspruch von Unam Sanctam einen neuen Höhepunkt, durchzog aber schon seit Papst Gregor VII. die gesamte abendländische Geschichte. Er dauerte an, bis es im 19. Jahrhundert auf politischer Seite allmählich zur Durchsetzung demokratischer Ideen und im kirchlichen Bereich zu einer Besinnung auf den spirituellen Auftrag kam.

Das Grabmal von Bonifatius von Arnolfo di Cambio gestaltet. Es befindet sich heute in den vatikanischen Grotten

Im Sommer hielt sich Bonifatius immer in seiner Sommerresidenz in Anagni auf. Dort wurde am 7. September 1303 ein Attentat auf ihn verübt, als dessen Auftraggeber Philipp IV gilt (siehe Attentat von Anagni). Der König ließ durch Sciarra Colonna aus einer mit dem Papst verfeindeten italienischen Adelsfamilie und Wilhelm von Nogaret, dessen Eltern der Inquisition zum Opfer gefallen waren, mehrere Kardinalspaläste unter päpstlichem Banner mit dem Ruf „Es lebe der König von Frankreich und Colonna“ stürmen. Der Papst wollte allerdings nicht abdanken. Nach zwei Tagen, am 9. September, gelang ihm mit Hilfe der Bürger von Anagni in blutigen Gefechten die Vertreibung der Eindringlinge.

Er segnete seine Befreier und ging zurück nach Rom, wo er am 25. September eintraf, aber nur noch einen Monat lebte. Er starb am 11. Oktober 1303 (immer noch schockiert über das Attentat von Anagni) und wurde in seiner pompösen Kapelle in Alt-St. Peter beigesetzt.

Sein Nachfolger wurde 1304 Papst Clemens V., vorher Erzbischof von Bordeaux und dem König ergeben. Er siedelte 1309 nach Avignon über, womit die Periode päpstlicher Hegemonie im Mittelalter zu Ende ging.

Prozess gegen das Andenken des Papstes

Schon kurz nach Bonifaz' Amtsantritt kursierten Gerüchte über ketzerische Äußerungen. Sein Interesse für Naturwissenschaften (wozu im ausgehenden dreizehnten Jahrhundert auch Magie und Alchemie zu zählen sind) sorgte für die üblichen Verdächtigungen. Nach seinem Tod setzte König Philipp IV. von Frankreich – der auch den Templerprozess inszenieren ließ – im Jahr 1310 durch, dass ein Prozess gegen das Andenken Bonifatius VIII. geführt wurde. Philipps Motiv dafür war persönlicher Hass auf seinen früheren Feind, doch sind die zahlreichen gesammelten Zeugenaussagen über Bonifatius zum Teil glaubwürdig, wenn auch der größere Teil nachweislich falsch ist (u.a. der Teufelspakt, sexuelle Übergriffe u. ä.) und die Übereinstimmung der verschiedenen Berichte offenbar auf Absprachen beruht. Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass er sich tatsächlich mit manchmal nihilistisch-hedonistischen, manchmal auch mit kritisch-freigeistigen Äußerungen hervorgetan hat, wie sie ähnlich auch von anderen Personen dieser Zeit überliefert werden. Die durch die Kreuzzüge provozierte Begegnung mit dem Orient brachte die mittelalterliche Harmonie der Weltordnung bereits merklich ins Wanken. Besonders ergiebig war in dieser Hinsicht die Zeugenbefragung von Groseau im August und September 1310. Nicht nur die oben zitierten Aussagen des Papstes sind in den Protokollen dieses Verhörs überliefert, sondern auch weitere Aussprüche wie:

  • „Geschlechtsverkehr und die Befriedigung der Naturtriebe ist so wenig ein Vergehen wie Händewaschen“;
  • „Paradies und Hölle gibt es nur in dieser Welt, nicht im Jenseits; wer gesund, reich und glücklich ist, hat das Paradies auf Erden“;
  • „Alle drei Religionen und besonders das Christentum enthalten neben Wahrem viel Falsches. Die christliche Wahrheit ist, dass ein Gott existiert, dagegen ist die Reihe des Unwahren lang, sie schließt Dreieinigkeit, jungfräuliche Geburt, Menschwerdung Christi, die Verwandlung von Brot und Wein in den Leib Christi und die Auferstehung der Toten mit ein.“

Selbst wenn Bonifaz VIII. so gedacht haben sollte, flossen diese Meinungsäußerungen jedoch zu keinem Zeitpunkt in sein päpstliches Amtsverhalten ein. Trotz dieser Aussagen blieb der Prozess nach neuerlichen Vorladungen von Zeugen 1311 und 1312 ergebnislos.

Von der Wirkungsgeschichte her beurteilt, gehört Bonifaz VIII. neben Gregor VII. und Innozenz III. zu den bedeutendsten Papstgestalten des Mittelalters. Jedoch geriet das Papsttum alsbald in seine bis dahin schwerste Krise, das Papsttum von Avignon, das in das Abendländische Schisma führte.

Weissagung an Kyrill von Konstantinopel

In der Oraculum angelicum S. Cyrilli wird eine Botschaft eines Engels geschildert, die Kyrill von Konstantinopel empfangen haben will. Gegenstand ist die politische Situation in Italien in dem Zeitraum 1254 bis zu Bonifatius VIII.

Literatur

  • Thomas S. R. Boase: Boniface VIII. London 1933.
  • Heinrich Finke: Aus den Tagen Bonifaz VIII. Funde und Forschungen. Münster i.W. 1902. (= Vorreformationsgeschichtliche Forschungen; 2).
  • Karl Wenck: War Bonifaz VIII. ein Ketzer? In: Historische Zeitschrift 94 (1905), S. 1–66.
  • Adro Xavier: Bonifacio VIII. Barcelona 1971.
  • Tilmann Schmidt: Der Bonifaz-Prozess. Verfahren der Papstanklage in der Zeit Bonifaz VIII. und Clemens V. Köln 1990.

Weblinks


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