Zeltevangelisation

Zeltevangelisation
Einladungsplakat einer Zeltmission in Bretten / Württemberg

Zeltmission ist eine Form der Evangelisation. Dabei werden Zelte aufgebaut (meist für ca. eine Woche) und ein christliches Programm für Menschen in der Umgebung angeboten. Die größten Zelte der Zeltmission fassen mehr als 10.000 Menschen und werden u. a. von dem deutsch-südafrikanischen Evangelisten Reinhard Bonnke in Afrika eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Kennzeichen und Anliegen der Zeltmission

Die Zeltkirche ist der Versuch, kirchen- und glaubensdistanzierte Menschen an einem neutralen Ort für den christlichen Glauben zu interessieren. Charakteristisch für die Zeltmission ist eine volkstümliche Verkündigungsweise und aufgelockerte Programmgestaltung.

Die Zeltmission will allerdings nicht nur über Jesus Christus informieren, sondern auch zum Glauben einladen. Bei den meisten Zeltmissionen erfolgt im Anschluss an die Zeltpredigt ein Aufruf zur Entscheidung, auf den der Hörer auf unterschiedliche Weise reagieren kann.

Aufgrund ihrer Mobilität kann die Zeltmission außerdem flexibel auf die Bedürfnisse der missionierenden Gemeinden und Gemeinschaften eingehen[1]

Geschichte

Die Zeltmission hat ihren Ursprung in der Erweckungsbewegung. Als eigentlicher Begründer der kontinentaleuropäischen Zeltmission gilt Jakob Vetter. Er war innerlich beeindruckt von der sozialen und geistlichen Not des Industrieproletariats des 19. Jahrhunderts. Besonders bewegt war er von der großen Distanz, die durch die Verbürgerlichung der Kirchen in breiten Schichten der Bevölkerung zu den kirchlichen Angeboten erwachsen war. Vetter sah die tiefere Ursache dieser Entwicklung im theologischen Liberalismus und Rationalismus der Kirchen. Es stellte sich ihm in diesem Zusammenhang vor allem die Frage, wie denn das „einfache Volk” mit dem Evangelium erreicht werden kann. In seinen Lebenserinnerungen berichtet Vetter von einer Vision 1895, die ihm Antwort auf seine Fragen gab. Er sah ein „großes Zelt” und hörte dabei die Stimme Gottes: „Das ist der Ort, an dem du die Massen des Volkes unterbringen wirst.” In dieser Vison sah Vetter nach eigenen Aussagen auch die gesamte Konstruktion sowie auch die Inneneinrichtung des Zeltes: „So wurde die Zeltmission von dem liebevollen Herrn geschenkt.” Von ihm stammt die Aussage: "Wenn die Leute nicht mehr in die Kirche gehen, dann muss die Kirche zu den Menschen gehen!"

Die „Deutsche Zeltmission”

Tersteegensruh auf einer Postkarte (um 1910)

1902 gründete Jakob Vetter die Deutsche Zeltmission, die noch heute besteht und seit 1904 ihren Sitz in Geisweid bei Siegen hat. Die erste deutsche Zeltmission fand am 27. April 1902 auf der Anhöhe Tersteegensruh − benannt nach Gerhard Tersteegen − bei Mülheim an der Ruhr statt. Bereits 1905 erfolgte die Anschaffung eines zweiten Zeltes. Es war größer als das erste und konnte bis zu 3.000 Menschen fassen. Bereits 1907 betrieb die Deutsche Zeltmission 5 Zeltkirchen, die deutschlandweit, aber auch in den Niederlanden und in der Schweiz zum Einsatz kamen.

Der Erste Weltkrieg unterbrach diese Entwicklung. Erst in den 1920er Jahren wurde sie unter der Leitung des ostpreußischen Evangelisten Ernst Krupka wieder aufgenommen. 3.000 bis 4.000 Besucher pro Zeltabend waren in diesen Jahren keine Seltenheit. Der Sturz des Kaiserreichs, die große Inflation sowie die ideologischen und politischen Auseinandersetzungen jener Jahre ließ viele Menschen nach einer grundlegenden Neuorientierung suchen. Davon profitierte die Zeltmission; sie wurde allerdings von Gruppen unterschiedlicher Couleur auch angefeindet. Massive Störungen und gewalttätige Angriffe waren bei Veranstaltungen der Zeltmission in diesen Jahren an der Tagesordnung.

Der nationalsozialistische Polizeistaat installierte zwar zunächst eine äußere Ordnung, blockierte die zeltmissionarische Arbeit dann aber durch Bespitzelung, Überwachung und eine Fülle von Auflagen.

Der Zweite Weltkrieg brachte die Zeltarbeit zum völligen Erliegen. Sie wurde aber in Westdeutschland – zum Teil mit ausländischer Hilfe – ab 1947 wieder aufgebaut.

Heute ist die Deutsche Zeltmission ein moderner Dienstleister für christliche Gemeinden. Mit zwei Zeltpavillons, dem dzm-Jubiläumszelt und einer großen Festzelthalle, einem umfangreichen und modularen Konzept für evangelistische Veranstaltungen und einem kompetenten Mitarbeiterstamm stellt die Deutsche Zeltmission diesen Gemeinden alle Möglichkeiten zur evangelistischen Arbeit kostenlos zur Verfügung. Das Missionswerk trägt sich auch heute noch allein durch Spenden. Außerdem wurden Konzepte für Veranstaltungen ohne Zelt mit ins Programm aufgenommen.

Zeltmission der Baptisten

Noch 1934 begannen die deutschen Baptisten mit dem Aufbau einer eigenen Zeltmission, die sich hier aus der sogenannten Wagenmission entwickelt hat. Die Wagenmission, bei der zunächst ein Pferdefuhrwerk mit einem ausgebauten Wohn- und Materialwagen zum Einsatz kam, war ursprünglich ein Zweig der baptistischen Jugendarbeit. Auch die aufkeimende Zeltmission war bei den Baptisten zunächst im Jugendsektor ihrer Missionsarbeit angesiedelt. Am 10. Mai 1934, dem Himmelfahrtstag wurde das erste Missionszelt der Baptisten in Goslar eingeweiht. Als erster Zeltevangelist wirkte Franz Lüllau.

Zeltmission heute

Rund 50 Zelte, von denen die meisten zwischen 300 und 1.000 Besucher fassen, sind heute in Deutschland für die Zeltmission der verschiedenen evangelischen Kirchen, Freikirchen und Gemeinschaften unterwegs. Träger der Zeltmission sind neben der schon erwähnten „Deutschen Zeltmission” die Evangelisch-methodistische Kirche, der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden), der Bund Freier evangelischer Gemeinden, der Jugendverband Entschieden für Christus (EC), die Berliner Stadtmission und das Missionswerk Neues Leben. Daneben gibt es noch kleinere Zeltmissionen wie die Neulandmission Plettenberg, die der Brüderbewegung nahe steht sowie die von Claas Aeilts gegründete Ostfriesische Zeltmission, die sich dem Ostfriesischen Gemeinschaftsverband verbunden weiß.

Insgesamt ist innerhalb Deutschlands eine Abnahme der zeltmissionarischen Einsätze zu verzeichnen. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Die Gründe werden zum einen darin gesehen, dass viele Gemeinden die Evangelisationsarbeit in den Gemeindealltag integriert haben und lieber regelmäßige Gästegottesdienste und evangelistische Glaubensgrundkurse veranstalten, als eine Zeltmission zu organisieren. Zum anderen scheinen neue evangelistische Großveranstaltungen wie zum Beispiel ProChrist und JesusHouse jenen Platz eingenommen, der früher von der Zeltmission eingenommen wurde. Allerdings ist auch festzustellen, dass generell die missionarische Motivation der traditionellen Gemeinden in Deutschland stark abgenommen hat. Das schränkt zum einen auch Zeltmission ein, öffnet aber ebenso neue Türen für missionarische Zeltevangelisationen mit neuen Gemeindeformen und -konzepten. Einige der Zeltmissionen in Deutschland haben diesen neuen Weg erkannt und sind wieder stärker nachgefragt.

In der sogenannten Neulandmission, die in Gebieten mit einem hohen Anteil kirchendistanzierter Bevölkerung durchgeführt wird, sowie beim Aufbau neuer Gemeinden ist die Zeltmission nach wie vor ein wichtiges Werkzeug.

Zu den neueren Zeltevangelisten gehören auch Nichttheologen – so zum Beispiel der Physiker Werner Gitt.

Zeltevangelisten

Quellen

  1. 75 Jahre Zeltmission.

Literatur

  • Peter Scharpff: Geschichte der Evangelisation. 1964
  • Jakob Vetter, Gottes Fußspuren in der Zeltmission. 1907
  • Ludwig Henrichs: Etliche zu Evangelisten. 1922
  • Franz Lüllau: Wir bleiben Missionare. Ein Sommer Volksmission im neuen Deutschland in Wort und Bild. Kassel 1934
  • Otto Riecker: Das evangelistische Wort. 2. Auflage, 1953
  • H. Brandenburg: Artikel Zeltmission, in: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG), Tübingen 1962, VI. Band, Sp. 1894
  • Wolfgang Putschky: Seine Gnade reicht aus

Siehe auch


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