Zensur in der DDR

Zensur in der DDR

Als Zensur in der DDR und zuvor in der Sowjetischen Besatzungszone wird eine Vielzahl von Zensurmaßnahmen bezeichnet, deren Ziel es war, freie Information der Bevölkerung zu unterbinden, Oppositionsarbeit und eine freie öffentliche Auseinandersetzung unmöglich zu machen und dazu beizutragen, einen „neuen Menschen“ zu schaffen. Mit der Wende wurde die Zensur abgeschafft.

Inhaltsverzeichnis

Sowjetische Besatzungszone

In der Sowjetischen Besatzungszone übte von 1945 bis zur Gründung der DDR im Oktober 1949 die Sowjetische Militäradministration (SMAD) die Zensur aus. In den örtlichen Kommandanturen waren dafür Presseoffiziere, meist im Hauptmanns- oder Majorsrang mit in der Regel sehr guten Deutschkenntnissen, eingesetzt. Während die Zeitungen der Sozialistischen Einheitspartei (SED) sich mit Selbstzensur an die vorgegebenen Sprachregelungen für die Berichterstattung („Parteilinie“) hielten, unterlagen die Blätter der so genannten Blockparteien CDU, LDPD und NDPD der Vorzensur. In der Praxis musste ein dafür bestimmter Redakteur vor Beginn des Druckprozesses die Seitenabzüge der nächsten Ausgabe in der Kommandantur vorlegen und sich das Imprimatur erteilen lassen.

Organisatorisch bestand die „Verwaltung für Propaganda und Zensur“ (russisch управление пропаганды, uprawlenije propagandy), später „Verwaltung für Information“ (управление информации, uprawlenije informazii) als Teil der SMAD. Leiter dieser Verwaltung war 1945 bis September 1949 Generalmajor Sergei Iwanowitsch Tjulpanow.[1] Vergleichbare Abteilungen wurden auch bei den Landesverwaltungen des SMAD eingerichtet.

Mit der Gründung der DDR 1949 war die „Gleichschaltung“ der Presse und die Verstaatlichung der Medien und Druckereien soweit abgeschlossen, dass die Vorzensur abgeschafft und durch subtilere Formen der Zensur abgelöst wurde.

Steuerung der Inhalte der Medien

Gegenstände und Schwerpunkte der Berichterstattung der Medien wurden zentral vorgegeben. Diese zentrale Vorgabe erfolgte durch das Politbüro des Zentralkomitees (ZK). Dem ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda war unter anderem die Abteilung Agitation unterstellt, die für die Organisation und Lenkung der Massenmedien verantwortlich war. Instrumente der Steuerung waren tägliche Konferenzen in Berlin, Konferenzschaltungen zu den übrigen SED-Zeitungen und Presseanweisungen. Ein weiteres Instrument waren die „Anleitungen“ des Presseamtes der DDR-Regierung.

Auf lokaler Ebene erfolgte dieser Prozess über die staatlichen „Ämter für Information“, die ebenfalls „Anleitungen“ gemäß der Ost-Berliner Vorgaben erließen. Auch über die Parteizentralen wurde eine indirekte Zensur durch die Vorgabe von den Redaktionen täglich über Fernschreiber zugestellten Pflichtthemen, Kommentarargumenten, Schlagzeilenformulierungen und „Sollplänen“ ausgeübt. Unter Redakteuren der Provinzzeitungen herrschte deshalb das geflügelte Wort: „Meine Meinung kommt um zwei Uhr aus Berlin!“

Zensur der Literatur

Die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel (HV) im Ministerium für Kultur war ab 1956 in Nachfolge des „Amtes für Literatur und Verlagswesen“ Träger des Druckgenehmigungsverfahren, des zentralen Verfahrens zur Zensur von Literatur in der DDR. Aufgrund der Verordnung über die Entwicklung fortschrittlicher Literatur war es die Aufgabe, den Druck von Büchern durch die Zuweisung von Papier zu gestatten oder zu untersagen.[2]

Die HV hatte ein vollständiges Monopol über alle 78 Verlage der DDR. Neben der Zuweisung von Papier und Druckkapazitäten konnte die HV damit direkt auf Verlagsleiter und Lektoren zugreifen.[3]

Auch war nicht zulässig, dass Schriftsteller der DDR zur Umgehung der Zensur ihre Werke im westlichen Ausland veröffentlichten. Dies war seit 1966 nur mit Genehmigung des Büros für Urheberrechte erlaubt. Eine Erteilung konnte verweigert oder mit Auflagen versehen werden.[4]

Zensur von Zeitungen und Zeitschriften

Die Herausgabe von Periodika unterlag als Lizenzzeitung der Lizenzierung. In der SBZ wurden bis auf wenige überparteiliche Zeitungen (z. B. die Abendpost in Erfurt oder die Tagespost in Potsdam) nur parteinahe Zeitungen zugelassen. Mit der Gleichschaltung der Parteien zu Blockparteien erlangte die SED die vollständige Kontrolle. Mit der Einstellung der letzten überparteilichen Zeitungen Anfang der 1950er Jahre waren alle Tageszeitungen der DDR von Blockparteien und Massenorganisationen kontrolliert.

Der Postzeitungsvertrieb der DDR verfügte über ein Monopol des Verkaufs und der Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften. Der Postzeitungsvertrieb führte eine Liste der zu vertreibenden Zeitungen und Zeitschriften. Eine Nichtaufnahme oder Streichung von dieser Liste war faktisch einem Verbot gleichzusetzen. Im November 1988 wurde z. B. die sowjetische Zeitschrift „Sputnik“ wegen mehrerer kritischer Artikel für ein Jahr von der Liste gestrichen.

Das Zentralkomitee (die sogenannte „Auslese-Gruppe“ der Abteilung Agitation und Propaganda beim ZK der SED) und das Presseamt verfügten über Auswertungsabteilungen, die alle Veröffentlichungen ausgewertet wurden. Diese Auswertungen waren die Basis für die Entscheidungen über Sanktionen gegen Medien oder Journalisten.[5]

Filmzensur

Hauptartikel: Filmzensur in der DDR

Elektronische Medien

Die nach dem Krieg unter Kontrolle der sowjetischen Militärregierung gegründeten regionalen Hörfunksender (z. B. der Berliner Rundfunk, der Mitteldeutsche Rundfunk und die Landessender Dresden, Schwerin, Halle, Erfurt und Potsdam) standen unter Kontrolle des Berliner Rundfunks, der wiederum von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) gesteuert wurde.

Am 12. Oktober 1949 übernahm die Regierung der DDR die Kontrolle des Hörfunks. 1982 wurden die Sender zentralisiert. Die Abteilung Agitation und Propaganda des Zentralkomitees der SED verfügte über die zentrale Sendeanstalt und hatte so das Monopol der Hörfunkübertragung. Am 4. September 1968 wurden Hörfunk und Fernsehen getrennt, beide Medien erhielten eigene Komitees beim Ministerrat, das Staatliche Komitee für Rundfunk beim Ministerrat der DDR, wie auch das Staatliche Komitee für Fernsehen blieben aber nach wie vor unter Kontrolle und Weisung der SED.[6]

Die Zensur der elektronischen Medien musste solange wirkungslos bleiben, solange die Menschen in der DDR in der Lage waren, die Radio- und Fernsehprogramme aus dem Westen zu empfangen. Noch bevor das Westfernsehen eine wichtige Rolle bei der Information der Bevölkerung erhalten hatte, waren es Radiosender wie der RIAS, die das Informationsmonopol der DDR-Führung brachen. Es wurde versucht, den Empfang mit Störsendern zu verhindern. Gestört wurde allerdings nur der Mittelwellenempfang. Westdeutsche UKW-Hörfunk- und Fernsehprogramme wurden technisch nicht gestört, ein Empfang war in weiten Teilen der DDR problemlos möglich und bei der Bevölkerung auch üblich.

Die Nutzung der Westsender wurde teilweise unter Strafe gestellt. Demgegenüber gab es in den 1980er Jahren staatlich jedenfalls geduldete Initiativen zum Bau von Kabelnetzen, die überwiegend für einen besseren Empfang westdeutscher Programme errichtet wurden.

Durch die weite Verfügbarkeit und breite Nutzung westlicher Rundfunk- und Fernsehprogramme gelang es der DDR-Führung nie, den unzensierten Informationsfluss zu verhindern (wenn man vom „Tal der Ahnungslosen“ absieht).

Rechtliche Grundlagen

Verfassungsrecht

Die Verfassung der DDR von 1949 verbot die Zensur formal. Artikel 9, Abs.2: „Eine Pressezensur findet nicht statt“.[7] Jedoch fand diese Verfassungsbestimmung keinerlei Anwendung.

In der Verfassung des Jahres 1968 kommt der Begriff Zensur nicht mehr vor.[8] Artikel 27 der Verfassung der DDR garantierte zwar jedem Bürger das Recht, seine Meinung frei zu äußern sowie die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens. Aber auch hier hatte die Verfassungsregelung keinerlei praktische Auswirkungen.

Strafrecht

Das Strafgesetzbuch der DDR stellte eine Reihe von Rechtsnormen zur Verfügung, die zur Durchsetzung der Zensur Anwendung fanden:

  • Der „Gummiparagraph“ 106 stellte „staatsfeindliche Hetze“ und den „Missbrauch der Medien für die bürgerliche Ideologie“ unter Strafe.
  • Mit dem § 219 „Ungesetzliche Verbindungsaufnahme“ konnte Besitz und Weitergabe westlicher Zeitungen und Zeitschriften bestraft werden.
  • § 220 „Staatsverleumdung“ schützte staatliche Organe und ihre Mitarbeiter nicht nur vor Verleumdung, sondern auch vor „Verächtlichmachung“.
  • §§ 245, 246 „Geheimnisverrat“ wurde genutzt, um die Weitergabe von Informationen über die Situation in der DDR an westliche Medien zu bestrafen.

Urheberrecht

Um zu verhindern, dass Schriftsteller der DDR zur Umgehung der Zensur ihre Werke im westlichen Ausland veröffentlichen, regelte die „Anordnung über die Wahrung der Urheberrechte durch das Büro für Urheberrechte“,[9] dass dies nur mit Genehmigung des Büros für Urheberrechte erlaubt sei.

Umgehungsversuche

Die Zensur führte zu Versuchen, eine (illegale) Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Neben einigen kleineren kirchlichen Blättern sind hier insbesondere die Samisdat zu nennen. Eine mehr als lokale Wirkung konnten diese Blätter jedoch nicht erreichen.

Siehe auch

Literatur

  • Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis: „Jedes Buch ein Abenteuer!“ Zensursystem und literarische Öffentlichkeiten in der DDR bis Ende der sechziger Jahre; Berlin: Akademie-Verlag, 1997; ISBN 3-05-003118-2
  • Falco Werkentin: Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht; Berlin: Links, 1995; ISBN 3-86153-069-4
  • Siegfried Bräuer, Clemens Vollnhals (Hrsg.): In der DDR gibt es keine Zensur. Die Evangelische Verlagsanstalt und die Praxis der Druckgenehmigung. 1954–1989 Inhaltsübersicht, Leipzig 1995, ISBN 3-374-01583-2.

Einzelnachweise

  1. Martin Broszat, Gerhard Braas, Hermann Weber: SBZ-Handbuch; München: Oldenbourg, 1993²; ISBN 3-486-55262-7; S. 53–54
  2. Verordnung über die Entwicklung fortschrittlicher Literatur vom 16. August 1951; GBl. Nr. 100, 27. August 1951, S. 785.
  3. Nils Kahlefendt: Abschied vom Leseland? Die ostdeutsche Buchhandels- und Verlagslandschaft zwischen Ab- und Aufbruch. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 13/2000)
  4. Marcel Reich-Ranicki: Nur noch mit Genehmigung. Ein neuer Schlag gegen die Schriftsteller in der DDR. In: Die Zeit, Nr. 13/1966
  5. Günter Höhne: Prenzlauer Berg und Jammertal. Ab heute in der KulturBrauerei: Zeitzeugnisse der 80er Jahre über einen verhinderten Dialog zur Stadterneuerung. Zuerst erschienen als Rezension in: Der Tagesspiegel, 1996
  6. Mitteldeutscher Rundfunk: Lexikon: Rundfunk der DDR
  7. Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 auf verfassungen.de
  8. Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968 auf dokumentenarchiv.de
  9. Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil II, Nr. 21

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