Zentralgericht des Heeres

Zentralgericht des Heeres

Das Zentralgericht des Heeres, Berlin, war ein lediglich von 11. April bis zum 20. September 1944 bestehendes Sondergericht innerhalb der Militärjustiz des Deutschen Reichs. Es wurde während des Prozesses gegen Matthias Lackas, Karl Heinz Moldt und Eberhard Ritter von Riewel aus dem tagenden Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin gebildet und gab seine Kompetenzen am 20. September an den Volksgerichtshof Roland Freislers ab. Eines der letzten Verfahren, das vor ihm stattfand, war das gegen den Wehrmachtsangehörigen, Autor und Kabarettisten Wolfgang Borchert.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vom 14. März bis zum 22. April 1944 fand vor dem Feld-Kriegsgericht der Wehrmachtskommandantur Berlin der Prozess gegen die Verlagsbuchhändler Matthias Lackas, Karl Heinz Moldt und Eberhard Ritter von Riewel statt, die Wehrmachtstellen bestochen, gegen mehrere Paragraphen der Kriegswirtschaftsverordnung verstoßen und sich zudem, so die Anklage, der Wehrkraftzersetzung schuldig gemacht hatten.

Die Gründung des Gerichts erfolgte am 11. April per sofort gültigem Erlass [1]. Seine Arbeit nahm das Gericht am anderen Tage mit der Fortführung des Prozesses gegen Lackas und die Mitangeklagten auf. Die personelle Besetzung blieb die des Gerichts der Wehrmachtskommandantur, das den Prozess begonnen hatte. Mit dem „Zentralgericht“ war, sieht man auf die ihm zugewiesenen Kompetenzen, so viel wie ein Sondergericht innerhalb der Wehrmachtsgerichtsbarkeit geschaffen. Es sollte für „politische Strafsachen“, „Strafsachen wegen widernatürlicher Unzucht“, „Korruptionsfälle von besonderer Bedeutung“, „Fahndungssachen“, „durch sonstige besondere Anordnungen zugewiesene Sachen“ und die Entscheidung über Wiederaufnahmeverfahren zuständig sein.

Der spezielle Geschäftseinstieg war kein Zufall: Der Prozess gegen Matthias Lackas führte, wie mit den letzten Prozesstagen absehbar wurde, zu Folgeprozessen innerhalb der Wehrmacht. Für den 12. April 1944, war mit Hans Paul Graf von Monts ein Zeuge von bedeutenden Beziehungen zum Propagandaministerium vorgeladen. Die laufenden Korruptionsermittlungen wurden auf den Zeugen ausgeweitet, das Verfahren drohte nun Regierungsstellen miteinzubeziehen.

An der Aufwertung des tagenden Gerichts und einem als Selbstreinigung der Wehrmacht bewertbaren Verfahren bestand höchstes Interesse nicht zuletzt innerhalb der Militärjustiz gegenüber Hitler, dem „Oberbefehlshaber der Wehrmacht“. Auf keinen Fall durfte der Eindruck aufkommen, die gegenwärtige militärischen Misserfolge hätten mit Auflösungserscheinungen innerhalb der Armee zu tun.

Hitler bekräftigte die gefällten Strukturierungsmaßnahmen am 12. Juni 1944 per Führererlass mit dem Auftrag an Generalfeldmarschall Keitel, „[u]m eine wirksame Bekämpfung der Korruption sicherzustellen [...] mit größter Schnelligkeit rücksichtsloser Härte und ohne Ansehen der Person“ durchzugreifen. Jederzeit sollte Keitel bestimmen dürfen, vor welchem Gericht verhandelt würde. Keitel legte noch an Ort und Stelle in den näheren Ausführungsanordnungen fest, dass alle komplexeren Fälle vor dem Zentralgericht des Heeres verhandelt werden sollten. Der enge zeitliche Zusammenhang der Entscheidungen offenbart, dass Keitel zuvor Hitler die Ergebnisse der Arbeit des Zentralgerichts und damit das Verfahren gegen Matthias Lackas und sein Umfeld präsentiert hatte, und dass Hitler Zufriedenheit über die getane Arbeit und die von diesem Gericht gefällten Urteile gezeigt hatte. [2]

Noch am 2. und am 6. September bestätigten Ausführungen, die per Verteiler durch die Wehrmacht gingen, dass der Kampf gegen die Korruption fortgesetzt würde. Ausführlich wurde resümiert, wogegen sich dieser Kampf insbesondere richten würde.[3]

Das Zentralgericht blieb bis in seine letzten Tage hinein tätig. Gegen Wolfgang Borchert wurde vor ihm noch im September verhandelt. Per Führererlass übernahmen jedoch mit dem 20. September 1944 der Volksgerichtshof und die Sondergerichtsbarkeit die wichtigsten Kompetenzen des Zentralgerichts. Vor Freislers Volksgerichtshof standen seit dem August bereits jene Angeklagten aus dem Umkreis des 20. Juli, die nicht sofort nach dem Attentat auf Hitler hingerichtet worden waren. Die Übertragung der Befugnisse auf die zivile Gerichtsbarkeit reflektiert die Hektik, mit in den letzten Kriegsmonaten sämtliche das Heer betreffenden Fragen gehandhabt wurden.

Literatur

  • Rudolf Absolon: Das Wehrmachtsstrafrecht im 2. Weltkrieg. Kornelimünster 1958.
  • Hans-Eugen Bühler/ Olaf Simons, Die blendenden Geschäfte des Matthias Lackas. Korruptionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs (Köln: Pierre Marteau, 2004). ISBN 3-00-013343-7

Einzelnachweise

  1. Heeresmitteilungen 1944, Nr. 326, wiedergegeben in Absolon (Lit)., S. 226: III.C.93
  2. Hitlers Erlass und Keitels „Ausführungsanordnungen“ zum Führererlass vom 12. Juni 1944 erschienen gemeinsam in Heeresmitteilungen 1944, Nr. 321, wiederabgedruckt in Absolon (Lit.), S. 83, I.E.33.
  3. Vergleiche die Dokumente I.E.34 und I.E.35 in Absolon (Lit.), S. 83-89

Weblinks


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