Ziviler Friedensdienst

Ziviler Friedensdienst

Ziviler Friedensdienst (ZFD) ist eine Sammelbezeichnung für Friedensfachdienste, die in nicht-staatlicher Trägerschaft und Verantwortung durchgeführt, aber staatlich gefördert werden.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Der Begriff tauchte seit den 1970er Jahren im Bereich der kirchlichen Friedensdienste und in ökumenischen Erklärungen auf. Als Alternative zum Wehrdienst und zum Wehrersatzdienst/Zivildienst sollte ein in der Gesellschaft verankerter, gesetzlich abgesicherter, staatlich geförderter und international eingebundener Ziviler Friedensdienst eingerichtet werden. Konzeptionelle Überlegungen wurden 1994/1995 von der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg, vom Bund für Soziale Verteidigung (BSV) veröffentlicht und vom neu gegründeten Forum Ziviler Friedensdienst weiter verfolgt. Daraus entwickelte sich ab 1995 ein anderes, stärker am Modell der Entwicklungsdienste orientiertes Konzept, das nicht mehr an die Wehrpflicht angelehnt ist. Es wendet sich daher auch nicht mehr nur an junge Männer, sondern an berufs- und lebenserfahrene Männer und Frauen mit einem Mindestalter von 27 Jahren.

Politische Realisierung

Mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen fand 1997 in Deutschland der erste Qualifizierungskurs zur Ausbildung von Friedensfachkräften zum Einsatz im Zivilen Friedensdienst statt.

Seit 1999 fördert die Bundesregierung den Zivilen Friedensdienst. Federführend ist dabei das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt.

Die zivilgesellschaftlichen Träger haben sich im Konsortium Ziviler Friedensdienst zusammengeschlossen. Ihm gehören die anerkannten Entwicklungsdienste Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH), Christliche Fachkräfte International (CFI), Deutscher Entwicklungsdienst (DED), EIRENE, Dienste in Übersee / Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) und Weltfriedensdienst (WFD), Forum Ziviler Friedensdienst, außerdem die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) an. Mit Ausnahme des staatlichen DED handelt es sich um zivilgesellschaftliche Organisationen. Die Anerkennung des Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD) als Träger des Entwicklungsdienstes im Jahr 2007 war ein Zeichen des BMZ, dass der Zivile Friedensdienst langfristig ein fester Bestandteil der personellen Entwicklungszusammenarbeit bleiben soll.

Im 2004 durch die Bundesregierung beschlossenen Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ wird der Zivile Friedensdienst als „das wichtigste friedenspolitische Instrument zur Förderung von Friedenspotenzialen in der Zivilgesellschaft“ bezeichnet. Die Bundesregierung bekennt sich in diesem Papier zu einer ressortübergreifenden Verantwortung, zum Vorrang für Prävention in enger Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Trägern sowie zur multilateralen Zusammenarbeit. Mit seinen 161 Einzelpunkten hat dieser Plan weltweit Vorreiter-Funktion.

Im Jahr 2010 wurde der Zivile Friedensdienst mit € 30 Mio aus dem Etat des BMZ gefördert. Zur Projektarbeit in den Krisengebietenwaren ca. 230 Fachkräfte in 40 Ländern mit ihren lokalen Mitarbeitenden im Verbund mit örtlichen Partnerorganisationen tätig.

Einsatzbereiche

Hauptsächliche Zielebene ist die „Graswurzelebene“, also die Basis der Bevölkerung, sowie die mittlere Ebene der zivilgesellschaftlichen Multiplikatoren, d.h. Menschen, die durch ihre berufliche oder gesellschaftliche (oft ehrenamtliche) Tätigkeit wiederum andere Menschen erreichen. In früheren Kriegsgebieten steht neben der Aufarbeitung von Kriegstraumata vor allem die Herausbildung einer demokratisch orientierten Zivilgesellschaft und die Vermittlung gewaltfreier Konfliktlösungsstrategien im Mittelpunkt.

In Projekten des ZFD arbeiten hauptamtliche Friedensfachkräfte. Dies sind lebens- und berufserfahrene Frauen und Männer, die sich freiwillig zu einem solchen Einsatz bereit erklärt haben und über eine entsprechende Qualifikation im Konfliktbearbeitung verfügen. Diese kann beispielsweise vor ihrem Einsatz in einer mehrmonatigen Qualifizierung in Ziviler Konfliktbearbeitung erworben werden. Sie erhalten ein Unterhaltsgeld, Sozialabgaben sowie Versicherungen nach dem Entwicklungshelfergesetz und können ggf. auch ihre Familien mitnehmen.

Ein Spannungsfeld, das sich auch aus der expliziten staatlich-nichtstaatlichen Zusammenarbeit (public-private partnership) ergibt, ist das Verhältnis zum Militär bzw. zur militärgestüzten Politik. Mit der Anerkennung der Erfolge und Möglichkeiten des Zivilen Friedensdienstes durch Militärführung und Außenpolitiker verstärkt sich dieser Konflikt (Stichwort Vereinnahmung und Instrumentalisierung) und findet sich in der Debatte der „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ wieder. Alle zivilgesellschaftlichen Träger des ZFD lehnen eine solche Zusammenarbeit ab, verweigern sich aber nicht dem politischen Dialog auch mit Militärs.

Einsatzfelder werden auch in der eigenen Gesellschaft gesehen („ZFD in Deutschland“), bisher (Stand: 2010) aber noch wenig öffentlich gefördert.

Literatur

Weblinks

siehe auch: Friedenserhaltung, Friedensforschung, Gewaltfreiheit, Konfliktforschung, Konfliktmanagement, Mediation, Österreichischer Friedensdienst, Zivile Konfliktbearbeitung


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