Zweiter Abendmahlsstreit

Zweiter Abendmahlsstreit

Der zweite Abendmahlsstreit wurde zur Zeit der Reformation in Deutschland zwischen Lutheranern und Calvinisten sowie innerhalb der lutherischen Kirchen zwischen Gnesiolutheranern und Philippisten geführt.

Nach dem Abflauen des ersten reformatorischen Abendmahlsstreits zwischen Martin Luther und Ulrich Zwingli sowie ihren Anhängern kam es in der 1550er Jahren zu einem erneuten Ausbrechen des Konflikts. Anlass war 1551 die Veröffentlichung des 1549 zwischen Heinrich Bullinger und Jean Calvin geschlossenen Consensus Tigurinus, mit der Calvin, dessen Abendmahlslehre von den Lutheranern zunächst akzeptiert worden war, sich der zwinglianischen Auffassung angenähert hatte. Der Hamburger Theologe Joachim Westphal veröffentlichte darauf 1552 einen Angriff gegen Calvin. Calvin wehrte sich 1555 mit einer Defensio sanae et orthodoxae doctrinae, worauf er von lutherischer Seite u.a. von Erhard Schnepf, Johannes Brenz und Nikolaus Amsdorf angegriffen wurde. Für Calvins Position traten neben Bullinger u.a. auch Johannes a Lasco und Theodor Beza ein.

Hauptgegenstand der Auseinandersetzungen war wie schon im Streit zwischen Luther und Zwingli die Realpräsenz des Leibes Christi, die vor allem die Gnesiolutheraner bei Calvin nicht ausreichend gesichert sahen. Zu einem Hauptargument wurde die Ubiquitätslehre, durch die man Calvins Argument, Christi Leib könne materialiter nicht auf der Erde sein, begegnen konnte.

Im Zusammenhang mit diesem Streit kam es auch zu Angriffen auf Philipp Melanchthon und seine Anhänger, die "Philippisten", denen man Kryptocalvinismus, d.h. eine Annäherung an das Abendmahlverständnis Calvins vorwarf. Melanchthon selbst versuchte zwar, durch Korrespondenz mit Calvin zu einer Einigung zu kommen, scheute aber vor einer klaren Parteinahme zurück. Einige Philippisten wie Albert Hardenberg in Bremen gingen jedoch in das calvinistische Lager über, ebenso Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz ("der Fromme"), der 1560 den gnesiolutherischen Generalsuperintendenten Tilemann Hesshus entließ und sein Territorium dem Calvinismus zuführte.

Erst mit der Einigung auf die Konkordienformel, die freilich nicht von allen Beteiligten unterzeichnet wurde, kam es 1577 innerhalb des Luthertums zu einem gewissen Ausgleich der Lehrstreitigkeiten.

Literatur

  • Ernst Bizer: Studien zur Geschichte des Abendmahlsstreits im 16. Jahrhundert. 3. unveränderte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1972, ISBN 3-534-05929-8 (Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 46).
  • Wilhelm H. Neuser: Der zweite Abendmahlsstreit. In: Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte 2. Hg. v. Carl Andresen (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2. Aufl. 1998), S. 272-285.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Abendmahlsstreit — Abendmahlsstreit, 1) erster A., zwischen Paschasius Radbertus u. Ratramnus im 9. Jahrh., s. Abendmahl I.; 2) zweiter A., zwischen Luther u. Zwingli, so v.w. Sacramentstreit, s.d …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Abendmahlsfrage — Als Abendmahlsstreit werden in der Kirchengeschichte Lehrkonflikte um die Eucharistie bzw. das Abendmahl bezeichnet: Lateinische Kirche: vom Mittelalter bis zum Lehrentscheid des Vierten Laterankonzils 1215 evangelische Kirchen: zwischen Martin… …   Deutsch Wikipedia

  • Abendmahlstreit — Als Abendmahlsstreit werden in der Kirchengeschichte Lehrkonflikte um die Eucharistie bzw. das Abendmahl bezeichnet: Lateinische Kirche: vom Mittelalter bis zum Lehrentscheid des Vierten Laterankonzils 1215 evangelische Kirchen: zwischen Martin… …   Deutsch Wikipedia

  • Lutherische Orthodoxie — Der Begriff lutherische Orthodoxie bezeichnet eine theologiegeschichtliche Phase der Konsolidierung der lutherischen Theologie im Anschluss an die Wirren der Reformationszeit, ungefähr von 1580 bis 1730. Besonders kennzeichnend für diese Epoche… …   Deutsch Wikipedia

  • Gnesio-Lutheraner — Als Gnesiolutheraner bezeichnet man eine Gruppe von Theologen, die sich aus internen protestantischen Lehrstreitigkeiten herausgebildet hat. Im 17. Jahrhundert erhielten die Gnesiolutheraner, die sich selbst als Lutheraner bezeichneten, ihrem… …   Deutsch Wikipedia

  • Hesshus — Tilemann Hesshus, auch Heßhusen, Heshusius, Hesshusen, Heshusen, (* 3. November 1527 in Wesel; † 25. September 1588 in Helmstedt) war ein lutherischer Theologe. Leben Hesshus stammt aus einer einflussreichen Familie in Wesel. In Wittenberg wurde… …   Deutsch Wikipedia

  • Hesshusen — Tilemann Hesshus, auch Heßhusen, Heshusius, Hesshusen, Heshusen, (* 3. November 1527 in Wesel; † 25. September 1588 in Helmstedt) war ein lutherischer Theologe. Leben Hesshus stammt aus einer einflussreichen Familie in Wesel. In Wittenberg wurde… …   Deutsch Wikipedia

  • Philippinismus — Als Philippisten (auch: Melanchthonianer, Adiaphoristen;) bezeichnet man eine Gruppe von Theologen, die sich aus internen protestantischen Lehrstreitigkeiten herausgebildet hat. Die Bezeichnung geht auf Philipp Melanchthon zurück, der nach dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Philippismus — Als Philippisten (auch: Melanchthonianer, Adiaphoristen;) bezeichnet man eine Gruppe von Theologen, die sich aus internen protestantischen Lehrstreitigkeiten herausgebildet hat. Die Bezeichnung geht auf Philipp Melanchthon zurück, der nach dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Philippist — Als Philippisten (auch: Melanchthonianer, Adiaphoristen;) bezeichnet man eine Gruppe von Theologen, die sich aus internen protestantischen Lehrstreitigkeiten herausgebildet hat. Die Bezeichnung geht auf Philipp Melanchthon zurück, der nach dem… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”