Züchtling

Züchtling

Das Zuchthaus war eine Strafanstalt mit strafverschärfenden Haftbedingungen für Häftlinge, die wegen nicht mit der Todesstrafe bedrohter Verbrechen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt waren. Wesentlicher Bestandteil der Zuchthausstrafe war der Zwang zu harter körperlicher Arbeit, oft bis zur Erschöpfung, zum Beispiel in Steinbrüchen oder beim Torfstechen. Wegen der erheblich härteren Haftbedingungen galt bei einer (manchmal in der Justiz erforderlichen) Umrechnung von Gefängnis- auf Zuchthausstrafe ein Umrechnungsverhältnis von 3 zu 2.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Rasphuis in Amsterdam, eines der frühesten niederländischen Zuchthäuser (1662)
Zuchthäuslerinnen bei der Hanf-Verarbeitung im Bridewell Prison in London (William Hogarth, 1732)
Verarmte alleinstehende Frauen im Bridewell Prison

Haftstrafen sind ein geschichtlich junges Pendant zu Leibes- und Lebensstrafen. Das erste Zuchthaus wurde in der Frühen Neuzeit in den Niederlanden eröffnet. Kurz darauf wurden nach diesem Konzept in den meisten deutschen Städten ebenfalls Zuchthäuser errichtet. Die Idee des Zuchthauses machte in weiten Teilen Europas Schule. Die ersten deutschen Zuchthäuser entstanden in Bremen (1609), Lübeck (1613), Hamburg (1622) und Danzig (1629).

Das Zuchthaus diente ursprünglich nicht als Strafanstalt im eigentlichen Sinne, da es sich bei den Insassen nicht primär um Kriminelle handelte. Man verstand das Zuchthaus damals als soziale Einrichtung, die arbeitsunwillige Menschen „therapieren“ und wieder in die Gesellschaft zurückführen sollte. So wurden u. a. „herrenlose“ Frauen, Bettler, Prostituierte und Menschen, die sich Geld auf eine unehrenhafte, aber nicht kriminelle Weise verdienten, in Zuchthäuser verbracht. Bauern durften Knechte und Mägde zur Besserung ins Zuchthaus bringen, um etwas gegen Leistungsdefizite zu unternehmen. Harte Arbeits- und Haftbedingungen sah man dabei als geeignetes Mittel, die Menschen zu bessern. Die Einlieferung ins Zuchthaus war nicht an einen Gerichtsbeschluss gebunden, und die Dauer eines Zuchthausaufenthaltes richtete sich meist nach der Willkür des Personals. Die Gefangenen sollten so lange im Zuchthaus bleiben, bis sie sich gebessert hatten. Da es für eine Besserung keine objektiven Kriterien gab, konnte das Personal letztendlich frei entscheiden, wann eine Besserung stattgefunden hatte.

Da hinter den Zuchthäusern auch ein ökonomisches Interesse stand, wurde meist großer Wert auf Vollbelegung gelegt, so dass Entlassungen erst stattfanden, wenn neue Insassen nachrückten. Die bürgerliche Gesellschaft empfand die Armen als störend, was zur Folge hatte, dass Einrichtungen wie das Zuchthaus (neben Irrenhaus und Waisenhaus) eingeführt wurden, um diese sozialen Randgruppen aus der Gesellschaft zu verbannen.

Im 18. Jahrhundert ging diese Entwicklung in Deutschland noch einen Schritt weiter, indem die verschiedenen Einrichtungen für Menschen, die man aus der Gesellschaft verbannte, zusammengelegt wurden. So entstand das Hospital, eine Anstalt, in der von Waisenkindern über psychisch Kranke, sterbenden Menschen und der Zuchthausklientel alle Insassen solcher Einrichtungen gemeinsam untergebracht und unter gleichen Bedingungen behandelt wurden. Das Prinzip des Hospitals wurde aber nur in begrenztem Umfang umgesetzt. Auch wenn ein Hospital damals keinen Arzt beschäftigte, hat sich diese Einrichtung schrittweise bis heute zu einem modernen Krankenhaus verändert. Aus dem Zuchthaus heraus hat sich das Gefängnis über die Zeit wiederum als Strafeinrichtung entwickelt.

Nach dem Ende des Absolutismus gab es eine langsame Mäßigungsbewegung. Nach und nach wurde ein Rechtssystem umgesetzt, und die Bedingungen, unter denen Menschen in solche Einrichtungen verbannt wurden, wurden verschärft. So entstand aus dem Zuchthaus allmählich eine Strafanstalt im eigentlichen Sinne. Für unterschiedlich schwere Verbrechen benötigte man unterschiedlich schwere Strafen. So wurden neben dem Zuchthaus weitere Arten von Haftanstalten eingeführt.

In Deutschland war die Zuchthausstrafe, bis sie schließlich abgeschafft wurde, im Strafgesetzbuch von 1871 geregelt. § 14 StGB bestimmte, dass eine lebenslange Zuchthausstrafe für eine Straftat nur durch Gesetz bestimmt werden kann, d. h. wenn von Zuchthausstrafe die Rede war (wenn also in einem Gesetz nichts anderes bestimmt wurde) galt im Allgemeinen die Höchstgrenze von 15 Jahren.[1]

Abschaffung

In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Zuchthausstrafe durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 abgeschafft.

In Österreich ist die Zuchthausstrafe ebenfalls entfallen. Umgangssprachlich wird der Ausdruck Zuchthaus hierzulande auch heute noch manchmal als Synonym für Gefängnis verwendet.

Das Schweizer Strafgesetzbuch kannte die Zuchthausstrafe noch bis Ende 2006 (Art. 35 AltStGB), unterschied sie in der Anwendung aber nicht mehr von der gewöhnlichen Gefängnisstrafe, sondern nur in deren Länge. Während eine Gefängnisstrafe eine Länge von 3 Tagen bis drei Jahren haben konnte, dauerte die Zuchthausstrafe mindestens 1 Jahr und maximal 20 Jahre, sofern diese nicht durch das jeweilige Gesetz anderes festgelegt wurde. In der Revision (des allgemeinen Teils) des Strafrechtes, die 2007 in Kraft getreten ist, wurde diese begriffliche Unterscheidung aufgehoben und es ist (wie in Deutschland und Österreich) nur noch von der Freiheitsstrafe die Rede.

Die Geschichte der Zuchthausstrafe als solche ging in Deutschland allerdings nicht mit der Reform des Strafrechts zu Ende. Das Zuchthaus verlor durch Reform- und Liberalisierungsprozesse über die Jahre hinweg seine ursprüngliche Bestimmung und diente zuletzt als Strafanstalt für besonders schwere Verbrechen unter verschärften Haft- und Sicherheitsbedingungen. Heute spricht man prinzipiell von Freiheitsstrafen, jedoch gibt es weiterhin Justizvollzugsanstalten mit milderen und härteren Strafbedingungen. Abhängig von der Gesamtdauer einer Freiheitsstrafe werden unterschiedliche Anstalten ausgesucht. Die Kriterien können abhängig von länderspezifischen Ordnungen variieren. In Hessen gibt es Anstalten mit milden Bedingungen für Gefangene mit einer Strafe von unter zwei Jahren und Anstalten mit härteren Bedingungen für Gefangene mit einer Strafe von über zwei Jahren.

DDR

Auch das Strafgesetzbuch der DDR von 1968 kannte die Zuchthausstrafe nicht mehr. Trotzdem wird gern die althergebrachte Bezeichnung weiterverwendet. Bekannt waren die Zuchthäuser von Bautzen („Gelbes Elend“), Waldheim, Stollberg-Hoheneck und Brandenburg.

Mit der Abkürzung „Z“ wurde im Jargon eine Zuchthausstrafe verhüllt; z. B. „drei Jahre Z“. Zuchthausstrafen galten als entehrend und hatten auch soziale Konsequenzen etwa bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche.

Umgangssprachliche Begriffe für die Insassen

Zuchthäusler
„Zuchthäusler“ war in Deutschland eine umgangssprachliche und deutlich abwertende, geradezu stigmatisierende Bezeichnung für einen Häftling im Zuchthaus. Mit der Abschaffung dieser Form des Strafvollzugs in Deutschland 1969 hat sich seither auch der Begriff weitgehend verloren.
Züchtling
„Züchtling“ ist eine veraltete, aber nicht ganz so abschätzige Bezeichnung wie „Zuchthäusler“.

Einzelnachweise

  1. § 14 StGB lautete: „Die Zuchthausstrafe ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag ein Jahr. Wo das Gesetz die Zuchthausstrafe nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige.“

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Ammerer/ Alfred Stefan Weiß (Hrsg.): Strafe, Disziplin und Besserung. Österreichische Zucht- und Arbeitshäuser von 1750 bis 1850. Frankfurt am Main: Lang 2006, ISBN 3-631-54136-8
  • Wolfgang Wüst: Die gezüchtigte Armut. Sozialer Disziplinierungsanspruch in den Arbeits- und Armenanstalten der "vorderen" Reichskreise, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 89 (1996) S. 95-124.
  • Michel Foucault: Überwachen und Strafen, Frankfurt am Main 1977
  • Andreas Bienert: Gefängnis als Bedeutungsträger. Frankfurt am Main: Lang 1996, ISBN 3-631-30581-8

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