Öffentlichkeitsbeteiligung

Öffentlichkeitsbeteiligung

Bürgerbeteiligung bezeichnet die Beteiligung („Partizipation“) der Bürgerschaft an politischen Entscheidungen. Der Begriff ist nicht scharf abgegrenzt, bedeutet jedoch meistens eine Beteiligung, die über die Wahl von politischen Vertretern in Parlamente hinausgeht. Der Begriff wird auf Beteiligung an Entscheidungen der Kommunalpolitik und bei Planungen bezogen.

Dieser Artikel bezieht sich auf die deutsche Situation.

Seit dem Europarechtsanpassungsgesetz Bau von 2004 wird die Bürgerbeteiligung im deutschen Planungsrecht als „Öffentlichkeitsbeteiligung“ bezeichnet, abgeleitet von der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie (2003/35/EG). In der kommunalen Praxis hat sich dieser Begriff nicht durchgesetzt, hier wird weiterhin von Bürgerbeteiligung gesprochen.

Es werden grundsätzlich zwei Arten von Beteiligungsverfahren unterschieden: Einerseits die gesetzlich vorgeschriebenen oder formellen Beteiligungsverfahren (auch verfasste Beteiligung genannt) und andererseits die freiwillige Bürgerbeteiligung (auch informelle Beteiligung) durch Kommunen.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung (formelle Beteiligung)

Bei der formellen Beteiligung werden von den Beteiligten (Bürger, Verbände, andere Behörden) Stellungnahmen, Einwände, Bedenken oder Anregungen formuliert und dem Vorhabenträger übermittelt. Dieser ist verpflichtet, im Rahmen der so genannten Abwägung auf alle vorgebrachten Stellungnahmen einzugehen. Er muss ihre Relevanz für das Verfahren prüfen und sie entsprechend berücksichtigen.

Auf Bundesebene wird die Bürgerbeteiligung (Öffentlichkeitsbeteiligung) an der Bauleitplanung im Baugesetzbuch (BauGB) (§ 3) geregelt. Dort ist eine zweistufige Bürgerbeteiligung vorgesehen. Sie wird unterteilt in eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung, bei der häufig öffentliche Veranstaltungen zur Bürgerinformation durchgeführt werden, und eine öffentliche Auslegung, die meist im Planungsamt stattfindet. Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung wird mit einem ersten Entwurf durchgeführt, häufig parallel zur Behördenbeteiligung. Die öffentliche Auslegung ist der letzte Schritt vor der Abwägung und dem Ratsbeschluss.

Durch die Beteiligung der Öffentlichkeit soll Jedermann die Möglichkeit haben, seine Interessen und Rechtspositionen im Bauleitplanverfahren oder der in deren Planungsverfahren (z. B. Planfeststellung, Raumordnung etc.) zu wahren. Der Gesetzgeber geht hierbei davon aus, dass eine möglichst frühzeitige Bürgerbeteiligung die Akzeptanz und die Qualität der Bauleitplanung erhöht.

In der ersten Phase der Bürgerbeteiligung ist die Öffentlichkeit „möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben.“ Die planende Kommune entscheidet selbst, in welcher Form diese Beteiligung durchgeführt wird. Weit verbreitete Beteiligungsformen sind Bürgerversammlungen und Planaushänge an öffentlich zugänglichen Orten (Rathaus, Verwaltungsgebäude, Sparkassen). Zunehmend wird das Internet für die vereinfachte und beschleunigte Durchführung von Beteiligungsverfahren eingesetzt e-Partizipation. Hierzu stehen entsprechende private und öffentliche Dienstleistungsangebote zur Verfügung, z. B. sogenannte Beteiligungsserver.

Durch die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung und meistens parallel hierzu durchgeführte Behördenbeteiligungen (Beteiligung Träger öffentlicher Belange) gewinnt die Planung verbindlicheren Charakter und wird schließlich als Planentwurf bezeichnet, dem auch bereits eine rechtliche Verbindlichkeit zukommen kann. Hierzu ist jedoch die zweite Phase der Bürgerbeteiligung Voraussetzung.

„Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Ort und Dauer der Auslegung sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sind mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen; dabei ist darauf hinzuweisen, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist abgegeben werden können und dass nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben können.“

Die Stellungnahmen bilden den Kern des Abwägungsmaterials, welches die Kommune in dem für das Bauleitplanverfahren zentralen Vorgang der Abwägung zu prüfen hat. Die fehlerhafte Durchführung dieses Vorgangs kann zur Nichtigkeit des Bauleitplanes führen.

Die Öffentlichkeit wird über die Beteiligungsverfahren durch ortsübliche Bekanntmachungen informiert. Diese erfolgen häufig in kommunalen Amtsblättern oder durch Veröffentlichungen in lokalen Tageszeitungen.

Freiwillige Bürgerbeteiligung

In der freiwilligen Bürgerbeteiligung ist eine Vielzahl an Formen zu beobachten, die von der einfachen Bürgerversammlung über moderierte Veranstaltungen wie z. B. die Zukunftswerkstatt bis hin zu aufwendigen Beteiligungsverfahren wie z. B. Lokale Agenda 21 oder Lebensqualität durch Nähe reichen. Auch im Rahmen von Stadtmarketing kann es zu groß angelegter Bürgerbeteiligung kommen.

Während bei der formellen Beteiligung quasi eine 1:1 Kommunikation zwischen Beteiligtem und Behörde stattfindet, ist die freiwillige Bürgerbeteiligung diskursiv ausgerichtet.

Die freiwillige Bürgerbeteiligung richtet sich in der kommunalen Praxis auf alle denkbaren kommunalpolitischen Themen. Dies reicht von der Beteiligung an den wichtigsten kommunalen Plänen wie Haushaltsplan oder Flächennutzungsplan über Bereichspläne (z. B. für Bildung) bis hin zu einzelnen Bauprojekten oder Aktivitäten zur Kriminalprävention oder zum Umweltschutz.

Das Bürgerpanel beruht auf eine repräsentative Stichprobe der Wahlberechtigten, die zu lokalpolitischen Fragen schriftlich oder per Internet befragt werden. Aber auch Bürger, die nicht zur Stichprobe gehören, können eine Fragebogen ausfüllen, der dann auch ausgewertet wird.[1] Ziel ist effektiver Dialog zwischen Bürgern und Politik.

Methoden und Instrumente der Bürgerbeteiligung

Siehe auch

Literatur

  • Frank Baumann, Malte Detlefsen, Sven Iversen, Lars Vogelsang: Neue Tendenzen bei Bürgerbeteiligungsprozessen in Deutschland. Veränderte Rahmenbedingungen, Praktiken und deren Auswirkungen. Berlin 2004, Download: [1]
  • Burow O.A. & Pauli B. (2006). Von der Expertenzentierung zur Weisheit der Vielen. Die Bürgerkonferenz als Instrument partizipativer Politikberatung. In: Molthagen D. (Hg.) Die Ursachen von Rechtsextremismus und mögliche Gegenstrategien der Politik. Dokumentation einer Bürgerkonferenz. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung.
  • Burow O.A. & Kühnemuth K. (2004). Brauchen Wissenschaft und Politik Bürgerberatung? Möglichkeiten und Grenzen der Bürgerkonferenz. In: Tannert C. & Wiedemann P. (Hg.). Stammzellen im Diskurs. Ein Lese- und Arbeitsbuch zur Bürgerkonferenz. München: oekom.
  • Astrid Ley, Ludwig Weitz (Hg.)(2003): Praxis Bürgerbeteiligung. Ein Methodenhandbuch. (= Arbeitshilfen für Selbsthilfe- und Bürgerinitiativen Nr. 30). Bonn: Stiftung Mitarbeit/ Agenda-Transfer, Bundesweite Servicestelle Lokale Agenda 21.
  • Ariane Bischoff, Klaus Selle, Heidi Sinning (1996): Informieren, Beteiligen, Kooperieren. Kommunikation in Planungsprozessen. Eine Übersicht zu Formen, Verfahren, Methoden und Techniken. Dortmund: Dortmunder Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur.
  • T. Schulze-Wolf (2006): Kosten der Nicht-Beteiligung; in: Manfred Schrenk (Hg.), CORP 2006, 11. Internationale Konferenz zu Stadtplanung und Regionalentwicklung in der Informationsgesellschaft, Tagungsband, Wien, 2006 Download: [2]
  • Brigitte Geißel, Virginia Penrose (2003): Dynamiken der politischen Partizipation und Partizipationsforschung – Politische Partizipation von Frauen und Männern. in: gender …politik…online http://web.fu-berlin.de/gpo/geissel_penrose.htm
  • Mit dem Bürger planen von Sibylle Krause-Burger (Autor), Günter Hekler (Herausgeber), Wolfram Kaltenbacher (Herausgeber), Horst Krautter (Herausgeber) Verlag: Müller C.F.; Auflage: 2. A. (1992) ISBN 3-7880-7427-2

Weblinks

Fußnoten

  1. Neue Wege für politische Beteiligung Böckler Impuls 20/2008

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