Überlichtgeschwindigkeit

Überlichtgeschwindigkeit

Als Überlichtgeschwindigkeit wird eine Geschwindigkeit bezeichnet, welche größer als die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit (299.792.458 m/s) ist. Die Geschwindigkeit schneller als Licht in optisch dichten Medien ist im Artikel Lichtgeschwindigkeit beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Ob sich Materie oder Information im Vakuum auch überlichtschnell (superluminar, raumartig) bewegen bzw. ausbreiten kann, ist eine von der überwiegenden Mehrheit der Physiker verneinte, aber noch nicht abschließend geklärte Frage. Dabei kommt es prinzipiell nicht darauf an, ob sich ein Objekt überlichtschnell bewegt, sondern darauf, ob eine kausale Beziehung zwischen zwei Raum-Zeit-Punkten bestehen kann, die so weit räumlich bzw. so kurz zeitlich getrennt sind, dass eine Verbindung zwischen ihnen nur durch Überlichtgeschwindigkeit zu erreichen wäre. Das umfasst z. B. auch die Situation eines Objektes, das an einem Ort unvermittelt verschwindet, um nach weniger als einem Jahr ein Lichtjahr entfernt wieder zu erscheinen.

Ein von einem rotierenden Spiegel auf eine ausreichend weit entfernte Wand projizierter Lichtpunkt bewegt sich dort überlichtschnell. Allerdings handelt es sich nicht um Überlicht- geschwindigkeit im oben definierten Sinn, da das Auftreffen des Lichts an verschiedenen Stellen der Wand keiner kausalen Beziehung folgt, sondern nur von uns als zusammenhängend (sich bewegender Lichtpunkt) interpretiert würde.

In der klassischen newtonschen Mechanik können Objekte beliebig beschleunigt werden. Da die Theorie dabei keine Grenzen setzt, könnte auch die Lichtgeschwindigkeit übertroffen werden. Allerdings gilt die Newtonsche Mechanik nur näherungsweise für hinreichend kleine Geschwindigkeiten (v ≪ c). Bei höheren Geschwindigkeiten treten dagegen relativistische Effekte auf, die ein Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit verhindern.

In Science-Fiction-Büchern und -Filmen werden Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit oft als Realität dargestellt, weil sonst interstellare Reisen aus dramaturgischer Sicht viel zu lange dauern würden. Dasselbe gilt für die Kommunikation zwischen zwei Stationen oder Raumschiffen. Die Datenübertragung findet in diesen Geschichten fast immer ohne Zeitverzögerung statt, auch wenn die Raumschiffe Lichtjahre voneinander entfernt sind und damit jede Information nach momentanen wissenschaftlichen Erkenntnissen also mindestens diese Zeit für die Strecke vom Sender zum Empfänger benötigen würde. Die Fernsehbilder der Mondlandungen benötigten hingegen schon 1,3 Sekunden nur für ihren Weg zur Erde, eine Kommunikation zwischen der Erde und beispielsweise dem Mars dauert je nach Lage der beiden Planeten zueinander zwischen drei und 22 Minuten.

Die Unterscheidung zwischen Überlichtgeschwindigkeit und Unterlichtgeschwindigkeit ist im Rahmen der Relativitätstheorie absolut: Ein Vorgang, der in einem Bezugssystem mit Überlichtgeschwindigkeit stattfindet, findet in jedem Bezugssystem mit Überlichtgeschwindigkeit statt, dasselbe gilt auch für Unterlichtgeschwindigkeit. Mathematischer Hintergrund ist die Nichtexistenz einer Lorentztransformation, die zeitartige in raumartige Vektoren transformiert. So kann man z. B. nicht einfach Überlichtgeschwindigkeit gegen die Erde erreichen, indem man erst eine Rakete mit ¾ der Lichtgeschwindigkeit von der Erde abschießt, und von dieser Rakete eine relativ zu ihr wiederum mit ¾ der Lichtgeschwindigkeit fliegende Rakete startet. Aufgrund der Relativität der Gleichzeitigkeit können Relativgeschwindigkeiten nicht einfach addiert werden, wie es bei den geringen Geschwindigkeiten des Alltags noch sehr genau zutrifft. Stattdessen ergibt sich für die Gesamtgeschwindigkeit die Formel

v_{ges}=\frac{v_1+v_2}{1+ \displaystyle\frac{v_1 \cdot v_2}{c^2}}.

Demgemäß bewegt sich die zweite Rakete lediglich mit 0,96 c. Aus dem Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit folgt, dass eine Beschleunigung eines massebehafteten Körpers auf Lichtgeschwindigkeit unendlich viel Energie benötigen würde.

Es gibt einige Beobachtungen, die auf den ersten Blick superluminare Bewegungen zu bestätigen scheinen:

  1. Seit einigen Jahren werden im Universum Jets beobachtet, die sich superluminar von ihrem Ursprungsort zu entfernen scheinen. Allerdings ist dies nur ein optischer Effekt, in Wahrheit bewegen sich die Jets mit Unterlichtgeschwindigkeit.
  2. An der Universität Köln, mittlerweile mehrfach durch andere Institutionen überprüft, wurde nachgewiesen, dass es beim quantenmechanischen Tunneln von Photonen zu Effekten kommen kann, die von einigen Forschern als superluminare Geschwindigkeiten interpretiert werden. Die Interpretationen dieser Beobachtungen werden jedoch derzeit noch kontrovers diskutiert.
  3. Bei einer Messung an quantenmechanisch verschränkten Teilchen scheint Information zwischen den Teilchen instantan (also ohne Zeitdifferenz) übertragen zu werden (Einstein-Podolsky-Rosen-Effekt, kurz: EPR-Effekt). Es ist aber nicht möglich, diesen Effekt zur Kommunikation mit Überlichtgeschwindigkeit zu verwenden.
  4. Im September 2011 wurde von der Opera Kollaboration am Gran Sasso gemeldet, man habe Hinweise darauf gefunden, dass Neutrinos sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen können. Eine Bestätigung durch die wissenschaftliche Fachwelt steht noch aus.[1] [2] – siehe OPERA-Neutrino-Anomalie.

Materieteilchen können sich jedoch unter bestimmten Bedingungen in einem Medium schneller als das Licht bewegen, das heißt schneller als Photonen im gleichen Medium. Dabei entsteht die sogenannte Tscherenkowstrahlung. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum wird dabei jedoch nicht übertroffen.

Tachyon

Hauptartikel: Tachyon

Superluminare Geschwindigkeiten sind durch die Gleichungen der Relativitätstheorie nicht kategorisch ausgeschlossen, lediglich das Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit ist nicht möglich. Theoretisch könnte ein superluminares Teilchen existieren, das Tachyon, welches sich ausschließlich superluminar bewegt und eine imaginäre Ruhemasse hat. Es hat jedoch eine Menge paradoxer Eigenschaften, zum Beispiel beschleunigt es („Runaway Solution“), falls es zum Beispiel durch Abstrahlung (bei geladenen beschleunigten Tachyonen) Energie verliert, so dass es schwierig ist, eine Theorie wechselwirkender Tachyonen zu konstruieren. Die Idee der Tachyonen mit formal „imaginärer Masse“ wurde erstmals in den 1960er-Jahren von E. C. G. Sudarshan und anderen ausgesprochen. Betrachtet man Tachyonen jedoch quantenmechanisch, stellt man fest, dass sich selbst diese als lokale Störung nicht überlichtschnell ausbreiten können.[3]

Scheinbar überlichtschnelle Objekte in der Astronomie

Jets, die etwa von Quasaren ausgesandt werden, scheinen sich aufgrund eines Beobachtungseffekts superluminar zu bewegen. Das geschieht allgemein genau dann, wenn sich ein Objekt einem Beobachter nähert und eine Geschwindigkeit von wenigstens 70,7 % der Lichtgeschwindigkeit besitzt. Beispielsweise bewegte sich ein zwischen 1977 und 1980 beobachteter Jet des Quasars 3C 273 mit scheinbar elffacher Lichtgeschwindigkeit.

Die Erklärung dieser scheinbaren Überlichtgeschwindigkeitsphänomene gab schon 1966 Martin Rees[4] und einige Jahre darauf (1970) wurde das Phänomen auch mit Radioteleskopen gefunden.

Theoretische Betrachtung

Wir betrachten die Bewegung eines Jets („Knoten“), der von einem Quasar ausgestoßen wird, welcher sich in der Entfernung r0 von einem Beobachter auf der Erde befindet. Als x-Richtung wird der Abstand des Beobachters zum Quasar bezeichnet, y sei die Richtung senkrecht dazu zur Achse des Jets hin.

Tatsächliche Bewegung

JetBewegung.jpg

Zur Zeit t = 0 verlässt der Knoten den Nukleus (Kern) des Quasars. Zur Zeit t0 erreicht der Knoten einen auf dem Weg befindlichen Ort ξ (Xi).

Seine transversale Bewegung ist dann

\Delta y=vt_0 \cdot \sin(\theta),

und seine Bewegung auf den Beobachter zu

\Delta x=vt_0 \cdot \cos(\theta),

wobei v die tatsächliche Geschwindigkeit des Knotens und θ der Winkel zwischen Knoten und Beobachter ist.

Scheinbare Bewegung

Der Beobachter sieht den Knoten erstmals aufleuchten, nachdem das Licht die Entfernung r0 durchlaufen hat. Dafür benötigt es die Zeit

t_1=\frac{r_0}{c}.

Nachdem der Knoten den Ort ξ erreicht hat, muss das Licht noch die restliche Strecke zum Beobachter zurücklegen, ehe er den Knoten bei ξ ankommen sieht. Diese Strecke verläuft im Diagramm eigentlich von ξ diagonal zum Beobachter hin. Da ein Jet aber nicht beliebig weit fliegt und man ihn in der Nähe des Quasars beobachtet, liegt die Flugzeit des Knotens nur im Bereich von einigen Jahren. Der Abstand zur Erde beträgt hingegen meist Milliarden von Lichtjahren. Wenn auch der Winkel nicht zu groß ist, verläuft die restliche Strecke daher kaum diagonal, sondern näherungsweise auf der Geraden in x-Richtung. Somit beträgt die restliche Strecke

R = r0 − Δx.

Der Beobachter sieht den Knoten bei ξ nach der Zeit

t_2= t_0+\frac{R}{c} = t_0+\frac{r_0-\Delta x}{c} = t_0+\frac{r_0-vt_0 \cdot \cos(\theta)}{c}.

Zwischen der Beobachtung der Emission im Nukleus und der Beobachtung des Erreichens von ξ vergeht die Zeit

\Delta t=t_2-t_1=t_0+\frac{r_0-vt_0 \cdot \cos(\theta)}{c}-\frac{r_0}{c}=t_0-\frac{vt_0 \cdot \cos(\theta)}{c}.
\Delta t=t_0(1-\beta \cdot \cos(\theta)),

mit β = v / c.

Für die scheinbare transversale Geschwindigkeit \tilde v finden wir damit

\tilde v=\frac{\Delta y}{\Delta t}=\frac{vt_0\cdot \sin(\theta)}{t_0(1-\beta \cdot \cos(\theta))}=\frac{v\cdot \sin(\theta)}{1-\beta \cdot \cos(\theta)}

bzw.

\tilde \beta=\frac{\beta \cdot \sin(\theta)}{1-\beta \cdot \cos(\theta)}.

Mindestgeschwindigkeit

Eine superluminare Bewegung tritt auf, wenn \tilde \beta > 1 ist, also

\frac{\beta \cdot \sin(\theta)}{1-\beta \cdot \cos(\theta)} > 1.

Umstellen nach β ergibt

\beta >\frac{1}{\sin(\theta)+ \cos(\theta)}.

Die Extremwerte einer Funktion befinden sich bekanntlich dort, wo die erste Ableitung der Funktion verschwindet.

\frac{\mathrm d}{\mathrm d \theta} \frac{1}{\sin(\theta)+ \cos(\theta)} = - \frac{\cos(\theta)-\sin(\theta)}{1+2 \sin(\theta) \cdot \cos(\theta)} = 0.

Dies ist erfüllt für θ = π / 4 und θ = − 3π / 4, wobei sich das Minimum bei ersterem Winkel befindet. Für diesen Wert folgt aus der Bedingung

\beta >\frac{1}{\sin(\frac{\pi}{4})+ \cos(\frac{\pi}{4})} = \frac{1}{\sqrt{2}},

was 70,7 % der Lichtgeschwindigkeit entspricht.

Überlichtschnelle Effekte in der Quantenmechanik

Superluminares Tunneln

In der Universität Köln unter der Leitung von Günter Nimtz wurde der quantenmechanische Effekt des Superluminaren Tunnelns von Mikrowellen-Photonen, dem der Tunneleffekt zu Grunde liegt, als erstes nachgewiesen.[5]

Experimente vom Nimtz-Typ mit Photonen anderer Wellenlänge, insbesondere mit sichtbarem Licht, durch andere Gruppen haben stattgefunden und haben die Beobachtungen von Nimtz bestätigt (u. a. Steinberg und Raymond Chiao von der Universität Berkeley), werden von den Experimentatoren wie Chiao und Steinberg aber anders interpretiert. In allen Experimenten wird festgestellt, dass sich eine superluminare Geschwindigkeit dann einstellt, wenn sich zwischen der Quelle und dem Detektor eine Barriere befindet, welche die Photonen erst überwinden (durchtunneln) müssen.

Medienwirksam wurde dort 1994 mit frequenzmodulierten Mikrowellen ein Teil einer Mozart-Sinfonie mit übertragen, wobei Nimtz nach eigenen Angaben für das Maximum und die Anstiegsflanke des Wellenpakets[6] eine 4,7-fache Lichtgeschwindigkeit maß[7]. Nimtz behauptet, damit die Möglichkeit der Übertragung von Information mit Überlichtgeschwindigkeit gezeigt zu haben, was aber bestritten wurde. Definiert man die Geschwindigkeit der Informationsübertragung über die Ansprechzeit eines Detektors, gibt es keine Informationsübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit: Ein Detektor auf einer gleich langen Vergleichsstrecke ohne „Tunnel“, auf der sich die gleiche Information (Pulsform) mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, spricht zuerst an, da das Signal auf der Tunnelstrecke viel schwächer ist und zwar unabhängig von der Empfindlichkeit des Detektors.[8]

Diese Experimente stehen nach allgemeiner Ansicht in völliger Übereinstimmung mit einem der Axiome der Relativitätstheorie, nach dem keine Informationsausbreitung mit Überlichtgeschwindigkeit stattfindet. So kann man z. B. zeigen, dass ein Wellenzug beim Tunneln stärker im hinteren Teil gedämpft wird als im vorderen, so dass sich sein Intensitätsmaximum nach vorne verlagert. Definiert man die Lage des Maximums als Position des Wellenzuges, so kann man eine Überlichtgeschwindigkeit errechnen, ohne dass irgendein Teil des Wellenzuges mit Überlichtgeschwindigkeit vorangeschritten wäre.

Bei Tunnelexperimenten mit einzelnen Photonen wurde bereits überlichtschnelles Tunneln nachgewiesen, siehe zum Beispiel Experimente der Chiao-Gruppe. Da beim Tunneln jedoch ein großer Teil der tunnelnden Photonen und damit der Information verloren geht, ist auch hier die Möglichkeit einer überlichtschnellen Informationsübertragung umstritten, siehe auch diese Bibliografie.[9]

Von anderen Physikern, zum Beispiel im Überblicksartikel von Privitera et al.[10], wird darauf hingewiesen, dass die Superluminalität des Geschehens ein Artefakt der verwendeten Definition von Geschwindigkeit ist.[11] Dass zum Beispiel die Gruppengeschwindigkeit von Pulsen in Medien mit starker Absorption und Dispersion größer als die Lichtgeschwindigkeit sein kann, jedoch keine Signalgeschwindigkeit ist, war schon Leon Brillouin und Arnold Sommerfeld bekannt.[12]

EPR-Effekt

Hauptartikel: EPR-Effekt

Ein anderes Phänomen, das auf den ersten Blick das Auftreten von Überlichtgeschwindigkeit nahe legt, ist der EPR-Effekt: Hat man zwei verschränkte Teilchen an verschiedenen Orten, so sagt die Quantenmechanik voraus, dass einerseits vor der Messung der Zustand jedes einzelnen der Teilchen unbestimmt ist (der Wert der Messgröße also nicht feststeht), andererseits nach Messung des einen Teilchens auch sofort der Zustand des anderen Teilchens festgelegt ist. Diese von Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ zurückgewiesene Eigenschaft der Quantenmechanik ist experimentell bestätigt.[13] Allerdings lässt sich der EPR-Effekt nicht nutzen, um damit überlichtschnell zu kommunizieren, da die einzelnen Messergebnisse für sich genommen jeweils zufällig sind. Erst beim Vergleich der Messergebnisse an beiden Teilchen kann die Korrelation festgestellt werden. Dazu ist aber erst eine „klassische“, unterlichtschnelle Informationsübertragung notwendig. Beispielsweise beruht die Quantenteleportation auf dieser Kombination aus EPR-Effekt und anschließender klassisch übertragener Information.

Nick Herbert schlug Anfang der 1980er-Jahre ein Experiment vor, in dem in der Quantenmechanik Informationen mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen werden können, falls es möglich wäre, perfekte Quanten-Kopierer herzustellen.[14] Wie Wojciech Zurek und William Wootters kurz darauf 1982 aber zeigten, sind solche Kopierer grundsätzlich unmöglich (No-Cloning-Theorem).

Ob beim EPR-Effekt überhaupt Information übertragen wird, ist umstritten und hängt sehr von der Interpretation der Quantenmechanik und des Informationsbegriffs ab. Eine Interpretation besagt, dass die Teilchen zusätzliche Information in verborgenen Variablen, d. h. nicht messbaren Eigenschaften, die die Korrelation steuern, mitführen. Man kann jedoch zeigen, dass die Messergebnisse dann gewissen statistischen Regeln, den Bellschen Ungleichungen, gehorchen müssten. Eine Verletzung dieser Ungleichungen wurde experimentell (wenn auch noch nicht zweifelsfrei) bestätigt. Andere Erklärungsversuche ziehen auch zeitumgekehrte Kausalbeziehungen für quantenmechanische Systeme in Betracht.

Zeitreisen

Nach der speziellen Relativitätstheorie würde Überlichtgeschwindigkeit Zeitreisen oder zumindest in Form eines Antitelefons das Versenden von Nachrichten in die Vergangenheit ermöglichen. Der Zusammenhang zwischen Überlichtgeschwindigkeit und Zeitreise lässt sich aus den Eigenschaften der Lorentz-Transformation im Minkowski-Diagramm ableiten. Wegen der daraus folgenden Paradoxien wird die Möglichkeit von Zeitreisen in physikalischen Theorien meist ausgeschlossen. Ohne Zusatzannahmen verbieten die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie allerdings Zeitreisen nicht, wie zuerst Kurt Gödel zeigte.

Überlichtgeschwindigkeit in der Kosmologie

Überlichtgeschwindigkeit bei der Expansion der Raumzeit

Die Spektren der meisten Galaxien weisen Rotverschiebungen auf, die umso größer sind, je weiter entfernt die Galaxien sind. Hubble interpretierte die von ihm und anderen gemessenen Rotverschiebungen zunächst über den Dopplereffekt als Folge von Rezessionsgeschwindigkeiten der Galaxien und fand einen linearen Zusammenhang zwischen Rezessionsgeschwindigkeit v und Entfernung d (das Hubble-Gesetz v = H0d mit der Hubblekonstante H0). Wegen der Linearität des Hubble-Gesetzes scheint die Rezessionsgeschwindigkeit v bei ausreichend großer Entfernung die Lichtgeschwindigkeit zu überschreiten.

Die korrekte Interpretation der kosmologischen Rotverschiebung führt diese auf die Zunahme der Entfernungen in Folge der Expansion des Universums zurück, nicht auf den Dopplereffekt. Das Hubble-Gesetz ist im Rahmen der relativistischen Kosmologie bei beliebigen Entfernungen gültig, wenn d als physikalische Entfernung (Entfernung zu einem festen Zeitpunkt) interpretiert wird und v als die zeitliche Änderung dieser Entfernung. v = \dot d kann größer als Lichtgeschwindigkeit werden, was gelegentlich als Widerspruch zur Relativitätstheorie gewertet und als Gegenargument zur Urknalltheorie angeführt wird. Konzeptuell darf aber die Abstandsänderungsrate \dot d nicht mit einer Geschwindigkeit verwechselt werden. Geschwindigkeiten sind lokale Größen, die den Beschränkungen der speziellen Relativitätstheorien unterliegen. Abstandsänderungen unterliegen als globale Größen nicht diesen Beschränkungen und können beliebig groß werden. Echte Überlichtgeschwindigkeiten liegen also auch bei weit entfernten Galaxien nicht vor.

Kosmologische Theorien mit variabler Lichtgeschwindigkeit

Verschiedentlich wurden kosmologische Theorien mit einer variablen Lichtgeschwindigkeit (Variable Speed of Light Theories, VSL) vorgeschlagen. Bekannt wurde insbesondere ein Vorschlag von João Magueijo und Andreas Albrecht von 1999[15], in denen das Horizontproblem und das Problem der Flachheit des Universums, die üblicherweise heute im Rahmen des Inflationären Modells der Kosmologie erklärt werden, stattdessen durch eine um bis zu 60 Größenordnungen höhere Lichtgeschwindigkeit im frühen Universum erklärt werden. Die Lichtgeschwindigkeit ist in dieser Theorie eine dynamische Variable, also zeitlich veränderlich, allerdings auf eine besondere Art und Weise, die die Form der Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht zu stark modifiziert. Die Lorentzinvarianz der Theorie ist aber explizit gebrochen, es gibt ein ausgezeichnetes Bezugssystem (das durch die kosmologische Expansion vorgegeben wird). Nach Magueijo und Albrecht wird auch das Problem der Kosmologischen Konstante so gelöst.[16][17] Magueijo schrieb darüber auch ein populärwissenschaftliches Buch.[18] Einen ähnlichen Vorschlag machte schon 1992 der kanadische Physiker John Moffat[19], ebenfalls mit der Absicht der Lösung kosmologischer Probleme.[20]

Die Theorie steht in der Tradition zeitlich veränderlicher fundamentaler (dimensionsloser) physikalischer Größen, die seit Dirac diskutiert werden. Dabei ist es sinnvoll, nur die Variabilität dimensionsloser Größen zu diskutieren, da die Variabilität dimensionsbehafteter Größen in der Physik von den verwendeten Maßeinheiten abhängig ist und somit keine fundamentale Bedeutung hat. Im Fall der VSL-Theorien ist die Feinstrukturkonstante veränderlich, was prinzipiell bei weit entfernten Objekten als Funktion der Rotverschiebung beobachtbar sein sollte.[21]

Das Alcubierre-Van-den-Broeck-Warpfeld

Hauptartikel: Warp-Antrieb

Wurmlöcher

Ein damit verwandter Effekt ist das Durchqueren sogenannter Wurmlöcher, das oft in Science-Fiction-Romanen verwendet wird. Dabei bewegt sich ein Raumschiff lokal zwar nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit, es nimmt aber im gekrümmten Raum eine Abkürzung, so dass es am Ende doch schneller als das Licht am Ziel ankommt. Als zweidimensionale Analogie kann man den Weg über ein gefaltetes Blatt Papier betrachten. Statt auf dem Papier zu bleiben, kann ein Reisender auch einfach ein Loch ins Papier bohren und damit die darangefaltete andere Seite erreichen. Mit dieser Technik wären auch Zeitmaschinen denkbar. Solche Wurmlöcher können zwar in der Relativitätstheorie theoretisch konstruiert werden, es scheint aber, dass sie in der Praxis sehr instabil wären, so dass nicht einmal Informationen durch sie hindurchgeleitet werden könnten.

Hyperraum

Einen vergleichbaren Effekt bewirken würde die ebenfalls in der Science-Fiction gerne verwendete Vorstellung einer Abkürzung durch einen Hyperraum, in den unsere Raumzeit eingebettet sein könnte. Die Idee ist dabei folgende: Um den Weg vom Nordpol zum Südpol abzukürzen, reise man quer durch die Erde anstatt entlang der Oberfläche. Der Weg durch die Erde (über die dritte Dimension) ist kürzer als der Weg auf der (zweidimensionalen) Erdoberfläche. Genauso könnte man sich vorstellen, dass unsere Raumzeit auch in einen höherdimensionalen Hyperraum eingebettet ist (wie die Erdoberfläche in den Raum), und man daher durch den Hyperraum abkürzen könnte. Auch hier würde man (im Hyperraum) nicht schneller als Lichtgeschwindigkeit fliegen müssen, um schneller als das Licht im Normalraum am Ziel anzukommen.

Literatur

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Überlichtgeschwindigkeit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Videos

Einzelnachweise

  1. Opera Collaboration Measurement of neutrino velocity with the OPERA detector in the CNGS beam, 22. September 2011, Preprint im Arxiv
  2. Nature News 2011
  3. Webseite von Matt Austern, zur quantenmechanischen Behandlung von Tachyonen
  4. Nature, Band 211, S. 468
  5. wissenschaft.de: Stürzt Einsteins Dogma?, Artikel vom 1. August 1997, mit einer Beschreibung der Experimente von Günter Nimtz
  6. Peak and the rising edge of a frequency band limited wave packet, gemäß W. Heitmann, G. Nimtz: On causality proofs of superluminal barrier traversal of frequency band limited wave packets, Phys. Lett. A, Bd. 196, 1994, S. 154
  7. Ernst-Udo Wallenborn: Und Mozart?, Wallenborn 1999 zum Experiment von Nimtz
  8. Ernst-Udo Wallenborn: Aber ist das nicht Überlichtgeschwindigkeit?, Wallenborn in einer Diskussion des Experiments von Nimtz, 1999
  9. Unvollständiges kommentiertes Literaturverzeichnis zum Thema „Überlichtgeschwindigkeit durch Tunneln“, Stand 2001
  10. G. Privitera, G. Salesi, V.S. Olkhovsky, E. Recami: Tunnelling times: An elementary introduction, veröffentlicht in: Rivista del Nuovo Cimento vol. 26, n. 4, 2003
  11. Ernst-Udo Wallenborn: Superluminales Tunneln, Argumente gegen eine Interpretation des Tunneleffektes als überlichtschnelle Informationsausbreitung, 23. Juni 1999
  12. Diskussion der Geschwindigkeitsdefinitionen, Duke University
  13. Harry Paul: Photonen, 1999, B.-G.-Teubner-Verlag, ISBN 3-519-13222-2
  14. Herbert: FLASH - A Superluminal Communicator Based upon a New Kind of Quantum Measurement, Foundations of Physics, Bd. 12, 1982, S. 1171
  15. Albrecht, Magueijo: A time varying speed of light as a solution to cosmological puzzles, Phys. Rev. D59, 1999
  16. Magueijo: New variable speed of light theories, Reports Progress Physics 2003
  17. John Barrow: Cosmologies with varying light speed, 1998
  18. Magueijo: Faster Than the Speed of Light: The Story of a Scientific Speculation. Massachusetts: Perseus Books Group, 2003.
  19. Moffat: Superluminary Universe: A Possible Solution to the Initial Value Problem in Cosmology, International Journal Modern Physics D, Bd. 2, 2003, S. 351, Moffat Reinventing Gravity, Collins 2008
  20. und davor 1988 der Franzose Jean-Pierre Petit, bei ihm änderte sich auch die Gravitationskonstante mit der Zeit, so dass die einsteinschen Feldgleichungen insgesamt invariant bleiben
  21. 1999 schienen Beobachtungen von J. K. Webb und Anderen eine solche Variabilität zu zeigen, siehe: Webb, Churchill, Drinkwater, Flambaum, Barrow: Physical Review Letters Bd. 82, 1999, S. 884

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