Überschwemmungsgebiet

Überschwemmungsgebiet

Als ein Überschwemmungsgebiet, Retentionsgebiet, Inundationsgebiet, Hochwasserpolder, Hochwasserschutzpolder oder kurz, aber mehrdeutig Polder bezeichnet man unbebautes, flaches Gelände an Flüssen oder Binnenseen, das durch Überflutung größere Mengen von Hochwasser aufnehmen kann.

Diese extra für diesen Zweck ausgewiesene Gebiete unterliegen einer hohen Wahrscheinlichkeit, bei entsprechenden hydrologischen, Klima- bzw. Wetterbedingungen von einer Überschwemmung betroffen zu sein. In Normalzeiten können sie jedoch als Grünland, für die Forstwirtschaft oder für Erholungs- und Sportzwecke dienen.

Überschwemmter Auwald

Inhaltsverzeichnis

Übersicht

Naturbelassene, nicht ausgebaute Flüsse und Flusslandschaften verfügen mit ihren Flussauen über ein natürliches Überschwemmungsgebiet, in dem die Vegetation auf temporär hohe Wasserstände vorbereitet ist. Bauliche Maßnahmen (z. B. Flussbegradigungen, Eindeichungen, Siedlungs- und Gewerbeflächen) können die Funktion dieser natürlichen Überschwemmungsgebiete beeinträchtigen oder das Fließ- und Abflussverhalten des Gewässers so verändern, dass die Gefahren durch Überschwemmungen zunehmen.

Ein Überschwemmungsgebiet kann und soll bei besonders starken Flusshochwassern absichtlich geflutet werden, um Deiche zu entlasten und den Gipfel einer Flutwelle so weit herabzusetzen, dass das Risiko einer unkontrollierten Überschwemmung weiter flussabwärts gelegener Gebiete gemindert wird.

Arten

Eindeichung von Überschwemmungsgebieten

Die Deiche zu intensiver genutzten Nachbarflächen verhindern, dass jene bei Flutung des Polders mit geflutet werden. Deiche zum Gewässer verbessern die Nutzbarkeit des Poldergeländes, indem sie verhindern, dass der Polder schon bei geringeren Hochwassern geflutet wird, die in anschließenden Flussabschnitten keine Bedrohung darstellen. Sie ermöglichen, das dem Fluss entzogene Wasser länger zurückzuhalten, als in einer natürlich überfluteten Flussaue. Derartige Polder werden vor allem zum Hochwasserschutz von Großstädten und engen Tälern in oberhalb gelegenen geräumigen Talabschnitten angelegt, beispielsweise am Oberrhein bei Ingelheim.

Gefluteter Polder bei Ingelheim am Rhein Januar 2011

In breiten Flusstälern müssen Überschwemmungsgebiete nicht direkt am Gewässer liegen, sondern können auch durch einen flachen Hochwasserdamm von diesem getrennt sein. Zur Überflutung kommt es dann nur bei sehr starken Hochwässern.

Rückhaltebecken

Hauptartikel: Rückhaltebecken

Bei weniger großen Gewässern werden Hochwasserpolder als – außerhalb des Bedarfsfalls leere – Rückhaltebecken ausgeführt, wie im Leinetal zwischen Northeim und Einbeck-Salzderhelden. Hier sperrt ein Staudamm die Flussniederung, durch den der Fluss normalerweise durch ein geöffnetes Sieltor an der Basis ungehindert hindurchfließt. Bei Hochwasser wird die Flutwelle hier gestaut und der Abfluss auf ein für den Unterlauf verträgliches Maß reguliert.

Retentionsvolumen

Das Retentionsvolumen eines dem Gewässer anliegenden Gebietes bestimmt sich einerseits nach der von der Topografie und dem Flussregime abhängigen überschwemmten Fläche und Einstauhöhe, andererseits aber auch vom im Boden vorhandenen Porenvolumen. So kann beispielsweise der Bau einer Tiefgarage unter einem Gebäude das Retentionsvolumen deutlich vermindern, obwohl oberirdisch keine zusätzliche Fläche dafür in Anspruch genommen wird.

Rechtslage

In der EU ist die Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken einzuhalten.

In Deutschland enthält das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes zwei Definitionen für Überschwemmungsgebiete:

  • § 76 Abs. 1 Satz 1 WHG bestimmt Überschwemmungsgebiete aufgrund ihrer geologischen Lage: Überschwemmungsgebiete sind Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochufern und sonstige Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen oder die für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden.
  • Durch § 76 Abs. 2 WHG werden die Landesregierungen ermächtigt und verpflichtet, Überschwemmungsgebiete durch Rechtsverordnung festzusetzen. Mindestens die Gebiete, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, und die zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchten Gebiete sind als Überschwemmungsgebiete festzusetzen. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete sind vorläufig zu sichern.

Das WHG sieht in § 78 nur für formal festgesetzte bzw. vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete konkrete Schutzvorschriften (Verbote, Auflagen) vor. Darüber hinaus gilt die allgemeine Sorgfaltspflicht nach § 5 Abs. 2 WHG: Jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, ist im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen, insbesondere die Nutzung von Grundstücken den möglichen nachteiligen Folgen für Mensch, Umwelt oder Sachwerte durch Hochwasser anzupassen.

Aufgrund der Abweichungskompetenz[1] in der konkurrierenden Gesetzgebung können die Länder seit dem 1. März 2010 in ihren Wassergesetzen abweichende Regelungen treffen. Bisher hat nur Bayern davon Gebrauch gemacht.[2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG
  2. Abweichung von § 78 WHG durch Art. 46 Abs. 4 Bayerisches Wassergesetz (BayWG) vom 25. Februar 2010 GVBL S. 66, BayRS 753-1-UG mit Wirkung vom 1. März 2010 bis zum 1. März 2012 (vgl. BGBl. I 2010, 275)

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