- Besselsche Differentialgleichung
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Die Besselsche Differentialgleichung ist eine lineare gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung. Benannt wurde sie nach dem Mathematiker Friedrich Wilhelm Bessel. Ihre Lösungen heißen Bessel-Funktionen.
Inhaltsverzeichnis
Besselsche Differentialgleichung
Der Bessel-Operator ist ein Differentialoperator zweiter Ordnung, der durch
definiert ist, wobei n eine reeller Zahl ist.[1]
Die Besselsche Differentialgleichung ist entsprechend eine gewöhnliche lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung, die durch
- Bnf = 0
beziehungsweise nach Ausschreiben des Bessel-Operators durch
definiert ist. Die Lösungen heißen Bessel-Funktionen n-ter Ordnung.
Bessel-Funktionen
Allgemein
Die Lösungen der Besselschen Differentialgleichung heißen Bessel-Funktionen. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Physik, da die Besselsche Differentialgleichung den radialen Anteil der Laplace-Gleichung bei zylindrischer Symmetrie darstellt. Auf die Bessel-Funktionen trifft man unter anderem bei der Untersuchung von Eigenschwingungen einer kreisförmigen Membran oder Orgelpfeife, der Ausbreitung von Wasserwellen in runden Behältern, der Wärmeleitung in Stäben, der Analyse des Frequenzspektrums von frequenzmodulierten Signalen, der Feldverteilung im Querschnitt von Rundhohlleitern, den stationären Zuständen von Kastenpotentialen und der Intensität von Lichtbeugung an kreisförmigen Löchern. Man zählt die Bessel-Funktionen wegen ihrer vielfältigen Anwendungen in der mathematischen Physik zu den speziellen Funktionen.
Die Besselsche Differentialgleichung besitzt zwei linear unabhängige Lösungen. Für nicht-ganzzahlige n sind Jn und J − n linear unabhängige Lösungen. Für ganzzahlige n ist neben der Bessel-Funktion erster Gattung Jn (auch einfach Bessel-Funktion genannt) die Bessel-Funktion zweiter Gattung Yn (auch Weber-Funktion oder Neumann-Funktion genannt) die zweite, linear unabhängige Lösung.
Die Darstellungen der Bessel-Funktionen lauten
- , wobei Γ(x) die Gammafunktion ist, sowie
- .
Die Bessel-Funktion 2. Gattung hat im Ursprung eine logarithmische Singularität, weshalb sie sich nicht durch eine Potenzreihe darstellen lässt. Durch Ausführung des Grenzüberganges mit der Regel von L’Hospital ergibt sich:
Hierbei ist γ die Eulersche Konstante und Hn die harmonische Reihe.
Weitere Eigenschaften
- Für die Bessel-Funktionen gelten die Rekursionsbeziehungen:
- ,
- .
- Diese Beziehungen gelten auch für die Bessel-Funktion 2. Gattung.
- Für ganzzahlige n gilt weiterhin:
- Verbindung zur hypergeometrischen Funktion:
- Die Bessel-Funktion kann in Abhängigkeit zur hypergeometrischen Funktion ausgedrückt werden.
- Dieser Ausdruck hängt mit der Entwicklung der Bessel-Funktion in Abhängigkeit zur Bessel-Clifford-Funktion zusammen.
- Für alle gilt .
- Für alle gilt .
Modifizierte Bessel-Funktionen
Tritt eine Bessel-Funktion nur mit rein imaginären Zahlen auf, so spricht man von modifizierten Bessel-Funktionen.
ist die modifizierte Bessel-Funktion n-ter Ordnung. Sie löst die Differentialgleichung
- .
Eine zweite Lösung für diese Differentialgleichung ist
- ,
die auch als MacDonald-Funktion bekannt ist.
Hankel-Transformation
Die Hankel-Transformation ist eine Integraltransformation, die eng mit der Fourier-Transformation verwandt ist. Der Integralkern der Hankel-Transformation ist die Bessel-Funktion erster Ordnung Jn, das heißt der Integraloperator lautet
Eine besondere Eigenschaft der Hankel-Transformation ist, dass mit ihr der Bessel-Operator in einen algebraischen Ausdruck (eine Multiplikation) überführt werden kann.
Literatur
- Milton Abramowitz, Irene Stegun: Handbook of Mathematical Functions. Dover, New York 1972, S. 355.
- Paul Schafheitlin Die Theorie der Besselschen Funktionen. B. G. Teubner, Leipzig 1908.
- J. H. Graf, E. Gubler: Einleitung in die Theorie der Bessel'schen Funktionen. Erster Band Zweiter Band. K. J. Wyss, Bern 1900
- Carl Neumann: Theorie der Besselschen Funktionen, ein Analogon zur Theorie der Kugelfunktionen. B. G. Teubner, Leipzig 1867.
Einzelnachweise
- ↑ Guido Walz (Hrsg.): Bessel-Operator. In: Lexikon der Mathematik. 1 Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Mannheim/Heidelberg 2000, ISBN 978-3827404398.
Weblinks
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