Bewaffnete Auseinandersetzungen bei den Plitvicer Seen

Bewaffnete Auseinandersetzungen bei den Plitvicer Seen
Plitvicer Seen (Kroatien)
DEC
Plitvicer Seen
Plitvicer Seen
Lage der Plitvicer Seen auf der Karte von Kroatien

Der Bewaffnete Zwischenfall bei den Plitvicer Seen, in Kroatien „Krvavi Uskrs na Plitvicama“ oder „Plitvički krvavi Uskrs“ (wörtliche Übersetzung: „Blutige Ostern an den Plitvicer Seen“) genannt, war eine Konfrontation zwischen kroatischen Sonderpolizeikräften und serbischen Aufständischen, die sich im Frühling 1991 im Nationalpark Plitvicer Seen in Kroatien abspielte. Dabei wurden zwei Menschen getötet, jeweils eine Person auf beiden Seiten.

Die Eskalation trug in bedeutendem Ausmaß zur Steigerung der ethnischen Spannungen zwischen Krajina-Serben und Kroaten bei, welche letztlich zum Ausbruch des Kroatien-Krieges führten.

Inhaltsverzeichnis

Hintergründe

Im Mai 1990 gewann die Kroatische Demokratische Union (HDZ) unter der Führung von Franjo Tuđman die ersten freien und demokratischen Wahlen in der jugoslawischen Teilrepublik Kroatien. Die Bewegung setzte sich energisch für die Unabhängigkeit Kroatiens ein. Ein Großteil der serbisch-stämmigen Bevölkerung Kroatiens widersetzte sich jedoch gegenüber diesen Bestrebungen und betrachtete diese als serbenfeindlich. Die serbisch-stämmige Bevölkerung strebte nach einem geeinten Jugoslawien. Dieses begann jedoch aufgrund der über die Jahre angehäuften und ungelösten ethnischen Probleme langsam aber sicher zu zerfallen.

Gedenkstätte an der Stelle, an der der kroatische Polizist Josip Jovic getötet wurde.

Nach Tuđmans Wahlerfolg lösten serbische Nationalisten im Gebiet der so genannten „Krajina“ (an Bosnien und Herzegowina angrenzend), welches das Hauptsiedlungsgebiet der kroatischen Serben ausmacht, eine Revolte aus, die sich gegen die Unabhängigkeitstendenzen Kroatiens richtete. Kroatische Regierungsbeamte wurden mit Gewalt aus dem Gebiet vertrieben. Der Zugang zu einem Großteil des Gebietes der Krajina wurde ihnen verweigert. Der Staatsbesitz in der gesamten Region kam in die Gewalt der lokalen serbischen Verbände, oder des neu-errichteten „serbisch-nationalen Rates“ unter der Führung von Milan Babić (welcher später die Regierung der abtrünnigen „Republik Serbische Krajina“ darstellen sollte). Die Vorgänge geschahen nicht über Nacht, sondern über einen ziemlich langen Zeitraum hinweg, der länger als ein Jahr dauerte.

Die Plitvicer Seen sind ein landschaftlich äußerst sehenswertes Gebiet und wurden bereits im ehemaligen Jugoslawien unter den Schutz eines Nationalparks gestellt. Die Plitvicer Seen befinden sich ca. 150 km südlich der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Seit den Türkenkriegen siedelten sich im Gebiet rund um die Plitvicer Seen zahlreiche serbische Flüchtlinge an. Die ethnische Bevölkerungsstruktur im Gebiet ist seitdem sehr heterogen. Der Nationalpark befand sich 1991 an der Grenze zu serbisch-kontrollierten Gebieten im Süden der Seen. Über den Nationalpark wachten damals hauptsächlich Kroaten, die der Regierung in Zagreb gegenüber loyal waren.

Der Plitvice-Konflikt

Am 29. März 1991 wurde die Leitung des Nationalparks von bewaffneten Krajina-Serben vertrieben, angeblich wurden diese von paramilitärischen Freiwilligen aus Serbien unter dem Kommando von Vojislav Šešelj unterstützt[1]. Das Gebiet selbst ist relativ dünn besiedelt und es gab damals kein besonderes Bedrohungspotential für die lokalen Serben. Stattdessen wird als möglicher Antriebsgrund für die Übernahme des Nationalparks, die Bestrebung zur Kontrolle der wichtigen Nord-Süd Verkehrsader genannt, welche mitten durch den Park führt. Diese Route verbindet die serbischen Gemeinschaften in der Region Lika im Süden mit denen aus der Banovina im Norden[2]. Der Kontrollverlust über den Nationalpark bedeutete einen schweren Rückschlag für den kroatischen Nationalstolz und die strategische Position der kroatischen Regierung innerhalb der Lika. Tuđmans Regierung entschloss sich daher dazu, den Nationalpark mit Gewalt zurückzuerobern.

Am Ostersonntag, den 31. März 1991, betraten kroatische Polizei-Sonderkräfte, sowie paramilitärische Einheiten des kroatischen Innenministeriums (Ministarstvo unutarnjih poslova, MUP) den Nationalpark, um die rebellischen serbischen Kräfte zu vertreiben. Ein Bus mit kroatischen Polizeikräften geriet dabei in einen Hinterhalt serbischer Paramilitärs, direkt an der Hauptverkehrsstraße nördlich von Korenica. Dadurch wurde ein Schusswechsel zwischen den beiden Streitparteien ausgelöst, der den ganzen Tag über dauerte. In den Kämpfen starben zwei Menschen, ein kroatischer und ein serbischer Polizist. Zwanzig weitere Personen wurden verletzt. 29 serbische Freischärler und Polizisten wurden von kroatischen Kräften in Gefangenschaft genommen[3] [4]. Unter den Gefangenen war auch Goran Hadžić, welcher später Präsident der „Serbischen Republik Krajina“ wurde.[2]

Echo und Reaktionen

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen lösten bei der kollektiven Präsidentschaft Jugoslawiens eine Alarmhaltung aus. Am Abend des 31. März fand eine Sitzung über die Situation an den Plitvicer Seen statt. Auf Drängen des serbischen Vertreters der Präsidentschaft Borisav Jović, jedoch entgegen den Interessen von Slowenien und Kroatien, wurde die Jugoslawische Volksarmee (JNA) dazu abkommandiert, eine Pufferzone zwischen den beiden Seiten zu errichten und den Konflikt zu entschärfen. Die Einheiten der JNA, welche von einem kroatischen Oberst befehligt wurden, schritten am folgenden Tage ein[5]. Ebenso traf das serbische Parlament zu einer Eilsitzung zusammen. Die Auseinandersetzungen wurden als praktischer casus belli tituliert. Ebenso wurde den Krajina-Serben „jegliche notwendige Unterstützung“ im Konflikt mit Zagreb zugesprochen[2].

Am 2. April befahl die Jugoslawische Volksarmee den kroatischen Sonderpolizeikräften den Nationalpark zu verlassen, was diese auch taten[6]. General Andrija Rešeta, der über die allgemeine Kommandogewalt verfügte, erklärte gegenüber den Medien, dass seine Männer „keine Seite“ bevorzugen würden und dass sie ausschließlich hier seien, um „ethnische Konfrontationen“ so lange es geht zu vermeiden. Die kroatische Führung reagierte jedoch sehr bestürzt über das Vorgehen der JNA. Tuđmans Hauptberater Mario Nobilo ließ verlautbaren, dass „uns die JNA ziemlich wortwörtlich mitgeteilt hat, sie würde unsere Polizeikräfte liquidieren, sollten wir nicht von den Plitvicer Seen abziehen“. Tuđman selbst äußerte im kroatischen Radio, dass, „sollte die Armee ihre Aktivitäten weiter fortsetzen, diese als feindliche Okkupationsarmee betrachtet werden würde“[2].

Obwohl die Intervention der JNA die Kämpfe erfolgreich beendete, führte dies zu einer Verhärtung der Frontlinien im Gebiet. Es verhinderte außerdem weitere kroatische Operationen gegen die rebellierenden Serben. Einige Monate danach kam der Nationalpark durch den offenen Kriegsausbruch in die feste Gewalt der Krajina-Serben. Diesmal geschah dies jedoch mit der vollen und offenen Unterstützung der Jugoslawischen Volksarmee. Erst nach der Militäroperation Oluja im August 1995 wurden die Plitvicer Seen wieder der Gewalt des kroatischen Staates unterstellt.

Folgen

Das Ereignis bei den Plitvicer Seen hatte bedeutende Folgen für beide Streitparteien, Krajina-Serben wie Kroaten. Die Toten zählten zu den ersten im serbisch-kroatischen Konflikt, was zu einer Radikalisierung auf beiden Seiten führte. Nationalistische Hardliner und Extremisten betonten anhand des Beispiels der Auseinandersetzungen die Notwendigkeit radikaler Maßnahmen, während hingegen gemäßigte Politiker, die sich für Verhandlungen und gewaltfreie Lösungen einsetzten, immer mehr ins Hintertreffen gerieten[7].

Die Toten auf beiden Seiten wurden von den jeweiligen Volksangehörigen als Märtyrer behandelt. Josip Jović, der kroatische Polizist, der bei den Auseinandersetzungen bei den Plitvicer Seen getötet wurde, wurde von den kroatischen Medien oft als das „erste Opfer des Krieges“ dargestellt. Das serbische Pendant Rajko Vukadinović wurde in ähnlicher Weise von den kroatischen Serben und den serbischen Medien als Held behandelt, der starb, „um das serbische Land vor den kroatischen Ustascha zu verteidigen“.

Die Auseinandersetzungen hatten noch viel weiter reichende politische und militärische Konsequenzen. Am 1. April 1991 riefen die Krajina-Serben, teilweise als Antwort auf die Ereignisse bei den Plitvicer Seen, das „Serbisch-autonome Gebiet Krajina (SAO Krajina)“ aus. Sie wollte die Unabhängigkeit vom Staat Kroatien und kündigten an, dem Staat Jugoslawien beizutreten (oder, präziser gesagt, diesen Staat nicht zu verlassen). Andere serbische Vereinigungen in ganz Kroatien errichteten Barrikaden (vom kroatischen Fernsehen als „Balvan-revolucija“, deutsch „Holzstamm-Revolution“, bezeichnet), um jegliche kroatische Versuche, Regierungsgewalt über dieses Gebiet zu erlangen, zu vereiteln. In Ostslawonien führten diese Rebellionen zu einer Reihe von Ereignissen, welche zwei Monate später im Scharmützel von Borovo Selo kulminierten.

Quellen

  1. International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia, The Prosecutor against Vojislav Šešelj: Indictment, 15 January 2003
  2. a b c d Tim Judah, The Serbs: History, Myth and the Destruction of Yugoslavia, p. 175-76, 244. (Yale University Press, 2001)
  3. Ivo Goldstein, Croatia: A History, p. 220. (C. Hurst & Co, 2000)
  4. Mihailo Crnobrnja, The Yugoslav Drama, p. 157. (McGill-Queens University Press, 1996)
  5. Christopher Bennett, Yugoslavia's Bloody Collapse, p. 150. (C. Hurst & Co, 1995)
  6. Viktor Meier, Yugoslavia: A History of Its Demise, p. 171. (Routledge, 1999)
  7. Hannes Grandits & Carolin Leutloff, "Discourses, actors, violence: the organisation of war-escalation in the Krajina region of Croatia 1990-91", p. 36, in Jan Koehler, Potentials of Disorder: Explaining Conflict and Stability in the Caucasus and in the Former Yugoslavia. (Manchester University Press, 2003

Weblinks


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