Blindsimultan

Blindsimultan

Blind-Simultan-Schach ist eine Variante des Simultanschachs.

Ein Spieler spielt gleichzeitig – simultan – gegen mehrere andere Schachspieler, wobei er die Bretter nicht sieht, also „blind“. Die Züge der „sehenden“ Spieler werden ihm angesagt.

Bei öffentlichen Vorführungen ist der Blindspieler meist ein deutlich stärkerer Schachspieler als seine Gegner.

Der Sarazene Buzzecca spielte im Jahre 1266 im Florentiner Pallazo del Popolo gegen starke Gegner gleichzeitig zwei Partien blind und eine sehend, von denen er 2 gewann und eine remisierte.[1] Erst im 18. Jahrhundert wurde er von François-André Danican Philidor übertroffen, der gegen drei Gegner gleichzeitig blind spielte, was damals als sensationell galt.

Im 19. Jahrhundert brachte es der Amerikaner Paul Morphy auf 8 solcher Partien gleichzeitig. Auch Louis Paulsen, Joseph Henry Blackburne und Johannes Hermann Zukertort waren für ihre Vorstellungen berühmt. Im 20. Jahrhundert wurde die Zahl immer weiter gesteigert, als hervorragende Blindsimultanspieler profilierten sich unter anderem Harry Nelson Pillsbury, Richard Réti, Gyula Breyer, Alexander Aljechin und Miguel Najdorf. Den Rekord hält George Koltanowski, der 1961 gleichzeitig gegen 56 Teilnehmer blind spielte. Er gewann 50 Partien und spielte sechsmal remis, allerdings handelte es sich bei seinen Gegnern überwiegend um Anfänger. Der Ungar János Flesch behauptete, 1970 sogar gegen 62 Spieler blind gespielt zu haben. Dies wurde aber nicht allgemein anerkannt, zumal die Partien dieser Veranstaltung nicht veröffentlicht wurden. Belegt ist aber eine Vorstellung von Flesch am 17. Oktober 1960 in Budapest gegen 52 Gegner (31 Siege, 3 Niederlagen, 18 Remis).

Beeindruckend sind auch Blindsimultanvorstellungen gegen vergleichsweise starke Gegner. Beispielsweise spielte Garri Kasparow im Juni 1985 in Hamburg eine Vorstellung gegen 10 starke Gegner unter einer Zeitkontrolle von eineinhalb Stunden pro 40 Züge, mit einer zusätzlichen halben Stunde für den Blindspieler zum Ausgleich der Zeiteinbuße bei der Zugübermittlung durch Boten. Kasparow gewann 8 Partien, 2 endeten Remis.[2].

Der Großmeister Robert Hübner spielte 1997 blind gegen 6 Spieler aus der Mannschaft SF Köln aus der 2. Schachbundesliga. Er gewann bei diesem Kampf 5 Partien, nur eine Partie endete remis. Zwei Jahre später, am 25. September 1999, gewann er in Berlin gegen die Mannschaft des Zweit-Bundesligisten SC Kreuzberg 5 Partien, 3 endeten Remis.[3] Ein starker Blind-Simultan-Spieler war auch der deutsche Meister und zweimalige Pokalsieger Siegmund Wolk, der in den 1950er Jahren in Süddeutschland gegen bis zu 15 Gegner antrat.

Für den Blindsimultanspieler ist entscheidend, dass die einzelnen Partien möglichst früh einen unterschiedlichen Verlauf nehmen, so dass er sie auseinander halten kann. Trotzdem bedeutet eine solche Veranstaltung eine enorme geistige Anstrengung. Miguel Najdorf sagte, er habe nach einem Rekordversuch gegen 45 Gegner nächtelang nicht schlafen können und fast den Verstand verloren. In der Sowjetunion war seit 1930 das Blindspiel sogar verboten, weil man um die Gesundheit der Spieler fürchtete.

Literatur

  • Michael Negele: Master of Darkness. Die sagenhafte Schachkarriere des George(s) Koltanowski (1903-2000), in: KARL, 2, 2005, S.14-19, Frankfurt: Karl-Verlag, ISSN 1438-9673
  • Harry Schack: Die andere Seite. Robert Hübners Blindsimultanvorstellung aus der Sicht von Thomas Schian, der damals unter den Gegnern des Großmeisters war, in: KARL, 2, 2005, S. 25, Frankfurt: Karl-Verlag, ISSN 1438-9673
  • Ludwig Steinkohl: Phänomen Blindschach. Rau-Verlag, Düsseldorf 1992. ISBN 3-7919-0448-5

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. G.Ferlito & V.Williams: "Chess in Italian secular literature between 1275-1575" - Giovanni Villani (englisch)
  2. Ludwig Steinkohl, Phänomen Blindschach, S.158
  3. Siehe Harald Fietz: „Blinder Durchblick. Robert Hübner demonstrierte seine Extraklasse beim Blindschach“

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