Blockade Leningrads

Blockade Leningrads
Leningrader Blockade
(russ.: блокада Ленинграда)
Teil von: Zweiter Weltkrieg, Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945
Die Ostfront zu Beginn der Belagerung von Leningrad
Die Ostfront zu Beginn der Belagerung von Leningrad
Datum 8. September 1941–27. Januar 1944
Ort Leningrad, Sowjetunion
Ausgang Sieg der Sowjetunion
Konfliktparteien
Achsenmächte Sowjetunion
Befehlshaber
Wilhelm Ritter von Leeb
Georg von Küchler
Kliment Woroschilow
Georgi Schukow
Truppenstärke
725.000 Soldaten 930.000 Soldaten
Verluste
unbekannt 16.470 Zivilisten durch Bombenangriffe und ca. 1.000.000 Zivilisten durch Unterernährung

Die Leningrader Blockade (russisch: блокада Ленинграда) während des Zweiten Weltkrieges dauerte vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944, nachdem die Heeresgruppe Nord der deutschen Wehrmacht die Stadt fast vollständig eingekreist hatte.

Schätzungen gehen von etwa 1,1 Millionen Menschen aus, die in Folge der Blockade ihr Leben verloren.

Inhaltsverzeichnis

Deutsche Offensive

Am 27. Juni 1941 entschied der Leningrader Rat der Deputierten des werktätigen Volkes, Tausende Menschen zur Anlage von Befestigungen zu mobilisieren. Mehrere Verteidigungsstellungen wurden gebaut. Eine verlief von der Mündung der Luga über Tschudowo, Gattschina, Urizk, Pulkowo zur Newa. Eine zweite verlief von Peterhof nach Gattschina, Pulkowo, Kolpino und Koltuschi. Eine dritte Stellung gegen die Finnen wurde in den nördlichen Vorstädten Leningrads gebaut. Insgesamt wurden 190 Kilometer Balkensperren, 635 Kilometer Stacheldrahtverhaue, 700 Kilometer Panzergräben, 5000 Erd-Holz-Stellungen und Stahlbeton-Artilleriestellungen sowie 25.000 Kilometer Schützengräben von Zivilisten angelegt. Ein Geschütz des Kreuzers Aurora wurde auf den Pulkowskij-Höhen südlich von Leningrad installiert. Nachdem die sowjetischen Truppen der Nordwestfront Ende Juni im Baltikum großteils vernichtet worden waren, erzwang die Wehrmacht den Weg nach Ostrow und Pskow. Am 10. Juli waren beide Städte eingenommen und die Wehrmacht hatte Kunda und Kingissepp erreicht. Daraufhin rückten sie von Narwa, der Luschkij-Region und vom Südosten nach Leningrad, sowie nördlich und südlich des Ilmensees vor, um Leningrad vom Osten abzuschneiden und sich mit den finnischen Truppen auf dem Ostufer des Ladogasees zu verbinden. Der Artilleriebeschuss der Stadt begann am 4. September. Die Bombardierung am 8. September verursachte 178 Brände.

Anfang Oktober verzichteten die Deutschen jedoch auf den weiteren Angriff auf die Stadt: Nachdem die Masse der sowjetrussischen Wehrmacht auf dem Hauptkriegsschauplatz zerschlagen oder vernichtet ist, liegt kein zwingender Grund mehr vor, russische Kräfte in Finnland durch Angriff zu fesseln. Um vor Eintritt des Winters Murmansk … zu nehmen oder … die Murmanbahn abzuschneiden, reichen die Stärke und die Angriffskraft der verfügbaren Verbände und die fortgeschrittene Jahreszeit nicht mehr aus. (Weisung Nr. 37 vom 10. Oktober 1941). Die Fortsetzung der Angriffe wurde für das Frühjahr 1942 geplant, danach aber aufgrund von logistischen Problemen immer weiter verschoben.

Finnische Offensive

Im August, zu Beginn des Fortsetzungskrieges, hatten die Finnen den Isthmus von Karelien zurückerobert und rückten östlich des Ladogasees durch Karelien weiter vor, wodurch sie nun Leningrad im Westen und Norden bedrohten. Die finnischen Truppen hielten jedoch an der alten finnisch-russischen Grenze von 1939. Das finnische Hauptquartier wies deutsche Bitten um Luftangriffe gegen Leningrad zurück und rückte nicht weiter südlich über den Swir (160 Kilometer nordöstlich Leningrads) ins besetzte Ostkarelien vor. Der deutsche Vormarsch war dagegen sehr rasch und im September schlossen die deutschen Truppen Leningrad ein.

Am 4. September reiste Generaloberst Jodl zum finnischen Hauptquartier, um den Oberkommandierenden Mannerheim zu überreden, die finnische Offensive fortzusetzen. Mannerheim lehnte dieses Ansinnen ab.

Nach dem Krieg sagte der frühere finnische Präsident Ryti: „Ich besuchte am 24. August 1941 das Hauptquartier von Marschall Mannerheim. Die Deutschen forderten uns auf, die alte Grenze zu überschreiten und die Offensive gegen Leningrad fortzusetzen. Ich sagte, daß die Eroberung Leningrads nicht unser Ziel sei und wir uns nicht daran beteiligen sollten. Mannerheim und der Kriegsminister Walden stimmten mir zu und lehnten die Angebote der Deutschen ab. Das Ergebnis war eine paradoxe Situation: die Deutschen waren nicht in der Lage, sich Leningrad von Norden zu nähern…“

Später wurde außerdem geltend gemacht, dass aus dem finnischen Territorium kein systematischer Artilleriebeschuss oder Luftangriffe vorgetragen worden wären.

Belagerung

Lebensmittelkarte für Brot in Leningrad, 125-Gramm-Rationen, 1941

Mit der Schließung des Blockaderings wurden alle Versorgungslinien für die Millionenstadt abgeschnitten und die Versorgung war nur noch über den Ladogasee möglich. Allerdings war die Trasse für die Erfordernisse der Stadt nicht ausgebaut, da es keine Anlegestelle und keine Zufahrtsstraßen gab.

Luftangriffe

Die ersten Bombardements auf die Stadt erfolgten am 8. September. Dabei fielen 5000 Brandbomben auf den Moskowskij Rajon, 1311 weitere auf den Smolnij Rajon mit dem Regierungsgebäude und 16 auf den Krasnogwardejskij Rajon. Ab sofort erfolgten täglich schwere Angriffe auf die Stadt. Ganze Wohngebiete wurden schwer beschädigt (Awtowo, Moskowskij, Frunsenskij).

Schwere Angriffe waren gegen das Kirow-Werk gerichtet, den größten Betrieb der Stadt, der von der Front nur drei Kilometer entfernt war. Gezielt wurden von der deutschen Luftwaffe die Badajew-Lagerhäuser beschossen, in denen ein Großteil der Lebensmittelvorräte der Stadt gelagert war. 3000 Tonnen Mehl und 2500 Tonnen Zucker verbrannten. Wochen nach Beginn der schweren Hungerkatastrophe wurde die süße Erde, in die der geschmolzene Zucker gelaufen war, zu hohen Preisen auf dem Schwarzmarkt verkauft

Die deutsche Luftwaffe griff gezielt Kindergärten, Schulen, Betriebe, Straßenbahnhaltestellen an, um die Menschen zu demoralisieren und nutzte dabei als Orientierungspunkte die Schornsteine und hohen historischen Gebäude der Stadt (Isaakskathedrale, Admiralität, Peter-und-Paul-Festung).

Hunger

Am 12. September wurde berechnet, dass die Rationen für Armee und Zivilbevölkerung für die folgende Zeit ausreichen würden:

  • Getreide und Mehl – für 35 Tage;
  • Grütze und Makkaroni – für 30 Tage;
  • Fleisch (inklusive Viehbestand) – für 33 Tage;
  • Fette – für 45 Tage;
  • Zucker und Süßwaren – für 60 Tage.

Der Abverkauf der Waren erfolgte sehr schnell, da die Menschen Vorräte anlegten. Restaurants und Delikatessläden verkauften weiterhin ohne Karten und nicht zuletzt auch deshalb gingen die Vorräte dem Ende entgegen. Zwölf Prozent aller Fette und zehn Prozent des Fleisches des städtischen Gesamtkonsums wurden so verbraucht.

Am 20. November wurden die Rationen nochmals reduziert [1]. Arbeiter erhielten 500 Gramm Brot, Angestellte und Kinder 300 Gramm, andere Familienangehörige 250 Gramm. Die Ausgabe von Mehl und Grütze wurde ebenfalls reduziert, aber gleichzeitig die von Zucker, Süßwaren und Fetten erhöht. Die Armee und die Baltische Flotte hatten noch Bestände an Notrationen, die aber nicht ausreichten. Die zur Versorgung der Stadt eingesetzte Ladoga-Flottille war schlecht ausgerüstet und von deutschen Flugzeugen bombardiert worden. Mehrere mit Getreide beladene Lastkähne waren so im September versenkt worden. Ein großer Teil davon konnte später von Tauchern gehoben werden. Dieses feuchte Getreide wurde später zum Brotbacken verwendet. Nachdem die Reserven an Malz zur Neige gegangen waren, wurde es durch aufgelöste Zellulose und Baumwolle ersetzt. Auch der Hafer für die Pferde wurde gegessen, während die Pferde mit Laub gefüttert wurden.

Nachdem 2000 Tonnen Schafsinnereien im Hafen gefunden worden waren, wurde daraus eine Gelatine hergestellt. Später wurden die Fleischrationen durch diese Gelatine und Kalbshäute ersetzt. Während der Blockade gab es insgesamt fünf Lebensmittelreduzierungen.

Trotz der Beimischung verschiedener Ersatzstoffe zum Brot (Kleie, Getreidespelzen und Zellulose) reichten die Vorräte nicht aus und mit der Kürzung der Brotration am 1. Oktober begann die Hungersnot, Arbeiter erhielten zu diesem Zeitpunkt 400 Gramm und alle anderen 200 Gramm. Mitte Oktober litt bereits ein Großteil der Bevölkerung am Hunger. Im Winter 1941/1942 verloren die Menschen bis zu 45 Prozent ihres Körpergewichtes. Die Folge war, dass die Körper begannen, Muskelmasse zu verbrennen und Herz und Leber zu verkleinern.

Die Dystrophie (Unterernährung) wurde zur Haupttodesursache. Es begann das Massensterben.

Tote

  • Juni 1941 starben 3.273 Menschen
  • Oktober 1941 starben 6199 Menschen
  • November 1941 starben 9183 Menschen
  • Dezember 1941 starben etwa 39.073 Menschen
  • Januar 1942 starben 96.751 Menschen
  • Februar 1942 starben 96.015 Menschen
  • März 1942 keine Angaben
  • April 1942 starben 64.294 Menschen
  • Mai 1942 starben 49.794 Menschen
  • Juni 1942 starben 33.668 Menschen

Insgesamt starben im ersten Jahr der Belagerung etwa 470.000 Menschen.

Die Menschen richteten ihre gesamte Energie auf die Nahrungssuche. Gegessen wurde alles, was organischen Ursprunges war, wie Klebstoff, Schmierfett und Tapetenkleister. Lederwaren wurden ausgekocht und im November 1941 gab es in Leningrad weder Katzen oder Hunde noch Ratten und Krähen. Im selben Monat traten die ersten Fälle von Kannibalismus auf. Insgesamt wurden dem NKWD bis zum Februar 1942 1025 Fälle bekannt.

Alltäglicher Tod

Kinderschlitten wurden zum einzigen Transportmittel. Mit ihnen wurden Wasser, Brot und Leichen, fast 100.000 im Januar 1942, transportiert. In den Straßen lagen Leichen und Menschen brachen auf der Straße zusammen und blieben liegen. Der Tod wurde zur Normalität. In den eiskalten Wohnungen lebten die Menschen zusammen mit ihren toten Angehörigen, die nicht beerdigt wurden, weil der Weg zum Friedhof zu beschwerlich war.

Spezielle Komsomolzenbrigaden aus meist jungen Frauen durchsuchten täglich hunderte von Wohnungen nach Waisenkindern, doch oft lebte in den Wohnungen niemand mehr.

Nichtalltägliches Leben

Neben dem Sterben ging das Leben weiter. Zwar werden bis zum Winter 1941/1942 etwa 270 Betriebe und Fabriken geschlossen, aber das riesige Kirow- und Ishorskij-Werk und die Admiraltejskij-Werft arbeiteten weiter.

Auch einige Hochschulen und Institute arbeiten weiter. 1000 Hochschullehrer unterrichteten im Blockadewinter und 2500 Studenten schlossen ihr Studium ab. 39 Schulen hielten den Lehrbetrieb aufrecht. 532 Schüler beendeten die 10. Klasse.

Am 2. September wurden die Rationen reduziert: Am 8. September wurde eine große Menge an Getreide, Mehl und Zucker durch Luftangriffe vernichtet.

Strom und Energie

Wegen mangelnder Stromversorgung mussten viele Fabriken geschlossen werden und im November wurde der Betrieb der Straßenbahnen eingestellt. Mit Ausnahme des Generalstabs, des Smolnij, der Distriktausschüsse, der Luftabwehrstellungen und ähnlicher Institutionen war die Nutzung von Strom überall verboten. Ende September waren alle Reserven an Öl und Kohle verbraucht. Die letzte verbliebene Option der Energiegewinnung war, die letzten Bäume im Stadtgebiet zu fällen. Am 8. Oktober beschlossen der Exekutivausschuss von Leningrad (Ленгорисполком) und der regionale Exekutivausschuss (облисполком), mit dem Holzeinschlag in den Distrikten Pargolowo und Wsewolschskij im Norden der Stadt zu beginnen. Es gab jedoch weder Werkzeug noch Unterkünfte für die aus Jugendlichen gebildeten Holzfällergruppen. Bis zum 24. Oktober war so lediglich ein Prozent des Plansolls erfüllt.

Straße des Lebens

Hauptartikel: Straße des Lebens

Im Chaos des ersten Kriegswinters war kein Evakuierungsplan vorhanden, weshalb die Stadt und ihre Außenbezirke bis zum 20. November 1941, als die Straße des Lebens (offiziell: „Militärische Autostraße Nummer 101“), eine Eisstraße über den zugefrorenen Ladogasee, eröffnet wurde, in vollständiger Isolation hungerte.

Konfrontiert mit einer von Marschall Schukow organisierten Verteidigung der Stadt, fehlte den deutschen Armeen die militärische Kraft, die Kapitulation zu erzwingen. Stattdessen legten sie für 900 Tage einen Belagerungsring um Leningrad. Die Stadt und ihre Außenbezirke waren fast vollständig eingeschlossen. Allein ein einziger schmaler Korridor über den Ladogasee, die Straße des Lebens (Дорога жизни auf russisch), führte noch in den Kessel.

Sowjetischer Entsatzangriff

Die Blockade dauerte bis zur Operation Iskra am Morgen des 12. Januars 1943, einem Großangriff von Truppen der Leningrader und der Wolchow-Front. Nach schweren Kämpfen überwanden Einheiten der Roten Armee die starken deutschen Befestigungen südlich des Ladogasees und am 18. Januar trafen die Leningrad- und die Wolchow-Front aufeinander. Ein Landkorridor in die Stadt war geöffnet. Ein Jahr später, im Januar 1944 vertrieb die sowjetische Leningrad-Nowgoroder Operation die deutschen Belagerer aus den südlichen Randbezirken der Stadt, womit die Blockade beendet war. Im Sommer 1944 wurden die Finnen auf die andere Seite der Bucht von Wyborg und des Flusses Wuoksi zurückgeworfen.

Die Warnungen für die Stadteinwohner, nur eine bestimmte Straßenseite zu benutzen, um dem deutschen Artilleriebeschuss zu entgehen, können immer noch besichtigt werden (einige davon wurden nach dem Krieg als Mahnmale restauriert).

Die Opferzahl der Blockade ist immer noch umstritten. Nach dem Krieg meldete die sowjetische Regierung 670.000 Tote in der Zeit vom Beginn 1941 bis Januar 1944, davon die meisten durch Unterernährung und Unterkühlung. Einige unabhängige Schätzungen geben eine viel höhere Zahl an Todesopfern an: alles zwischen 700.000 und 1.500.000. Die meisten gehen aber von einer Zahl von etwa 1.100.000 aus. Die meisten dieser Opfer wurden auf dem Friedhof Piskarewskoje beigesetzt.

Die Luftwaffe warf auf die Stadt insgesamt 100.000 Fliegerbomben ab. [2]

Leningrad wurde als erster Stadt der Sowjetunion der Titel Heldenstadt verliehen.

Bewertung durch die Geschichtswissenschaft

Der Versuch, die deutschen Motive für die Durchführung und Art der folgenschweren Belagerung von Leningrad herauszuarbeiten und zu bewerten, hat in der Geschichtswissenschaft kontroverse Ergebnisse hervorgebracht. Umstritten ist dabei vor allem die Frage, wie das deutsche Vorgehen völkerrechtlich und moralisch zu bewerten sei.

Vor allem ältere (west-)deutsche Forschungen haben häufig einerseits, zum Teil basierend auf nach dem Krieg entstandenen Darstellungen von Wehrmachtsoffizieren, Hitler persönlich die hauptsächliche Schuld zugewiesen. Der Diktator habe die Belagerung aus Hass und Verachtung gegenüber dem traditionellen kulturellen Zentrum des zaristischen Russland wie gegenüber der Wiege der bolschewistischen Revolution befohlen. Andererseits wird in diesen Darstellungen aber betont, dass die Strategie der Belagerung von Städten nicht ungewöhnlich, vielmehr in der Kriegshistorie häufig angewendet worden sei. In diesem Sinne könne zwar die hohe Anzahl von Opfern im Falle Leningrads als besonders tragisch betrachtet werden, jedoch nicht von einem Bruch mit gängiger militärischer Praxis und daher auch nicht von einem eine moralische Verurteilung der Wehrmacht legitimierenden Kriegsverbrechen die Rede sein. Hauptmotiv der Deutschen, auf eine militärische Eroberung der Stadt zu verzichten und stattdessen den Versuch zu unternehmen, diese durch Aushungern zur Aufgabe zu zwingen, sei nach diesen Interpretationen die Furcht vor dem erwarteten Widerstand von Roter Armee und Freischärlern und vor einem daraus folgenden, erbitterten und verlustreichen Straßenkampf gewesen. Eine wichtige Rolle hätten bei der Entscheidung Ende August, Anfang September 1941 aktuelle taktische Erwägungen, weniger langfristige Kriegsziele gespielt.

Demgegenüber setzt die jüngere deutsche Forschung die Belagerung Leningrads häufiger in den Kontext eines von den Nationalsozialisten in bewusstem Bruch mit Kriegs- und Völkerrechtstraditionen durchgeführten Vernichtungskrieges. Mit dessen Zielen und Praktiken hätten sich die meisten höheren Wehrmachtsoffiziere identifiziert. Auch die konkrete Entscheidung für die Belagerung Leningrads sei nicht nur aus kriegstaktischen Gründen erfolgt. Verantwortlich sei vielmehr eine strategische Umorientierung nach dem bald zutage tretenden Scheitern des Blitzkrieg-Konzeptes im Falle der Sowjetunion gewesen, was eine Reduktion von eigenen Operationen und Risiken notwendig gemacht habe. In der Folge setzte sich demnach unter den deutschen Militärs schnell eine Rhetorik durch, in der die komplette Vernichtung der Stadt und ihrer Bevölkerung zum eigentlichen Ziel der Belagerung erhoben wurde. In einer Fachstudie bezeichnete der Historiker Jörg Ganzenmüller im Jahr 2005 den blockadebedingten Tod von Hunderttausenden von Leningradern so als von den Deutschen gezielt herbeigeführten „Genozid“, basierend auf einer „rassistisch motivierten Hungerpolitik“. [3]

Einfluss auf die Kultur

Der Belagerung von Leningrad wurde in den späten 1950er-Jahren durch den Grüngürtel des Ruhmes gedacht, einem Band von Bäumen und Denkmälern entlang des früheren Frontverlaufs.

Dmitri Schostakowitsch schrieb seine Siebente, die Leningrader Symphonie.

Ich widme meine Siebente Sinfonie unserem Kampf gegen den Faschismus, unserem unabwendbaren Sieg über den Feind, und Leningrad, meiner Heimatstadt ... (Schostakowitsch am 19. März 1942 in der Prawda).

2003 publizierte die US-Autorin Elise Blackwell „Hunger“: einen Roman über die Ereignisse am Rande der Belagerung.

Der amerikanische Sänger Billy Joel schrieb ein Lied mit dem Titel „Leningrad“, das sich auf die berühmte Blockade bezog. Das Lied handelt zum Teil von einem jungen Russen namens Viktor, der seinen Vater während der Einschließung verlor.

Siehe auch

Literatur

  • Ganzenmüller, Jörg: Das belagerte Leningrad 1941-1944. Die Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2005. ISBN 350672889X
  • Gouré, Leon: The Siege of Leningrad. Stanford: Stanford UP, 1962.
  • Hass, Gerhart: Die deutsche Historiografie und die Belagerung Leningrads (1941–1944), Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 54.2 (2006), 139-162.
  • Haupt, Werner: Leningrad - Die 900-Tage-Schlacht, 1941–1944. Friedberg: Podzun-Pallas-Verlag, 1980. ISBN 3-7909-0132-6
  • Jahn, Peter (Hrsg.): Blockade Leningrads – Блокада Ленинграда. Berlin: Links, 2004.
  • Leetz, Antje und Barbara Wenner: Blockade, Leningrad 1941–1944 – Dokumente und Essays von Russen und Deutschen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1992.
  • Lubbeck, William; Hurt, David B. At Leningrad's Gates: The Story of a Soldier with Army Group North. Philadelphia, PA: Casemate, 2006 (hardcover, ISBN 1-932033-55-6).
  • Pawlow, Dimitrij W.: Die Blockade von Leningrad 1941. Frauenfeld und Stuttgart: Huber, 1967.
  • Salisbury, Harrison E.: 900 Tage: Die Belagerung von Leningrad. Frankfurt a.M.: S.Fischer, 1970.
  • Fonjakova, Ella: Das Brot jener Jahre: Ein Kind erlebt die Leningrader Blockade. Stuttgart und Berlin: Mayer, 2000.
  • Haar, Jaap ter: Oleg oder Die belagerte Stadt. München: dtv junior, 1977. ISBN 3-423-07858-8
  • Gennadij Gor: Blockade. Gedichte. [1942–1944]. Russisch / deutsch. A. d. Russ von Peter Urban. Wien: Edition Korrespondenzen 2007. ISBN 978-3-902113-52-8
  • Tschakowski, Alexander: Die Blockade. Berlin: Verlag Volk und Welt, 1975 (aus dem Russischen von Harry Burck)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. [1]
  2. http://findarticles.com/p/articles/mi_m1310/is_1985_May/ai_3752759
  3. Jörg Ganzenmüller, Das belagerte Leningrad (siehe Literaturliste), S.13-82, Zitate S. 17 und 20.

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