Blumentiere

Blumentiere
Blumentiere
Steinkorallen der Gattungen Montipora und Scolymnia

Steinkorallen der Gattungen Montipora und Scolymnia

Systematik
Reich: Tiere (Animalia)
Unterreich: Vielzellige Tiere (Metazoa)
Abteilung: Gewebetiere (Eumetazoa)
Stamm: Nesseltiere (Cnidaria)
Klasse: Blumentiere
Wissenschaftlicher Name
Anthozoa
Ehrenberg, 1834
Unterklassen

Die Blumentiere (Anthozoa) sind mit etwa 7500 Arten die größte Klasse der Nesseltiere (Cnidaria). Innerhalb dieser Klasse fehlt die Medusenform, das heißt, die Tiere kommen nur als Polypen vor. Dies wurde früher als Reduktion interpretiert; heute wird angenommen, dass das Medusenstadium primär fehlt. Sie werden daher meist den Medusozoa, d.h. den anderen Medusenbildenden Klassen der Nesseltiere gegenüber gestellt. Die Tiere leben einzeln oder kolonial, als Klone mit oder ohne Skelett, das organisch oder mineralisiert sein kann. Sie leben ausschließlich im Meer und kommen dort in allen Tiefenstufen bis in abyssale Tiefen vor. Die meisten Arten sind jedoch auf die obersten 100 m beschränkt.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Blumentiere sind durch das primäre Fehlen des Medusenstadium charakterisiert. Das Merkmal ist ein ursprüngliches oder plesiomorphes Merkmal und kann nicht zur Begründung der Monophylie benutzt werden. Dafür zeigen die Polypen drei Merkmale, die nur bei Polypen der Blumentiere vorkommen: Actinopharynx, Siphonoglyph und Mesenterien.

Der Actinopharynx (auch Stomodeum) ist eine ektodermal ausgekleidete Röhre, die in den Gastrovaskularraum (Coelenteron, Körperhohlraum) hineinreicht. Sie ist bei allen Blumentieren, die man bisher eingehend untersuchen konnte vorhanden, mit einer einzigen Ausnahme, die schwarze Koralle Sibopathes. Der Siphonoglyph (auch Sulcus) ist eine dicht bewimperte und meist drüsige Region des Actinopharynx, die einzeln oder paarig vorkommt. Sie fehlt nur wenigen Gruppen (z.B. ptyochodactiide Seeanemonen). Auch bei den Antipatharia wird das Vorhandensein eines Siphonoglyph diskutiert. Der Siphonoglyph charakterisiert die Ebene der Bilateralsymmetrie bei den Polypen. Das dritte Merkmal sind die Mesenterien, radial angeordnete blattförmige Gebilde des Weichkörpers, die sich von der Körperwand zum Actinopharynx erstrecken. Der Begriff Septen sollte für die von den Mesenterien ausgeschiedenen mineralisierten Unterteilungen des Gastrovaskularraums vorbehalten werden. Die Mesenterien oder zumindest einige Mesenterien erstrecken sich bis mindestens zur Hälfte der Strecke zwischen Körperwand und Actinopharynx. Sie sind zyklisch angeordnet; Mesenterien des gleichen Zyklus werden praktisch gleichzeitig gebildet. Die freie Spitze der Mesenterien ist zu einem Filament mit Drüsenzellen ausgebildet, Nematozysten und Zilien (Mesenterialfilament). Im mesenterialen Gewebe sind die Geschlechtsorgane bildenden Zellen enthalten und die epithelialen Muskelzellen konzentriert. Auch die Anordnung der Mesenterien zeigt Hinweise auf Bilateralsymmetrie.

Lebensraum

Blumentiere sind an Wasser gebunden und weltweit in allen Meeren verbreitet. Sie sind bis in eine Tiefe von 6.000 m anzutreffen. Einzellebende Exemplare sind an harte Oberfläche gebunden oder tief im Schlamm oder Sand vergraben. Koloniebildende Blumentiere überkrusten andere Substrate oder bilden Skelette unterschiedlichster Formen. Kolonien von Seefedern (Pennatulacea) sind durch den Primär-Polypen im weichen Untergrund verankert. Riffbildende Arten leben typischerweise in flachen (bis 40m Tiefe), klaren, tropischen Gewässern.

Entwicklungsgeschichte

Molekulartechnische Untersuchungen ordnen die Blumentiere als den frühesten Zweig der Nesseltiere. Auch das exklusive Lebensstadium als Polyp, das Urstadium aller Nesseltiere, stützt diese Ordnung. Erste Fossilien stammen aus dem Präkambrium (vor etwa 540 Millionen Jahren). Erst im Ordovizium wurden Fossilien von mineralisierten Blumentieren häufiger. Erste Fossilien von Steinkorallen (Scleractinia) sind aus dem Trias (vor etwa 230 Millionen Jahren) belegt.

Systematik

Polyp einer Steinkoralle
  • Unterklasse Hexacorallia, auch Sechsstrahlige Blumentiere oder Zoantharia genannt.
Der Gastralraum dieser Tiere ist durch paarige, fleischige Magenleisten "Mesenterien" von der Magenwand her unterteilt. Bei den rezenten Hexacorallia werden im Laufe der Entwicklung sechs paarige Mesenterien (Protomesenterien) gebildet, die von der Polypenbasis bis zum Schlundrohr reichen. Im Laufe der Entwicklung können weitere Mesenterienpaare (Metamesenterien) gebildet werden. Den Raum zwischen zwei Mesenterien nennt man Gastraltasche. Die Tentakelanzahl entspricht der Zahl der Gastraltaschen (außer bei den Corallimorpha).
Skelett tragende Hexakorallen besitzen ein Basisskelett, den Kelch oder Polypar. Neben der Kelchwand besteht dieses aus radial stehenden, vertikalen Septen. Die Skelettsubstanz ist bei den rezenten Hexacorallia Aragonit.
Polypen einer jungen Weichkoralle
  • Unterklasse Octocorallia, auch Achtstrahlige Blumentiere oder Alcyonaria genannt.
Der Gastralraum dieser Tiere ist durch acht unpaarige Mesenterien unterteilt und sie haben entsprechend viele Tentakeln.
Das Skelett der Octocorallia leitet sich mit der Ausnahme der Helioporida von kalzitischen Skleriten ab, die miteinander verwachsen können und so feste Gerüste bilden. Sie werden von Ektodermzellen gebildet, die in die Mesogloea eingewandert sind. Die Helioporida besitzen keine Sklerite, ihr Skelett besteht aus Aragonitfasern, die vom basalen Ektoderm ausgeschieden werden.

Phylogenie

Nach der molekulargenetischen Analyse durch Collins (2002) und einer kombinierten morphologisch-molekulargenetischen Analyse von Marques & Collins (2004) stehen die Blumentiere an der Basis der Nesseltiere. Sie sind das mutmaßliche Schwestertaxon aller übrigen Nesseltierklassen. Kladogramm der Cnidaria nach Collins (2002)

 Cnidaria 


 Hexacorallia 


     

 Octocorallia 


     


 Scyphozoa 


     

 Staurozoa 


     

 Cubozoa 




     

 Hydrozoa 






Siehe auch

Literatur

  • Isabel Koch, Franz Brümmer: Baumeister der Riffe - Nesseltiere (Cnidaria). Korallenriffe - Paradiese unter Wasser -- Entstehung, Ökologie und Bedrohung. Teil 2. in: Futura. Boehringer Ingelheim Fonds, Sturrgart 1996,4. ISSN 0179-6372
  • Marymegan Daly, Mercer R. Brugler, Paulyn Cartwright, Allen G. Collin, Michael N. Dawson, Daphne G. Fautin, Scott C. France, Catherine S. McFadden, Dennis M. Opresko, Estefania Rodriguez, Sandra L. Romano & Joel L. Stake: The phylum Cnidaria: A review of phylogenetic patterns and diversity 300 years after Linnaeus. Zootaxa, 1668: 127–182, Wellington 2007 ISSN 1175-5326 Abstract - PDF
  • Allen G. Collins: Phylogeny of Medusozoa and the evolution of cnidarian life cycles. Journal of Evolutionary Biology, 15: 418–432, Oxford 2002 PDF.
  • Antonio C. Marques und Allen G. Collins: Cladistic analysis of Medusozoa and cnidarian evolution. Invertebrate Biology, 123(1): 23–42, Malden, Mass., 2004 ISSN 1077-8306 doi:10.1111/j.1744-7410.2004.tb00139.x

Weblinks

 Commons: Blumentiere – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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