Bocksten's Mann

Bocksten's Mann
Zeichnung des Bockstensmann vom finnischen Künstler Harry Kivijärvi auf einem Gedenkstein in Varberg.

Als Bockstensmann oder Bocksten-Mann wird ein archäologischer Fund bezeichnet, der 1936 im schwedischen Hochmoor Bockstens Mosse gemacht wurde und danach ins Museum von Varberg in Halland überführt wurde. Es handelt sich um das Skelett einer mittelalterlichen Person mit erstaunlich gut erhaltenen Haaren und Kleidungsstücken, das der 11-jährige Thure G. Johansson auf dem Grundstück seiner Eltern entdeckte.

Das Moor liegt beim Ort Rolfstorp in der Gemeinde Varberg. Der Fundplatz liegt an einem Teil der Via Regia, im Mittelalter ein Hauptweg der Region. Die gefundene Person wurde nach der Ermordung an einen Pfahl gebunden, der in den Boden des damaligen Sees gerammt war.

Inhaltsverzeichnis

Entdeckung

Fundplatz des Bockstensmann (mit einem Kreuz markiert)

In den 1880er Jahren entstand am Hochmoor ein Hof und das Moor selbst wurde mit Dränage für die Torfgewinnung vorbereitet. Schon 1934 entdeckte man bei der Mahd der Moorwiese eine Schuhsohle, doch der Kurator des örtlichen Museums, Albert Sandklef, hielt diese für uninteressant.

Am 22. Juni 1936, einen Tag vor dem Mittsommerfest, arbeitete der 11-jährige Thure mit seinem Pferd und einer Egge auf dem Moor, während sein Vater eine Scheune für die Lagerung von Torf vorbereitete. Zwischen 18 und 19 Uhr verhängte sich ein Gegenstand in der Egge, der an Sackleinen erinnerte. Als Thure die Stelle genauer untersuchte, fand er Skelettteile und holte seinen Vater zur Hilfe.

Am folgenden Tag informierte der Vater den örtlichen Polizeiwachtmeister, gleichzeitig Friedhofswächters der Gemeinde. Man wollte den Leichnam auf den örtlichen Friedhof überführen. Im weiteren Verlauf besahen sich auch zwei juristische Beamte und ein Arzt den Fund. Als diese feststellten, dass der gefundene Mann schon sehr lange tot war, nahm ein Beamter einige Knochen mit nach Hause und der Arzt kontaktierte Albert Sandknef, den Leiter des Museums Varberg. Dieser fuhr sofort zur Wohnung des Beamten, besah sich die Knochen und kam schon zwei Tage später mit mehreren Wissenschaftlern zum Fundplatz. Zu den Fachleuten gehörte ein Geologieprofessor mit seinen Studenten, der gerade in der Nähe Untersuchungen durchführte. Als erstes wurde der Fund fotografiert und ausgemessen. Danach wurden die noch in der Erde befindlichen Teile ausgegraben und auf eine Bahre gelegt, welche man danach zum Museum von Varberg brachte. Die oberen Körperteile waren durch die Egge beschädigt, doch der Unterleib mit Ausnahme des rechten Fußes war noch vollständig intakt.

Nach den Feiertagen nahm Albert Sandklef Kontakt mit dem Staatlichen Historischen Museum Schwedens auf, worauf ein Konservator und ein Textilexperte nach Varberg reisten, um bei der Untersuchung zu helfen. Nach der Konservierung des Fundes wurde dieser 1937 im Museum von Varberg ausgestellt, zunächst hängend, seit dem Ende der 1970er Jahre liegend.

Beschreibung des Fundes

Schädel mit Haaren des Bockstensmannes

Der Mann war 170 bis 180 cm groß und hatte eine schmächtige Gestalt. Skelett, Haut, Haare, Magen und Gehirn waren sehr gut erhalten geblieben. Der Schädel besaß keine Haut mehr und war auf der rechten Seite beschädigt. Außerdem war der Schädel aufgeweicht und am Stirnbein leicht eingedrückt. Auch Lunge, Leber und einige Knorpel blieben gut erhalten.

Die Kleidung des Mannes zählt zu den am besten erhaltenen europäischen Textilien des Mittelalters. Sie war aus kräftigem Streichgarn von Schafwolle gewebt. Als Kopfbedeckung trug der Mann eine Gugel mit einer 90 cm langen und 2 cm breiten Spitze, an den Beinen zwei wollene Beinlinge. Als äußeren Schutz trug der Mann einen Mantel. Außerdem fand man noch einen Stoffbeutel, Fußlappen, Lederschuhe, einen Gürtel und ein Lederetui mit zwei Messern. Das Lederetui war etwa 40 mm breit, 62 mm lang und in drei Schichten gefertigt. Auf der äußersten Schicht war ein Zeichen eingeritzt, das man als Kombination aus einem Andreaskreuz und einem Georgskreuz deutete. Dies entspricht dem gleichen Muster wie die britische Flagge. Auf der inneren Schicht befand sich das Symbol eines Stabes, der durch eine kleinere Version des Zeichens der Außenschicht abgeschlossen wurde.

Ans Holzkreuz war der Mann mit zwei Pflöcken geschlagen. Der erste war aus Eichenholz und ging direkt durchs Herz, der zweite bestand aus Birkenholz und lag in der Mitte des Rückens. Den Spuren an der Kleidung und dem Hüftbein des Opfers nach zu schließen, versuchten die Mörder einen weiteren Pflock durch den Mann zu schlagen.

Deutung des Fundes

Mehrere Personen, darunter Albert Sandknef, Margareta Nockert und Owe Wennerholm, haben versucht zu bestimmen, wer der Mann von Bockstens Mosse war.

Datierung

Aufgrund der gefundenen Kleider, speziell mit Hinblick auf die Gugel, wurde der Fund ins 14. Jahrhundert datiert. Wennerholm merkte an, dass ähnliche Kopfbedeckungen schon früher verwendet wurden und legte einen Todeszeitpunkt zwischen 1250 und 1520 fest. Er verarbeitet jedoch eine Reihe anderer Indizien, was ihn zu der Hypothese verleitet, dass es sich um die Person Simon Gudmundi handelt, von der man weiss, dass sie 1491 starb.

Ein Stoffrest wurde in den 1980er-Jahren mit der Radiokohlenstoffdatierung untersucht. Das Ergebnis gibt eine 68-prozentige Sicherheit für die Periode von 1290 bis 1410 und eine 95-prozentige Sicherheit für den Zeitraum 1290 bis 1430. Einige Unsicherheiten gibt es aber weiterhin. Das liegt zum Einen daran, dass die Kleidung des Mannes konserviert wurde und zum Anderen daran, dass der Mann über einen sehr langen Zeitraum im Moor lag.

Alter der Person

Ein rechtsmedizinischer Odontologe hat nach der Untersuchung der Zähne des gefundenen Mannes ein Lebensalter von 25 bis 35 Jahren berechnet. Dagegen meinte der Osteologe Nisl-Gustaf Gevall, dass der Mann aufgrund des Skelettes zwischen 35 und 40 Jahre alt gewesen sein muss. Es ist sogar möglich, dass er bis zu 60 Jahre alt war.

Sozialer Status

Die Einordnung der Person in eine Gruppe der damaligen Gesellschaft erfolgte vor allem aufgrund der gefundenen Kleidung. Zipfelmützen wurden im Mittelalter hauptsächlich von Personen des Hochadels getragen. Es könnte sich also beispielsweise um einen Steuereintreiber oder einen Verantwortlichen für die Rekrutierung von Soldaten handeln. Diese Vermutungen passen zusammen mit einer nachführend folgenden örtlichen Sage.

Zipfelmützen wurden auch von geistlichen Personen getragen. Owe Wennerholm deutete deshalb einen der gefundenen Gegenstände als Minischild und betrachtet die gefundene Person als Mitglied einer Ordensgemeinschaft.

Die lokale Sage

Kurz nach der Auffindung des „Moormannes“ berichtete ein Bauer aus dem Ort Grimeton, eine Sage, die er als Kind gehört hatte. Zwei Personen sollen seinem Vater einen Mann beschrieben haben, der durch die Gegend zog und Soldaten anwarb. Dieser Mann wurde von Bauern erschlagen und in einem Moor vergraben. Danach begann der Mann als Geist in der Gegend zu spuken und um ihn daran zu hindern wurden Pfähle durch den Körper geschlagen, was auch zum Ende des Spukes führte. Der alte Bauer meinte aber, dass es sich um den Ort Nackhälle beim Moor Store Mosse handelt, doch er könnte die Handlung auch verlegt haben, da er aus jener Gegend stammte.

Bei Befragungen von älteren Bürgern des Ortes Nackhälle war die Sage jedoch unbekannt.

Todesursache

Es war lange Zeit unklar, ob der gefundene Mann durch Gewalteinwirkung starb, doch im Januar 2006 führte eine genauere Untersuchung an einem Plastmodell des Schädels zu folgendem Ergebnis. „Er erhielt zuerst einen Schlag an den Unterkiefer, danach einen Schlag am rechten Ohr und später einen weiteren Schlag weiter hinten, was wahrscheinlich zu seinem direkten Tode führte. Vermutlich lag er schon am Boden. Ein Pfahl oder ein Hammer kann als Waffe verwendet worden sein.“

Identität

Owe Wennerholm hat die Hypothese entwickelt, dass es sich bei dem Ermordeten um den Dompropst, Simon Gudmundi, von Linköping handelt, der auf Order des Priesters Hemming Gadh erschlagen wurde.

Diese Vermutung basiert auf Markierungen im gefundenen Minischild, die Wennerholm als Initialen Gudmundis deutete. Gudmundi soll sich in der Gegend aufgehalten haben, weil im Ort Mute ein Wunder geschehen sein soll, was für die Heiligsprechung von Katharina von Schweden genutzt werden sollte. Laut Wennerholm gab es auch ein Mordmotiv, da Hemming Gadh den Posten des Dompropstes selbst ausführen wollte.

Literatur

  • Albert Sandklef: Bockstensmannen - Fyndet, konserveringen, dateringen, dräkten, mannen, myten. Fabel, Stockholm 1985. ISBN 91-7842-056-3
  • Owe Wennerholm: Vem var Bockstensmannen? Fjärås, Carse 1998. ISBN 91-971061-7-8

Weblinks

57.13888888888912.4583333333337Koordinaten: 57° 8′ 20″ N, 12° 27′ 30″ O


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