Bodenfließen

Bodenfließen

Unter Solifluktion (Bodenfließen, im Zusammenhang mit periglazialen Prozessen auch Gelifluktion) sind großflächige, hangabwärts gerichtete Fließbewegungen von Schutt- und Erdmassen in Periglazialgebieten zu verstehen.

Zum Kriechen oder Fließen kann es aber auch infolge dynamischer Belastung wie z. B. Erdbeben (Bodenverflüssigung) kommen. Besonders thixotrope und sensitive Böden oder Lockergesteine neigen zum Bodenfließen (Fließerde, Setzungsfließen). Beides sind verwandte Erscheinungen, jedoch keine Solifluktion i.e.S., da keine Frost- und Auftauvorgänge beteiligt sind.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Ursache ist das Auftauen von Oberbodenschichten über dem Permafrostbereich Dauerfrostböden bei einer gewissen Neigung des Reliefs. Die Auftauschicht (der active layer „aktive Schicht“) des Bodens ist meist wassergesättigt, da der Permafrost im Untergrund ein Versickern des Wassers verhindert. Die Wassersättigung setzt die Reibung im Bodensubstrat herab, was die hangabwärtsgerichtete Fließbewegung ermöglicht.

Solifluktion ist der wichtigste Abtragungs- und Transportprozess im Periglazialgebiet. Sie wirkt schon bei sehr flachen Hängen ab ca 2° Neigung.

Neben einer Wassersättigung ist die Solifluktion an einen ausreichend hohen Anteil von Feinmaterial (Feinsande, Tone, Schluffe) gebunden. Bewegungsbeträge von ca. 5-10 cm/a können erreicht werden. In Solifluktionsböden finden sich hangparallel eingeregelte Steine und oftmals Pressstrukturen.

Im Unterschied zum Bodenkriechen erfolgt bei der Solifluktion die Hangabwärtsbewegung durch tatsächliche Fließvorgänge, die durch den wassergesättigten Boden über gefrorenem Untergrund verursacht werden und charakteristische, morphologische Formen an der Oberfläche ausbilden. Beim Bodenkriechen erfolgt die Bewegung ausschließlich durch Versatz, der aus dem periodischen Wirken von Kontraktion und Expansion verursacht wird.

Morphologische Formen

Die Solifluktion ist der maßgebliche Prozess der zur Entstehung von periglaziären Lagen (Deckschichten, Schuttdecken) wie der in Mitteleuropa verbreiteten Hauptlage führt.

  • Solifluktionszunge: Solifluidal hangabwärts verlagerte Bodensubstrate weisen in der Regel eine zungenartige Form auf.
  • Solifluktionslobe: Durch das hangabwärtige Fließen des Bodens entstandene Auswölbung an der Front des Solifluktionsbereiches. Auch die Front einer Solifluktionszunge kann als eine Lobe angesehen werden. Als fossile Geländeform nennt man die Form Riedel.
  • Solifluktionsnische: Praktisch der Herkunftsbereich des solifluidal verlagerten Bodensubstrats. Durch die Verlagerung entstandene Delle im Hang oberhalb des solifluidal verlagerten Materials.

Typen und Spezialformen

  • Tageszeiten/Jahreszeiten-Solifluktion: Unter Tageszeiten Solifluktion versteht man einen täglichen Frostwechsel (nächtl. frieren, tägl. auftauen) und unter Jahreszeiten Solifluktion versteht man einen saisonalen Frostwechsel (Sommer/Winter)
  • periglaziale Solifluktion: Auftreten in arktischen und subnivalen Gebirgsgegenden im Umfeld der großen Inlandeismassen und Hochgebirgsgletscher.
  • freie Solifluktion: erleichtertes Bodenfließen bei Fehlen einer geschlossenen, bindenden Vegetationsdecke.
Girlanden (Form der gebundenen Solifluktion) im Schweizerischen Nationalpark am Ofenpass
  • gebundene Solifluktion: Zerreißen der Grasnarbe und Bildung von Abrissnischen (Rasentreppen) in der Vegetationsdecke. Am Hangfuß können sich zusammengerollte Grasteppiche ansammeln. In der Schweiz wird diese Form der Solifluktion Girlande genannt.
  • Kammeissolifluktion: Bodenteile werden durch wachsendes Eis rechtwinkelig zur Geländeoberfläche gehoben. Beim Tauen des Kammeises setzt sich das Bodensubstrat hangabwärts ab. Dadurch ergibt sich je nach Neigung des Reliefs ein geringer talwärts gerichteter Versatz.
  • Mikrosolifluktion / Kryoturbation: bei Frostwechsel erfolgt in den oberen Bodenschichten neben der Bodenbewegung auch eine Materialsortierung. Ursache der Bildung von Strukturböden.
  • Makrosolifluktion: ähnlich der Mikrosolifluktion, jedoch an steileren Hängen und deshalb mit größerer Wirkung.

Literatur:

  • Lothar Eissmann: Periglaziäre Prozesse und Permafroststrukturen aus sechs Kaltzeiten des Quartärs. Ein Beitrag zur Periglazialgeologie aus der Sicht des Saale - Elbe - Gebietes. In: Altenburger Naturwissenschaftliche Forschungen, Band 1, 1981
  • Arno Semmel: Periglazialmorphologie. In: Erträge der Forschung, Band 231, 1994.

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