Boltzmann

Boltzmann
Boltzmanns Bild in der Dibner-Kollektion
Grabmal auf dem Wiener Zentralfriedhof

Ludwig Boltzmann (* 20. Februar 1844 in Linz; † 5. September 1906 in Duino bei Triest) war ein österreichischer Physiker und Philosoph.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Boltzmanns Vater, ein Steuerbeamter, starb an Tuberkulose, als der Sohn Ludwig erst 15 Jahre alt war, sein Bruder starb als Halbwüchsiger und auch seine Schwester bereits als junge Frau. Ludwig Boltzmann hatte am Linzer Gymnasium stets Vorzugsnoten, sein Klavierlehrer war Anton Bruckner. Nach der Matura studierte er in Wien Physik und wurde 1867 Assistent an der dortigen Universität bei Josef Stefan. 1869 nahm er eine Professur für Theoretische Physik in Graz an. Nach Aufenthalten an den Universitäten München, Wien und Leipzig übernahm er schließlich 1895 die Nachfolge des Lehrstuhls von Josef Stefan in Wien. 1891 wurde er Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1896 der Accademia dei Lincei.

Das Lebenswerk Boltzmanns war die Neuaufstellung der Thermodynamik. Dabei begründete er mit James Clerk Maxwell die Statistische Mechanik (Boltzmann-Statistik) und deutete die Entropie als eine mikroskopische Größe (s.u.).

Boltzmann war ein Verfechter der atomistischen Vorstellung. Er hatte dabei zahlreiche Fachgenossen seiner Zeit als Gegner, unter ihnen Wilhelm Ostwald und Max Planck. Dieser griff jedoch bei seinem Planckschen Strahlungsgesetz auf die Vorstellungen Boltzmanns zurück. Das Stefan-Boltzmann-Gesetz (die ausgestrahlte Leistung ist der 4. Potenz der absoluten Temperatur proportional) ist ein Sonderfall des Planckschen Gesetzes.

Ab 1870 beschäftigte sich Boltzmann auch mit Problemen der Luftfahrt; so interessierten ihn auch die Flugversuche von Otto Lilienthal.

1876 heiratete er Henriette von Aigentler (1854-1938). Sie hatten gemeinsam fünf Kinder, von denen vier zwischen 1878 und 1884 in Graz zur Welt kamen. Die jüngste Tochter wurde 1891 in München geboren. Seine wissenschaftlich fruchtbarste Zeit verbrachte er in Graz und auch seine menschlich glücklichste. Er musizierte, betrieb Sport und war ein treusorgender Familienvater, der jedoch einen seiner Söhne durch eine Blinddarmentzündung verlor. Boltzmann konnte mit beißender Ironie seine Mitmenschen traktieren, wurde jedoch als Mensch mit eigentlich gütigem Wesen beschrieben. Er liebte die Musik und spielte sehr gut Klavier. Seine letzten Lebensjahre waren durch ein körperliches Leiden geprägt, das schließlich während eines Sommeraufenthalts mit seiner Familie im Suizid endete: Boltzmann erhängte sich am Fensterkreuz eines Kurhotels im italienischen (damals österreichischen) Duino. Auf seinem Grabstein am Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 14 C, Nummer 1) ließ Max Planck die von Boltzmann gefundene fundamentale Beziehung eingravieren:

 S = k \, \log W \,.

In anderer Schreibweise:

 S = k_\mathrm{B} \, \ln \Omega \,.

Die Entropie S eines Makrozustandes ist proportional dem natürlichen Logarithmus der Zahl Ω der entsprechend möglichen Mikrozustände, bzw. die Entropie eines Makrozustandes ist proportional dem Maß seiner „Unordnung“. Die Proportionalitätskonstante ist Boltzmann zu Ehren Boltzmann-Konstante kB genannt worden, jedoch wie die ganze Formel in der Form erstmals explizit von Max Planck eingeführt worden; sie ist universal gültig und hat die Dimension Energie/Temperatur. Historisch steht W \geq 1 für eine „thermodynamische Wahrscheinlichkeit“, während Ω = ZMK die mikrokanonische Zustandssumme bezeichnet. Somit steht auf Boltzmanns Grab die Entropieformel für die mikrokanonische Gesamtheit.

Eine Entropiezunahme entspricht einem Übergang in einen Makrozustand mit einer größeren Zahl möglicher Mikrozustände. In einem abgeschlossenen (isolierten) System nimmt die Entropie stets zu.

Folgende Eponyme leiten sich von Ludwig Boltzmann ab: Boltzmann-Konstante, Boltzmann-Faktor, Boltzmann-Gleichung, Boltzmann-Maschine, Maxwell-Boltzmann-Verteilung, die Lattice-Boltzmann-Methode zur numerischen Strömungssimulation und die Ludwig Boltzmann Gesellschaft.

Sonstiges

Ludwig Boltzmann wurde in Alfred Besters Zeitreise-Kurzgeschichte Die Mörder Mohammeds ein literarisches Denkmal gesetzt.

Boltzmanns Leitspruch war:

Bring vor, was wahr ist;
schreib so, dass es klar ist.
Und verficht's, bis es mit dir gar ist!

Werke (Auswahl)

  • Einige allgemeine Sätze über Wärmegleichgewicht, Wiener Berichte, 63: 679–711 (1871)
  • Weitere Studien über das Wärmegleichgewicht unter Gasmolekülen, Wien. Ber. 66, 275-370 (1872)
  • Über die Beziehung zwischen dem zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie und der Wahrscheinlichkeitsrechnung respektive den Sätzen über das Wärmegleichgewicht, Wien. Ber. 76, 373-435 (1877)
  • Über einige Fragen der Kinetische Gastheorie, Wiener Berichte, 96: 891–918 (1887)

Literatur

  • Roman Sexl und John Blackmore (hrsg.), "Ludwig Boltzmann - Ausgewählte Abhandlungen", (Ludwig Boltzmann Gesamtausgabe), Band 8), Vieweg, Braunschweig, 1982.
  • John Blackmore (ed.), "Ludwig Boltzmann - His Later Life and Philosophy 1900-1906, Book One", Kluwer (Jetzt Springer Verlag), Dordrecht, 1995.
  • John Blackmore, "Ludwig Boltzmann - His Later Life and Philosophy, 1900-1906, Book Two, The Philosopher", Kluwer (jetzt Springer Verlag), 1995.
  • John Blackmore (ed.), "Ludwig Boltzmann - Troubled Genius as Philosopher", Synthese, 119 (1999) Nos. 1-2, pp. 1-232.
  • Carlo Cercignani: Ludwig Boltzmann - The Man Who Trusted Atoms, Oxford University Press, Oxford/New York/Melbourne 1998.
  • John Blackmore, "Ernst Mach - His Work, Life, and Influence", Berkeley, 1972. -
  • Manfred Jacobi: Ludwig Boltzmann (1844 - 1906). Naturwissenschaftliche Rundschau 59(10), S. 540 - 546 (2006), ISSN 0028-1050
  • K. Rumpf: Ludwig Boltzmann als Experimentalphysiker: Frühe Bestätigung. Physik in unserer Zeit 37(5), S. 228 - 234 (2006), ISSN 0031-9252
  • Ilse M. Fasol-Boltzmann (Ed.): Ludwig Boltzmann Principien der Naturfilosofi, Lectures on Natural Philosophy 1903-1906. Springer-Verlag Heidelberg, Berlin, etc., 1990, ISBN 3-540-51716-2
  • Walter Höflechner (Hrsg.). Ludwig Boltzmann, Leben und Briefe, 770 S., Akadem. Duck- u. Verlagsanstalt Graz, 1994, ISBN 3-201-01629-2
  • Ilse M. Fasol-Boltzmann und Walter Höflechner (Eds.): Ludwig Boltzmann, Vorlesungen über Experimentalphysik in Graz. Akademische Druck- u. Verlagsanstalt Graz, 1998, ISBN 3-201-01685-3
  • Ilse M. Fasol-Boltzmann, Karl Heinz Fasol, Walter Höflechner: LUDWIG BOLTZMANN, Notizen und Gedanken aus seinen letzten Lebensjahren. ÖGW Mitteilungen (18) 1998, S.87-124
  • Ilse M. Fasol-Boltzmann, Gerhard Ludwig Boltzmann (Hrsg.): Ludwig Boltzmann (1844-1906), Zum hundertsten Todestag, Springer Wien NewYork, 2006, ISBN 3-211-33140-9. Mit vollständigem Werkeverzeichnis und umfangreicher Bibliographie

Weblinks


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