Bosnische Spur

Bosnische Spur
"RAMA", die älteste Schmalspurlokomotive Serbiens mit Spurweite 760 mm im Museum von Požega.
Lokomotiven mit Klose-Triebwerk, von den Eisenbahnern „Radialka“ genannt, waren in Jugoslawien weit verbreitet.
Zug auf der Museumsbahn Šarganska osmica
Triebwagen der Waldviertler Schmalspurbahnen in Alt Weitra (Niederösterreich)

Die sogenannte Bosnische Spurweite, auch „Bosnaspur“, ist die Eisenbahn-Spurweite von 760 mm. Der jugoslawische Volksmund nannte die Schmalspurzüge „Ćiro“.

Ein umfangreicher Teil des Eisenbahnnetzes im ehemaligen Jugoslawien wurde als Schmalspurbahn in 760 mm Spurweite errichtet. Die meisten Strecken in dieser Spurweite befanden sich in Bosnien-Herzegowina. Sie entstanden während der österreichischen Verwaltung dieses Gebiets in den letzten Jahrzehnten des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Die Spurweite von 760 mm wird daher heute noch als Bosnische Spurweite oder auch als „Bosnaspur“ bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Keimzelle dieses umfangreichen Streckennetzes war eine als militärische Feldbahn errichtete Strecke von Bosnisch Brod nach Zenica. Diese wurde vom Bauunternehmen Hügel & Sager mit gebrauchtem Material, welches zuvor beim Bau der Bahnlinie von Timişoara nach Orşova an der Donau zum Einsatz gekommen war, errichtet. Für die weit verbreitete Ansicht, das Material stamme vom Bau des Suezkanals existieren jedoch keine Belege.[1] Diese Bahn, die schon bald nach Sarajevo verlängert wurde, stellte für damalige Verhältnisse das erste moderne Verkehrsmittel in der Region dar, das rasch an die Bedürfnisse eines zivilen öffentlichen Verkehrs angepasst und erweitert wurde.

Später war im Gebiet der gesamten Donaumonarchie bei der Errichtung von Schmalspurbahnen eine Spurweite von 760 mm vorgeschrieben. Im Kriegsfall sollten dadurch ausreichend passende Fahrzeuge für die k.u.k.-Heeresfeldbahnen zu Verfügung stehen. Doch auch außerhalb Österreich-Ungarns fand die Bosnische Spurweite Verwendung, z.B. in Bulgarien, aber auch in Serbien wurde ein umfangreiches Streckennetz in dieser Spurweite errichtet.

Nach Gründung des jugoslawischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg wurden die bosnischen und serbischen Strecken durch eine neue Strecke über das Šargan-Gebirge verbunden, womit ein zusammenhängendes Schmalspurnetz entstand, welches weite Teile Bosnien-Herzegowinas und Serbiens, sowie Teile Montenegros und des dalmatinischen Küstenlandes erschloss. So fuhren durchgehende Schnellzüge von Belgrad über Sarajevo nach Dubrovnik auf schmaler Spur. Ergänzt wurde dieses Streckennetz durch eine Vielzahl von nicht öffentlichen Waldbahnen und Industriebahnen (z.B. Steinbeis-Bahn).

Die Schmalspurbahnen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach durch Normalspurbahnen (Spurweite 1435 mm) ersetzt oder wegen Unwirtschaftlichkeit gänzlich eingestellt. Die letzten Linien für den Personenverkehr, darunter die Bosnische Ostbahn von Sarajevo nach Višegrad, waren auf bosnischer Spur bis zum 28. Mai 1978 in Betrieb. Einige Streckenabschnitte in Serbien verblieben noch für einige Jahre für den Güterverkehr erhalten. In Bosnien blieben nur einige kurze Industriebahnen vor allem im Bergbau erhalten. Die Teilstrecke über das Šargan-Gebirge in Serbien wurde zwischen 1999 und 2003 als Museumsbahn wieder aufgebaut. Diese Šarganska osmica (Šargan-Acht) genannte Bahn von Mokra Gora nach Šargan Vitasi ist Bestandteil eines umfangreichen Tourismusprojektes für Westserbien und soll weiter ins bosnische Višegrad verlängert werden. Der Streckenabschnitt über die Grenze nach Dobrun wurde im Mai 2006 fertiggestellt, bis dato (2009) aber noch nicht in Betrieb genommen.

Bahnen in Bosnischer Spurweite werden heute noch vor allem in Österreich, Ungarn, Tschechien und Bulgarien fahrplanmäßig betrieben. In der Slowakei und Rumänien existieren ebenfalls noch jeweils wenige Kilometer Strecke. In Slowenien, Kroatien und Serbien existieren bis auf die erwähnte Museumsbahn und kurze Strecken in Industriebetrieben keinerlei Strecken mehr in dieser Spurweite. In Italien wurden alle 760 mm-Strecken spätestens in den 1960er-Jahren vollständig abgebaut. In Polen und der Ukraine (Borschawatalbahn) gelegene Strecken wurden entweder stillgelegt oder auf 750 mm umgebaut.

Im britischen Kulturkreis gab und gibt es Strecken mit 30 Zoll (762 mm) Spurweite. Trotz dieser geringen Differenz werden diese nicht zu den Bahnen bosnischer Spur gezählt.

Die möglicherweise weltweit jüngste Schmalspurbahn in Bosnischer Spurweite wurde nach der Jahrtausendwende unter Beteiligung österreichischer Unternehmen zur touristischen Erschließung einer Tropfsteinhöhle im Oman gebaut.

Quellen

  1. Keith Chester:The Narrow Gauge Railways of Bosnia-Hercegovina, S. 22

Literatur

  • Tadej Braté: Die Dampflokomotiven Jugoslawiens, Verlag Slezak, Wien, 1971, ISBN 3-900134-01-4
  • Keith Chester: The Narrow Gauge Railways of Bosnia-Hercegovina, Verlag Stenvall, 2006, ISBN 91-7266-166-6
  • Johann Rihosek: Die Lokomotiven der Bosnisch-Herzegowinischen Landesbahnen, Reprint 2005 [1]
  • Alfred Horn: Die Bahnen in Bosnien und der Herzegowina, Sonderheft der Zeitschrift Eisenbahn, Verlag Ployer, Wien 1964
  • Helga Berdan: Die Machtpolitik Österreich-Ungarns und der Eisenbahnbau in Bosnien Herzegowina, Diplomarbeit an der Universität Wien [2] (pdf)

Film

  • Schmalspurdampf in Bosniens Gebirge, Rio Grande Classic Video Nr. 2013 [3]

Weblinks


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