Botenstoff

Botenstoff

Als Botenstoff (Mediator, Signalstoff, Elicitor, Semiochemikalie, Infochemikalie) bezeichnet man verschiedene chemische Stoffe, die in einem Organismus, zwischen den Individuen einer Spezies oder zwischen verschiedenen Spezies der Übertragung von Signalen bzw. Informationen (chemische Kommunikation) dienen.

Botenstoffe sind essentiell für das Zusammenspiel der Zellen in einem Organismus (Kommunikation zwischen den Zellen). Bei Pflanzen regulieren Botenstoffe u.a. das Wachstum und die Entwicklung sowie auch den eigenen Schutz, z. B. vor Krankheitserregern oder Fressfeinden.[1][2]

Die Kommunikation zwischen den Organismen erfolgt häufig auch über chemische Botenstoffe, die sog. Semiochemikalien. Bei den Semiochemikalien wird generell zwischen Pheromonen und Allelochemikalien unterschieden. Während Pheromone der Kommunikation zwischen Organismen einer Art (intraspezifisch) dienen, vermitteln Allelochemikalien Informationen zwischen verschiedenen Arten (interspezifisch). Bei den Allelochemikalien unterscheidet man Allomone, die dem Sender nützen, Kairomone, die dem Empfänger nützen und Synomone, die beiden nützen[3]. Beispiele für eine interspezifische Wirkung sind

  • das Vermögen einiger Pflanzen, über bestimmte Allomone Parasiten von Pflanzenschädlingen anzulocken.[1]
  • das Anlocken von Nachtfaltern als Beute durch eine Spinnenart mittels eines Sexualpheromons.[4]

Inhaltsverzeichnis

Beispiele für Botenstoffe und ihre Wirkungen

Beispiele für Botenstoffe und ihre Wirkungen
Boten- bzw. Signalstoff Wirkungsort Wirkungsweise Wirkung
Mensch Hormon Zellen bzw. Gewebe im Körper Hormon wirkt über Rezeptormolekül an der Zelloberfläche (Signaltransduktion) Kontrolle der Stoffwechselvorgänge im Körper durch Schilddrüsen-Hormone, unter anderem Thyroglobulin
Hormon dringt in die Zelle ein (zum Beispiel Steroide) und reagiert dort mit Rezeptorprotein (zum Beispiel Sexualhormonen wie Androgene oder Estrogene)
Pflanze (Flüchtige) organische Verbindungen Zellen bzw. Gewebe in der Pflanze und/oder andere Organismen Biosynthese von bestimmten Stoffen, wie zum Beispiel Proteinase-Inhibitoren bei Tomaten Verzögerung des Wachstums und der Entwicklung der Schädlinge
Biosynthese und anschließende Emission von flüchtigen organischen Verbindungen, wie zum Beispiel Terpenoide bei der Maispflanze Aktive Anlockung von Parasiten oder Verfolgern der Schadinsekten (tritrophische Wechselwirkung)
Insekt Pheromon Individuen der gleichen Art Auslösung eines bestimmten Verhaltens (zum Beispiel Lock- oder Warnstoffe; Releaser-Pheromone mit kurzfristiger Wirkung) Massenangriff von Honigbienen nach vorhergehendem Stich (Stachelpheromon)
Auslösung einer physiologischen Änderung (nicht unbedingt des Verhaltens; Primer-Pheromone mit langanhaltender Wirkung) Verhinderung des Aufziehens einer Königin bei Honigbienen durch Königinnensubstanz

Gruppen von Botenstoffen

Die Botenstoffe können in verschiedene funktionelle Gruppen oder gemäß ihrer Funktion und Wirkung unterteilt werden, wobei die Einteilung häufig gleitende Übergänge hat bzw. recht willkürlich ist:

Gruppen von Botenstoffen[5]
Gruppe Bemerkungen, Eigenschaften Beispiel(e) Referenzen
Hormone werden im Organismus synthetisiert und übermitteln an Organe, Gewebe oder Zellgruppen, die vom Bildungsort mehr oder weniger weit entfernt liegen können, Signale od. Botschaften, die auf deren Funktion bestimmte physiologische Wirkungen ausüben; dabei wirken Hormone nicht direkt, sondern indirekt, beispielsweise durch Veränderung der Enzymkonzentration [6]
Kairomone Botenstoffe zur Kommunikation zwischen unterschiedlichen Spezies (sog. Allelochemikalie), die nur dem aufnehmenden Organismus („Empfänger“) nützen z. B. Pflanzenduftstoffe, die Insekten den Weg zur Wirtspflanze (als Nahrungsquelle) zeigen [7]
Neurotransmitter Botenstoffe des Nervensystems, die die Nervenzellen erregen oder hemmen; eng begrenzte lokale Wirkung; Neuropeptide (Cytokine; spezielle Neurotransmitter des Gehirns); regeln die Stärke von bestimmten Reaktionen; Endorphine hemmen beispielsweise starke Schmerzen, können aber auch Glücksgefühle und Entspannung nach starken körperlichen Anstrengungen vermitteln [8][9]
Parahormone Botenstoffe, die in irgendeiner Weise nicht alle Kriterien erfüllen, die für die Definition eines Hormons notwendig sind Kohlendioxid: fungiert im Rahmen der Atmungsregulation als Kommunikationsstoff [10]
Pheromone Werden in die Umgebung ausgeschieden und lösen einen bestimmten Effekt oder ein bestimmtes Verhalten aus; Pheromone wirken, im Gegensatz zu den Allomonen zwischen Individuen derselben Spezies (intraspezifisch) Pheromone beeinflussen beispielsweise auch das Zusammenleben der Menschen [11]
Phytohormone Botenstoffe in Pflanzen; beeinflussen Wachstums- und Differenzierungsprozesse Ethylen, Auxine; Auxine stimulieren in geringer Konzentration Wachstums- und Entwicklungsprozesse wie Zellteilung und Zellstreckung in der Pflanze. Ethylen ist bei Pflanzen an Wachstumsvorgängen und Stressreaktionen beteiligt [12]

Unterteilung von Botenstoffen nach Funktion und Wirkung

Unterteilung von Botenstoffen (Semiochemikalien) nach ihrer Funktion und Wirkung[13]
Wirkung Stoffklasse Bezeichnung und Wirkung Beispiel(e) Referenzen
Intraspezifisch Pheromone Primer: physiologische Veränderung
Intraspezifisch Pheromone Releaser: Verhaltensänderung
Interspezifisch Allelochemikalien Allomone: Vorteil für produzierenden Organismus bzw. Schaden für Empfänger Antibiotika, Toxine, fraßhemmende Geschmacksstoffe bei Pflanzen
Interspezifisch Allelochemikalien Kairomone: Vorteil für empfangenden Organismus
Interspezifisch Allelochemikalien Synomone: Vorteil für produzierenden und empfangenden Organismus Blütenduft
Interspezifisch Allelochemikalien Apneumone: Freisetzung durch abiotische Substrate; können für Empfänger von Vorteil und für das Substrat bewohnende Organismen von Nachteil sein

Bezüglich ihrer chemischen Natur sind viele Botenstoffe Peptide, Steroide, Aminosäurederivate, Isoprenderivate, Aldehyde (Benzaldehyd, Salicylaldehyd)[14] oder Säuren wie Benzoesäure, um nur einige zu nennen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Claus Wasternack & Bettina Hause (2000): Stressabwehr und Entwicklung: Jasmonate – chemische Signale in Pflanzen. In: Biologie in unserer Zeit. Bd. 30, Nr. 6, S. 312–320, doi:10.1002/1521-415X(200011)30:6<312::AID-BIUZ312>3.0.CO;2-8.
  2. Uwe Conrath & Heinrich Kauss (2000): Systemisch erworbene Resistenz – Das „Immunsystem“ der Pflanze. In: Biologie in unserer Zeit. Bd. 30, Nr. 4, S. 202–208, doi:10.1002/1521-415X(200007)30:4<202::AID-BIUZ202>3.0.CO;2-1.
  3. Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle: Eine Einführung in die Organische Chemie. Helvetica Chimica Acta, 2006, ISBN 9783906390291, S. 133ff.
  4. Stefan Schulz (1997): Die Chemie von Spinnengift und Spinnseide. In: Angewandte Chemie. Bd. 109, Nr. 4, S. 324–337, doi:10.1002/ange.19971090404.
  5. G. Czihak, H. Langer, H. Ziegler (Hrsg.): Biologie – ein Lehrbuch. Springer Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-540-61557-1.
  6. Johannes Huber, Elisa Gregor: Die Kraft der Hormone. Verlag Droemer/Knaur, 2005, ISBN 3-426-66974-9.
  7. Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle, Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich, 2006, S. 133, ISBN 978-3-906390-29-1.
  8. Michael Angrick (1983): Endorphine. In: Pharmazie in unserer Zeit. Bd. 12, Nr. 5, S. 129–134. doi:10.1002/pauz.19830120501
  9. Joachim W. Deitmer (2000): Energiefluss im Gehirn. Wie Gliazellen Neurone stark machen. In: Biologie in unserer Zeit. Bd. 30, Nr. 6, S. 333–340, doi:10.1002/1521-415X(200011)30:6<333::AID-BIUZ333>3.0.CO;2-X.
  10. G. Czihak, H. Langer, H. Ziegler (Hrsg.): Biologie – ein Lehrbuch. Springer Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-540-61557-1.
  11. Udo Pollmer, Andrea Fock, Ulrike Gonder, Karin Haug: Liebe geht durch die Nase. Was unser Verhalten beeinflusst und lenkt. Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03011-6.
  12. Klaus Grossmann & Hauke Hansen (2003): Auxin-Herbizide: Wirkstoffe mit Janusgesicht. In: Biologie in unserer Zeit. Bd. 33, Nr. 1, S. 12–20, doi:10.1002/biuz.200390002.
  13. Donald .A. Nordlund: Semiochemicals: a review of the terminology. In: Semiochemicals: Their Role in Pest Control. D. A. Nordlund, R.L. Jones, W.J. Lewis (Hrsg.), John Wiley & Sons, New York 1981, S. 13–28, ISBN 0-471-05803-3.
  14. Ursula Klaschka: Spurenstoffe beeinflussen das Zusammenleben, Nachrichten aus der Chemie 59 (2011) 613−618.

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