Brüder vom gemeinsamen Leben

Brüder vom gemeinsamen Leben
Georgius Macropedius in der Tracht der Brüder vom gemeinsamen Leben

Die Brüder vom gemeinsamen Leben, Ordenskürzel CRVC (Canonici Regulares Sancti Augustini Fratrum a Vita Communi; ursprünglich niederländisch: Broeders des gemeenen levens, auch Fraterherren von lateinisch: frater = Bruder) genannt, waren eine am Ende des 14. Jahrhunderts entstandene Glaubensgemeinschaft. Regional verbreitet waren die Bezeichnungen Kogel- oder Kugelherren beziehungsweise Kugelhaus für ihre Stiftsgebäude. Diese Bezeichnungen waren möglicherweise von ihrer „Gugel“ genannten Kopfbedeckung abgeleitet. In Magdeburg wurden sie Nullbrüder (Lullbrüder)[1] genannt.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Die Brüderschaft war eine am Ende des 14. Jahrhunderts in Deventer um Geert Groote entstandene religiöse Gruppe, deren Mitglieder keine Mönchsgelübde ablegten, sich aber in kleinen klosterähnlichen Gemeinschaften (Kloster Windesheim bei Zwolle, siehe Windesheimer Chorherren) oder sogenannten Brüder- oder Fraterhäusern zusammenschlossen.

Sie predigten eine praktische Frömmigkeit und galten als die wichtigsten Vertreter der Devotio moderna. Ihr Einfluss auf das Geistesleben in den Niederlanden und Nordwestdeutschland war bis zur Reformation bedeutend. Diesen Einfluss übten sie u.a. durch ihre umfangreiche Buchherstellung aus, mit der sie auch einen Teil ihres Lebensunterhalts bestritten. Sie trugen dabei zunächst zur Verbreitung von Handschriften bei, die sie in großer Zahl kopierten, um dann sehr früh auch den Buchdruck zu nutzen. 1468 richteten sie im Kloster Marienthal in Geisenheim die erste Klosterdruckerei überhaupt ein. Sie wurden daher im Volksmund auch "Brüder von der Feder" genannt. Das Fraterhaus in Rostock, auch als Michaeliskloster bekannt, unterhielt eine der wichtigsten Buchdruckereien im Ostseeraum.

Ein bedeutender Bruder vom gemeinsamen Leben war Georgius Macropedius. Auch der Theologe Thomas von Kempen (Thomas a Kempis) kann zu dieser Gruppe gerechnet werden. Gabriel Biel, Domprediger in Mainz und später Rektor der Universität Tübingen, war Vorsteher des Brüderhauses in Butzbach und veranlasste die Gründung des Kugelherren-Stifts Königstein im Taunus 1446, das bis 1540 bestand[2].

Im Laufe der Reformation und endgültig dann im 17. Jahrhundert starben diese Gemeinschaften aus.

In Marburg ist noch der umfangreiche Komplex der Kugelherren aus spätgotischem Kugelhaus, das heute die Völkerkundliche Sammlung der Universität enthält, und der Kugelkirche erhalten. Einen Altar in dem zugehörigen Krankenhaus (infirmaria) weihte um 1500 der Erfurter Weihbischof Johannes Bonemilch von Laasphe. 1527 ging das Haus, in dem auch eine Lateinschule untergebracht war, an die Universität Marburg über, nachdem Landgraf Philipp die Niederlassung und die Schule, in der er selbst Schüler war, aufgelöst hatte.

Neuanfänge

Die Beschäftigung mit dem Lebensstil dieser Laienkommunitäten war Anfang des 20. Jahrhunderts wegweisend für Entstehung einer gleichnamigen „Bruderschaft vom gemeinsamen Leben“ in der Schweiz, die erste der neuen Kommunitäten, die in den Kirchen der Reformation klösterliche Lebensformen wiederbelebten. Gründer waren Gotthilf Haug (1875–1951), Jakob Schelker-Kellenberger (1868–1954) und Lina Schelker (1861–1936).

Seit 1975 gibt es wieder eine Kongregation „Brüder vom Gemeinsamen Leben“, die Mitglied der Konföderation der Augustiner-Chorherren (CRVC) ist. Generalsuperior ist Ricard Lehmann-Dronke.

Einzelnachweise

  1. Nullbrüder. Theologische Realenzyklopädie, Band 8, S. 614 Z. 45
  2. Beate Großmann-Hofmann, Hans-Curt Köster: Königstein im Taunus. Geschichte und Kunst, Königstein i. Ts. 2010, ISBN 978-3-7845-0778-1, S. 19.

Literatur

  • Wolfgang Leesch, Ernest Persoons u. Anton G. Weiler (Hrsg.): Monasticon Fratrum Vitae Communis, Teil II: Deutschland (= Archives et Bibliothèques de Belgique / Archief- en Bibliotheekwezen in Belgie, Numéro Spécial - Extranummer 19), Brüssel 1979

Weblinks


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