Brüdernkirche (Braunschweig)

Brüdernkirche (Braunschweig)
Die Brüdernkirche in Braunschweig

Die evangelische Brüdernkirche „St. Ulrici-Brüdern“ in Braunschweig ist eine ehemalige Franziskanerkirche, die ursprünglich den Heiligen Maria, Franziskus und Bernward geweiht war. Sie war Zentrum einer zum Teil erhaltenen Klosteranlage.

Inhaltsverzeichnis

Bau- und Nutzungsgeschichte

Franziskanerkloster

Nach der 1491 entstandenen Sachsenchronik Hermann Botes sollen bereits in den Jahren 1215/1216 Franziskanermönche durch Kaiser Otto IV. in Braunschweig angesiedelt worden sein, was aufgrund der bekannten Ordensgeschichte sehr früh erscheint. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts (1223/1232) entstand am nördlichen Rand der Altstadt ein Franziskanerkloster mit der Brüdernkirche. Diese offenbar zu klein gewordene Kapelle wurde im 14. und 15. Jahrhundert durch einen Neubau im gotischen Stil ersetzt, der durch zwei Brüder, die Herren von Bortfeld, finanziert wurde. Der Hohe Chor wurde 1361 durch Bischof Heinrich von Hildesheim geweiht. Im Jahr 1375 wurde der erste, im Bereich des heutigen Langhauses befindliche Bau abgebrochen. Der Neubau wurde erst 1451 vollendet. Bis 1522 wurden die Konventsgebäude und der dreiflügelige gotische Kreuzgang fertiggestellt. Der Name der Kirche erinnert bis heute an die Franziskanerbrüder.

Reformationszeit

Bugenhagen-Denkmal von 1970

Nach Einführung der Reformation verließen die Franziskaner zu Ostern 1528 die Stadt. Dabei nahmen sie wertvolle Dokumente wie beispielsweise die Stiftungsurkunden mit, wodurch die Entstehungsgeschichte der Brüdernkirche nur lückenhaft belegt ist. Am Himmelfahrtstag, dem 21. Mai 1528, trat der Reformator Johannes Bugenhagen (1485-1558) erstmals in der überfüllten Brüdernkirche in die Kanzel. Entsprechend seinen Wittenberger Gepflogenheiten, an Sonn- und Feiertagen jeweils zweimal zu predigen, stand er abends erneut in der Kanzel, wie er überhaupt eine lebhafte Predigertätigkeit entfaltete. Bugenhagen entwarf eine evangelische Kirchenordnung, die am 5. September 1528 vom Rat und der Bürgerschaft angenommen wurde. Bugenhagen zu Ehren wurde 1902 ein Denkmal an der Westseite der Brüdernkirche aufgestellt, das während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde. Im Jahre 1970 wurde neben dem Chor eine neue Bronzestatue des Reformators errichtet.

Seit 1544 ist die Brüdernkiche Pfarrkirche der St. Ulrici-Gemeinde, deren ursprüngliches Gotteshaus auf dem Kohlmarkt in diesem Jahr abgerissen worden war.

16. bis 19. Jahrhundert

Im Jahre 1569 wurde im Remter des Klosters das Zeughaus der fünf Weichbilde eingerichtet, dem 1620 auch das neben der Kirche befindliche Auditorium angegliedert wurde. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde das Paulinerkloster am Bohlweg zum nunmehr fürstlichen Zeughaus umgebaut, so dass das vormalige städtische Zeughaus langsam verfiel. Später wurden hier Uniformen für die Reserve und die Landwehr gelagert. Im Jahre 1753 wurde die Bibliothek des Geistlichen Ministeriums mit den Büchern der Liberei in der Brüdernkirche vereinigt. Die Bibliothek verblieb in der Sakristei der Brüdernkirche, bis sie 1863 in das Neustadtrathaus überführt wurde.

Restaurierung, Zerstörung und Wiederaufbau

Zwischen 1861 und 1865 wurde die Brüdernkirche durch Carl Tappe und 1903/1904 durch Max Osterloh restauriert. Während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere durch den Bombenangriff vom 15. Oktober 1944, wurden die Brüdernkirche und das ehemalige Kloster stark zerstört. Im Jahr 1957 wurde der Hohe Chor wieder eingeweiht, im Jahr 1978 die gesamte Kirche. Vom mittelalterlichen Klosterkomplex sind der Kreuzgang, die Sakristei und eine kleine Kapelle mit Polygonschluss erhalten.

Baubeschreibung

Außenbau

Das durch Strebepfeiler gegliederte Kirchenäußere trägt ein mächtiges, einheitliches Satteldach. Vor dem Westportal befindet sich eine dreiteilige, spätgotische Vorhalle. Erhalten ist der dreiflügelige, an das Langhaus angefügte Kreuzgang, der ein Kreuzrippengewölbe aus Ziegelformsteinen besitzt.

Innenraum

Innenarchitektur

Der Innenraum besitzt eine Gesamtlänge von 62 m, die Breite des Langhauses misst 21 m. Die Höhe des Mittelschiffs beträgt 19,43 m. Die weiträumige, dreischiffige Staffelhalle ist durch fünf Joche gegliedert. Der schlanke dreijochige Chor mit 1/8-Schluss besitzt die Abmessungen von 25 m Länge, 10 m Breite und 21 m Höhe.

Ausstattung

Das Kircheninnere weist eine reiche Ausstattung auf. Erhalten ist der Große Flügelaltar, der zwischen 1380 und 1400 von einem unbekannten niedersächsischen Meister geschaffen wurde. Aus dem 3. Viertel des 14. Jahrhunderts stamnmt die Reliefplatte für den hl. Franziskus mit einem knienden Franziskanermönch. Das Chorgestühl entstand Ende des 14. Jahrhunderts. Dessen Rückwände wurden um 1600 von dem Rheinländer Reinhard Roggen mit 42 Bildern katholischer und evangelischer Theologen, darunter Luther, Melanchthon und Bugenhagen, versehen. Während des Mittelalters existierte ein erster Lettner, der nach 1544 beseitigt wurde. An dessen Stelle entstand der 1592/94 von Jürgen Röttger geschaffene Renaissance-Lettner, der bei der Renovierung zwischen 1861 und 1865 abgebaut wurde. Im Jahre 1904 wurde der von Wilhelm Sagebiel (1855-1940) gestaltete, erhaltene neugotische Lettner aufgestellt. Röttgers Renaissance-Lettner wurde während des Zweiten Weltkriegs ausgelagert und erlitt nur geringe Schäden. Nach aufwendiger zwölfjähriger Restaurierung wurde er im westlichen Kirchenschiff aufgestellt und am 2. Februar 2000 eingeweiht, so dass die Brüdernkirche heute kurioserweise zwei Lettner besitzt. Das um 1440 von Barthold Sprangken geschaffene Taufbecken aus Messingguss stammt aus der 1544 abgerissenen St. Ulrici-Kirche auf dem Kohlmarkt. Im Besitz der Gemeinde befinden sich weiterhin ein romanisches Vortragekreuz und ein 1496 entstandener gotischer Abendmahlskelch.

Die Orgel

Für das Jahr 1414 ist die Stiftung einer Orgel durch Dietrich von Winningstedt belegt. Im Jahr 1439 wird auch erstmals eine Chororgel erwähnt. Nach einigen Umbauten der bestehenden Instrumente baut der Orgelbaumeister Gottfried Fritzsche aus Dresden 1626/27 ein neues Instrument mit 26 Registern, verteilt auf drei Manualen und Pedal. Sechs dieser Register blieben bis 1945 erhalten, als die durch zahlreiche Umbauten auf 61 Registern angewachsene, nunmehr romantisch ausgerichtete Orgel durch eine Luftmine zerstört wurde.

1958 erstellte der Hildesheimer Orgelbauer Erich Palandt eine Chororgel in einem historischen Barockgehäuse, das aus Nordhessen angekauft wurde. Diese Chororgel wurde 1978 in das Hauptschiff versetzt und als Rückpositiv in die jetzige Orgel übernommen, die von 1980 bis 1991 von der Firma Gustav Steinmann aus Vlotho-Wehrendorf gebaut wurde. Die Disposition folgt französischen Einflüssen, ohne eine unmittelbare Stilkopie zu sein. Das Instrument hat 40 Register (auf Schleifladen). Die Spiel- und Registertraktur ist mechanisch.[1]

I Rückpositiv C-g3
1. Gedackt 8'
2. Praestant 4'
3. Rohrflöte 4'
4. Quinte 22/3'
5. Oktave 2'
6. Sesquialtera II 22/3'
7. Zyfflöt 1'
8. Voix humaine 8'
Tremulant
II Hauptwerk C-g3
9. Bourdon 16'
10. Prinzipal 8'
11. Rohrbourdon 8'
12. Oktave 4'
13. Nachthorn 4'
14. Quinte 22/3'
15. Oktave 2'
16. Cornet III-V 8'
17. Mixtur IV-VI 2'
18. Trompette 8'
19. Clairon 4'
III Oberwerk C-g3
20. Ital. Prinzipal 8'
21. Koppelflöte 8'
22. Voix céleste 8'
23. Spitzoktave 4'
24. Flûte octaviante 4'
25. Nasard 22/3'
26. Spillflöte 2'
27. Tierce 13/5'
28. Larigot 11/3'
29. Plein jeu V
30. Hautbois 8'
31. Trompette harm. 8'
Tremulant
Pedal C-f1
32. Prinzipal 16'
33. Subbass 16'
34. Oktavbass 8'
35. Metallgedackt 8'
36. Violoncelle 8'
37. Dolkan 4'
38. Bombarde 16'
39. Trompette 8'
40. Clairon 4'
  • Koppeln: I/II, III/II, III/I, I/P, II/P, III/P
  • Effektregister: Zymbelstern, Vogelschrey

Literatur

  • Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen/Niedersachsen, Deutscher Kunstverlag, 1977
  • Jürgen Diestelmann: Brüdernkirche, in: Braunschweiger Stadtlexikon, herausgegeben im Auftrag der Stadt Braunschweig von Luitgard Camerer, Manfred R. W. Garzmann und Wolf-Dieter Schuegraf unter besonderer Mitarbeit von Norman-Mathias Pingel, Braunschweig 1992, S. 47, ISBN 3-926701-14-5.
  • Kunze, Herbert, Die Plastik des vierzehnten Jahrhunderts in Sachsen und Thüringen, (Denkmäler der deutschen Kunst, Hrsg. Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, II. Sektion. Plastik), Berlin 1925.
  • Kunze, Herbert, Die gotische Skulptur Mitteldeutschlands, Bonn 1925.
  • Boockmann 1993, S. 63 ff; Boockmann, Andrea, Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528 (aufgrund einer von 1945 bis 1986 vorgenommenen Materialsammlung des Dietrich Mack), (DI, Bd.35, Göttinger Reihe 5. Bd.), Wiesbaden 1993.
  • „St. Ulriki-Brüdern“ in Braunschweig, in: Wäß 2006, Bd. 2, S. 79-84 (mit Abbildungen); Helga Wäß, Form und Wahrnehmung mitteldeutscher Gedächtnisskulptur im 14. Jahrhundert. Ein Beitrag zu mittelalterlichen Grabmonumenten, Epitaphen und Kuriosa in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Nord-Hessen, Ost-Westfalen und Südniedersachsen (in zwei Bänden), Band 2: Katalog ausgewählter Objekte vom Hohen Mittelalter bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts, Berlin (Tenea Verlag) 2006, ISBN 3-86504-159-0
  • Jürgen Hodemacher: Braunschweiger Geschichten, S. 48–52, Braunschweig 2003, ISBN 3-926701-56-0

Einzelnachweise

  1. Sämtliche Angabe zu den Orgeln aus Bach Orgel-Werke 4a, Matthias Eisenberg an der Steinmann-Orgel der St.-Ulrici-Brüdern-Kirche zu Braunschweig, RAM 59044.

Weblinks

 Commons: Brüdernkirche (Braunschweig) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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