Bundestagspräsident

Bundestagspräsident
Aus dieser Perspektive blickt der Bundestagspräsident über den Plenarsaal

Der Präsident des Deutschen Bundestages, inoffiziell auch Bundestagspräsident, hat nach dem Bundespräsidenten das zweithöchste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland inne. Er steht somit im Staatsprotokoll vor dem Bundeskanzler, dem Präsidenten des Bundesrats und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes. Derzeitiger Amtsinhaber ist der CDU-Politiker Norbert Lammert.

Inhaltsverzeichnis

Wahl

Erich Köhler wird zum 1. Bundestagspräsidenten gewählt und spricht zu den Abgeordneten

Der Bundestagspräsident wird nach jeder Wahl des Deutschen Bundestages bei dessen konstituierender Sitzung aus dessen Mitte von allen Abgeordneten gewählt. Die Sitzung wird bis zur Wahl durch den Alterspräsidenten geleitet.

In der Regel stellt die Fraktion mit den meisten Abgeordneten den Bundestagspräsidenten. Diese Praxis hat sich bereits in der Weimarer Republik eingebürgert, wenngleich es hierzu keine gesetzliche Bestimmung gibt. Die Amtszeit des Bundestagspräsidenten endet mit der jeweiligen Legislaturperiode. Er ist damit grundsätzlich vorzeitig nicht absetzbar. Eine Wiederwahl in der nächsten Legislaturperiode ist aber möglich, sofern der bisherige Amtsinhaber wieder Abgeordneter des neuen Bundestages wird.

Es ist nicht üblich, dass es bei der Wahl zum Präsidenten zu einer Kampfkandidatur kommt. Lediglich nach dem plötzlichen Tod von Hermann Ehlers 1954 gab es eine Ausnahme. Bei der Wahl am 16. November 1954 traten sogar zwei Fraktionskollegen gegeneinander um das Amt an: Gegen den „offiziellen“ CDU/CSU-Kandidaten Eugen Gerstenmaier trat Ernst Lemmer an und verlor erst im dritten Wahlgang mit lediglich 14 Stimmen Unterschied (Gerstenmaier: 204, Lemmer: 190, Enthaltungen: 15).

Stellvertreter

Der Bundestagspräsident hat mehrere Stellvertreter (Vizepräsident des Deutschen Bundestages oder Bundestagsvizepräsident), die von den anderen im Bundestag vertretenen Fraktionen gestellt werden.

Bis zum Beginn der 13. Wahlperiode 1994 war in der Geschäftsordnung nicht festgelegt, wie viele Stellvertreter der Bundestagspräsident hat. Es gab nur interfraktionelle Vereinbarungen, so dass es meist vier Vizepräsidenten gab. 1983 war erstmals von den Grünen versucht worden, die Zahl der Vizepräsidenten auf fünf zu erhöhen, um ebenfalls mit einem Vizepräsidenten im Präsidium vertreten zu sein. Dieser Antrag wurde mehrfach abgelehnt. Erst 1994 wurde die Mindestzahl so geändert, dass jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten vertreten sein muss. Demzufolge hatte der Deutsche Bundestag von 1998 bis 2002 fünf Vizepräsidenten (die PDS war in Fraktionsstärke vertreten), 1994 bis 1998 und 2002 bis 2005 gab es vier Vizepräsidenten. Nach der Bundestagswahl 2005 einigten sich SPD, CDU und CSU in ihren Sondierungsgesprächen darauf, dass die SPD zwei Vizepräsidenten ernennen dürfe. Ein entsprechender Antrag wurde bei der konstituierenden Sitzung gegen die Stimmen von FDP, Grünen und Linkspartei angenommen. Somit wurden in der 16. Wahlperiode 6 Stellvertreter gewählt.

Gesetzliche Grundlagen

Gesetzliche Grundlage für den Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter ist zunächst Artikel 40 des Grundgesetzes. Danach wählt der Bundestag seinen Präsidenten und dessen Stellvertreter. Ferner gibt sich der Bundestag eine Geschäftsordnung.

Die Geschäftsordnung muss laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1952 nach jeder Bundestagswahl neu erlassen werden. In der Praxis wird jedoch meist die bestehende Geschäftsordnung neu aufgelegt. Hin und wieder ist diese aber auch geändert worden. Sie regelt unter anderem die Rechte und Pflichten des Bundestagspräsidenten sowie die Anzahl der Vizepräsidenten.

Aufgaben

Die wichtigste Funktion des Bundestagspräsidenten besteht in der Leitung der Bundestagssitzungen. Dazu nimmt er vorne auf dem Podium im Plenarsaal des Bundestages Platz, sitzt also allen anderen Abgeordneten gegenüber. Der Bundestagspräsident vertritt den Bundestag, ist Adressat aller Gesetzentwürfe und Vorlagen, die von der Bundesregierung, vom Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden. Ebenso ist er der Empfänger aller Eingaben, die aus den Reihen des Parlaments stammen oder an den Bundestag gerichtet werden.

Außerdem steht dem Präsidenten das Hausrecht und die Polizeigewalt zu (siehe Polizei beim Deutschen Bundestag). Er ist auch die oberste Dienstbehörde der Bundestagsbeamten, wobei er bestimmte Personalentscheidungen zusammen mit dem ganzen Präsidium trifft.

Sonstige Rechte und Pflichten des Bundestagspräsidenten sind in der Geschäftsordnung geregelt.

Der Bundestagspräsident ist ferner der Empfänger der Rechenschaftsberichte der politischen Parteien, überwacht die Einhaltung der Parteispendengesetze und regelt die Wahlkampfkostenerstattung.

Einkommen

Der Bundestagspräsident erhält derzeit (10/2005) an Diäten und zusätzlichen Pauschalen 17.732 Euro pro Monat, alle Vizepräsidenten jeweils 13.512 Euro. Zusätzlich erhöhen sich die jeweiligen Pensionsansprüche.

Präsidenten


Bundestagspräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
Nr. Name (Lebensdaten) Fraktion Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Länge der Amtszeit
1 Erich Köhler (1892–1958) CDU 7. September 1949 18. Oktober 1950 1 Jahr, 1 Monat, 11 Tage
2 Hermann Ehlers (1904–1954) CDU 19. Oktober 1950 29. Oktober 1954 4 Jahre, 10 Tage
3 Eugen Gerstenmaier (1906–1986) CDU 16. November 1954 31. Januar 1969 14 Jahre, 2 Monate, 15 Tage
4 Kai-Uwe von Hassel (1913–1997) CDU 5. Februar 1969 13. Dezember 1972 3 Jahre, 10 Monate, 8 Tage
5 Annemarie Renger (1919–2008) SPD 13. Dezember 1972 14. Dezember 1976 4 Jahre, 1 Tag
6 Karl Carstens (1914–1992) CDU 14. Dezember 1976 31. Mai 1979 2 Jahre, 5 Monate, 17 Tage
7 Richard Stücklen (1916–2002) CSU 31. Mai 1979 29. März 1983 3 Jahre, 9 Monate, 29 Tage
8 Rainer Barzel (1924–2006) CDU 29. März 1983 25. Oktober 1984 1 Jahr, 6 Monate, 26 Tage
9 Philipp Jenninger (* 1932) CDU 5. November 1984 11. November 1988 4 Jahre, 6 Tage
10 Rita Süssmuth (* 1937) CDU 25. November 1988 26. Oktober 1998 9 Jahre, 11 Monate, 1 Tag
11 Wolfgang Thierse (* 1943) SPD 26. Oktober 1998 18. Oktober 2005 6 Jahre, 11 Monate, 22 Tage
12 Norbert Lammert (* 1948) CDU 18. Oktober 2005

Vizepräsidenten

Tabelle aller Vizepräsidenten, chronologisch und nach Fraktionszugehörigkeit geordnet

SPD CDU/CSU FDP Grüne Linkspartei.PDS/
Die Linke
1949–1953 Carlo Schmid Hermann Schäfer
1953–1957 Carlo Schmid Richard Jaeger Ludwig Schneider (ab 1956 FVP)
ab 1956: Max Becker
1957–1961 Carlo Schmid Richard Jaeger bis 1960: Max Becker
ab 1960: Thomas Dehler
1961–1965 Carlo Schmid
Erwin Schoettle
Richard Jaeger Thomas Dehler
1965–1969 bis 1966: Carlo Schmid
ab 1966: Karl Mommer
Erwin Schoettle
bis 1967: Maria Probst
ab 1967: Richard Jaeger
bis 1967: Thomas Dehler
ab 1967: Walter Scheel
1969–1972 Carlo Schmid
Hermann Schmitt-Vockenhausen
Richard Jaeger Liselotte Funcke
1972–1976 Hermann Schmitt-Vockenhausen Richard Jaeger
Kai-Uwe von Hassel
Liselotte Funcke
1976–1980 bis 1979: Hermann Schmitt-Vockenhausen
ab 1979: Georg Leber
Annemarie Renger
bis 1979: Richard Stücklen
ab 1979: Richard von Weizsäcker
bis 1979: Liselotte Funcke
ab 1979: Richard Wurbs
1980–1983 Annemarie Renger
Georg Leber
bis 1981: Richard von Weizsäcker
ab 1981: Heinrich Windelen
Richard Wurbs
1983–1987 Annemarie Renger
Heinz Westphal
Richard Stücklen bis 1984: Richard Wurbs
ab 1984: Dieter-Julius Cronenberg
1987–1990 Annemarie Renger
Heinz Westphal
Richard Stücklen Dieter-Julius Cronenberg
1990–1994 Helmuth Becker
Renate Schmidt
Hans Klein Dieter-Julius Cronenberg
1994–1998 Hans-Ulrich Klose bis 1996: Hans Klein
ab 1997: Michaela Geiger
Burkhard Hirsch Antje Vollmer
1998–2002 Anke Fuchs Rudolf Seiters Hermann Otto Solms Antje Vollmer Petra Bläss
2002–2005 Susanne Kastner Norbert Lammert Hermann Otto Solms Antje Vollmer
seit 2005 Susanne Kastner
Wolfgang Thierse
Gerda Hasselfeldt Hermann Otto Solms Katrin Göring-Eckardt Petra Pau1)

Zwischen 1958–1960 war auch ein Mitglied der Deutschen Partei, Victor-Emanuel Preusker, Bundestagsvizepräsident.

1) In der 16. Wahlperiode wurde der Linkspartei.PDS-Kandidat Lothar Bisky in vier Wahlgängen nicht gewählt, woraufhin die Linkspartei.PDS sich entschloss, den Posten zunächst unbesetzt zu lassen, obwohl ihr wegen der Fraktionsstärke laut der Geschäftsordnung des Bundestages einer zugestanden hätte. Am 7. April 2006 wurde mit Petra Pau schließlich doch noch eine Vizepräsidentin für die Linkspartei.PDS gewählt.

Literatur

  • Michael F. Feldkamp (Hrsg.): Der Bundestagspräsident. Amt – Funktion – Person. 16. Wahlperiode. Olzog, München 2007, ISBN 978-3-7892-8201-0.

Siehe auch

Weblinks


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