Abbitte (Roman)

Abbitte (Roman)

Abbitte (im Original Atonement) ist ein Roman von Ian McEwan aus dem Jahr 2001. Der Roman wurde von den Lesern und Kritikern begeistert aufgenommen und, wie etwa in der Zeit, als tiefenpsychologisches Meisterwerk bezeichnet.[1] Der Roman wurde 2001 für den Booker Prize nominiert. 2007 entstand eine gleichnamige Kinoproduktion durch den Briten Joe Wright.

Die zentralen Themen dieses Romans sind Liebe und Trennung, Unschuld und Selbsterkenntnis, Treue und Verrat vor dem Hintergrund der britischen Gesellschaft, die sich auf den Zweiten Weltkrieg vorbereitet und ihn dann bestehen muss.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau und Handlung des Romans

Der etwa 424 Seiten umfassende Roman ist in vier ungleich lange Teile eingeteilt. Teil I spielt auf dem englischen Landgut der Familie Tallis im Jahr 1935. Ein ungewöhnlich heißer Sommertag wird in sehr langsamem Erzähltempo beschrieben, wobei die Ereignisse aus mehreren verschiedenen Perspektiven der daran Beteiligten nacherzählt und gestaltet werden. Der Vater, Jack Tallis, arbeitet und lebt in London. Seine Aufenthalte dort werden immer länger, seine Anwesenheit auf dem Landgut wird immer seltener, weil er in einem Londoner Ministerium den Verteidigungsfall vorbereitet. Die Mutter, Emily, glaubt jedoch, er habe eine Geliebte. Sie lebt mit der jüngsten Tochter Briony und den Hausangestellten auf dem Landgut. Die zehn Jahre ältere Schwester Cecilia hat gerade ihr Literaturstudium in Cambridge abgeschlossen und die nächsten Schritte ihres Lebens noch nicht entschieden. Sie befindet sich zu Hause zu Besuch. Ihr Bruder Leon wird zusammen mit seinem Freund Paul Marshall erwartet. Im Haus befinden sich ebenfalls die 15-jährige Cousine Lola mit ihren neun Jahre alten Zwillingsbrüdern. Frau Tallis hat die Geschwister bei sich aufgenommen, während die Eltern dieser Kinder sich trennen. Um die Ankunft ihres Bruders zu feiern, hat Briony das Theaterstück Die Heimsuchungen Arabellas geschrieben. Mitten in den Proben gibt sie allerdings das Projekt der Aufführung mit ihren Cousins und der Cousine als Darsteller auf.

Die 13-jährige Briony beobachtet, wie sich zwischen ihrer Schwester Cecilia und dem Sohn der Zugehfrau, Robbie Turner, eine Liebesgeschichte anbahnt. Mit der Erwachsenenwelt und ihrer Sexualität konfrontiert, interpretiert sie in ihrer kindlichen Phantasie die Situation als Bedrohung für sich und ihre Schwester. Als ihre Cousine Lola vergewaltigt wird, kommt sie als Erste an den Tatort, sieht den Täter noch im Dunkeln wegrennen und redet sich ein, es wäre Robbie Turner gewesen. Sie sagt gegen ihn aus, woraufhin Robbie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird. Nur Cecilia und Robbies Mutter glauben an seine Unschuld. Cecilia verspricht, auf ihn zu warten und bricht wenig später mit ihrer Familie. Sie lässt sich zur Krankenschwester ausbilden. Robbie wird aus dem Gefängnis freigelassen, nachdem er sich bereit erklärt, als Soldat im Zweiten Weltkrieg zu dienen.

Teil II beschreibt die Evakuierung der britischen Armee in Dünkirchen 1940. Robbie schlägt sich gemeinsam mit zwei Kameraden zum Evakuierungsort durch. Eine Verwundung und Angriffe von Sturzkampfbombern drohen sein Leben mehrmals zu beenden. Der Gedanke an Cecilia und an ihr Versprechen geben ihm aber immer wieder aufs Neue Mut und Überlebenswillen. Ob Robbie, dessen Wunde sich entzündet hat, tatsächlich aus Dünkirchen evakuiert wird, bleibt offen.

Im Teil III befindet sich Briony im selben Krankenhaus, in dem ihre Schwester ausgebildet wurde. Briony ist nun selbst Schwesternschülerin und an der Pflege der zurückkehrenden verwundeten Soldaten beteiligt. Sie hat ihren Fehler eingesehen, der darin bestand, Robbie der Vergewaltigung zu bezichtigen und glaubt nunmehr, dass der eigentliche Täter Paul Marshall gewesen sei. In einem Brief an ihre Schwester nimmt sie ihre Schuld der falschen Zeugenaussage auf sich, und sieht ihre harte Arbeit mit der Pflege der Verwundeten und Sterbenden als eine Art Sühne dafür. Briony ist anwesend, als Lola und Paul Marshall – der durch die Produktion von Schokoladenriegeln für die britische Armee zu Vermögen gekommen ist – in einer Kirche getraut werden. Obwohl diese Personen Robbie entlasten könnten, findet sie nicht die Kraft, vor sie hin zu treten und sie dazu aufzufordern. Schließlich sucht sie ihre Schwester Cecilia auf und gesteht ihr ihren Fehler und ihre Schuld. Bei Cecilia trifft sie auch Robbie an; das Liebespaar ist also nach langer Trennung und trotz aller fürchterlicher Prüfungen wieder vereint. Sie einigen sich darauf, dass Briony durch verschiedene juristische Maßnahmen anstreben soll, Robbies verlorene Ehre wieder herzustellen. Verzeihen werden sie ihr jedoch nicht.

Trotz aller Schwierigkeiten macht Briony kleine Fortschritte auf dem Weg zu ihrem eigentlichen Berufswunsch, dem der Schriftstellerin. Unterschrieben ist Teil III mit: B.T., London 1999. Der abschließende Teil des Romans trägt die Bezeichnung London, 1999 und ist nur 21 Seiten lang. Die Ich-Erzählerin Briony erzählt mit vielen Einzelheiten den Ablauf ihres 77. Geburtstages. Sie hat erfahren, dass sie an vaskulärer Demenz leidet und bald nur noch dahindämmern wird. Sie blickt auf ein Leben als erfolgreiche Schriftstellerin zurück; erkennbar wird auch, dass die drei vorangegangenen Teile des Romans von ihr geschrieben worden sind. Als Schriftstellerin hat sie sich erlaubt, ein „Happy End“ zu erfinden, in dem Robbie und Cecilia vereint werden. In Wirklichkeit – das heißt, auf der fiktiven Ebene des Romans – sei das Ende weit tragischer gewesen: Robbie starb am Strand von Dünkirchen an Blutvergiftung, und Cecilia kam in The Blitz um. Briony hatte auch nie den Mut gefunden, Cecilia aufzusuchen und Abbitte zu leisten.

Überlegungen über Sühne und die Arbeit des Schriftstellers schließen den Roman ab. Briony kommt zu dem Schluss, dass weder die Fantasie des Schriftstellers noch die harte Arbeit der Krankenschwester jemals das Verbrechen der Dreizehnjährigen wiedergutmachen können. Die schöpferische Fantasie, die sie ursprünglich hatte schuldig werden lassen, weil sie an die Wahrheit ihrer Zeugenaussage gegen Robbie glaubte, hat auch nur auf der fiktiven Ebene des Romans Cecilia und Robbie die Chance für ein Glück bieten können, das die beiden in Wirklichkeit nicht erleben durften. Zum Schluss überlegt Briony, ob sie das Manuskript nicht noch weiter so umschreiben soll, dass Cecilia und Robbie versöhnt an ihrem 77. Geburtstag teilgenommen hätten.

Auszeichnungen

Für den Roman wurde McEwan unter anderem mit dem Los Angeles Times Book Prize, dem National Book Critics Circle Award und dem WH Smith Literary Award ausgezeichnet.

Sekundärliteratur

  • Julie Ellam: Ian McEwan’s "Atonement" (Continuum Contemporaries), Continuum International, London 2009, ISBN 0-8264-4538-1
  • Jonathan Noakes, Margaret Reynolds: Ian McEwan: 'Child in Time', 'Enduring Love', 'Atonement': The Essential Guide. Vintage, London 2002, ISBN 0-09-943755-4

Einzelnachweise

  1. Evelyn Finger: Eines langen Tages Reise in die Nacht. In: Die Zeit, Nr. 39/2002

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