Byzantinischer Bilderstreit

Byzantinischer Bilderstreit

Der Byzantinische Bilderstreit war eine Zeit der leidenschaftlichen theologischen Debatte in der damaligen orthodox-katholischen Kirche und dem byzantinischen Kaiserhaus während des 8. und 9. Jahrhunderts, in der es um den richtigen Gebrauch und die Verehrung von Ikonen ging. Die beiden Parteien wurden als Ikonoklasten (Ikonenzerstörer) und Ikonodulen (Ikonenverehrer) bezeichnet.

Über die Gründe, die zum byzantinischen Bilderstreit führten, wird bis heute gestritten, wobei Thesen von islamischem Einfluss über das zweite Gebot bis hin zu persönlichen Motiven byzantinischer Kaiser diskutiert werden. Jede Bewertung des Bilderstreits wird grundsätzlich durch den Umstand erschwert, dass die Schriften bilderfeindlicher Autoren nach dem Sieg der Ikonodulen von diesen vernichtet wurden, so dass uns als Quellen fast nur Darstellungen letzterer erhalten sind. Die moderne Forschung hat daher auch viele Urteile der älteren Forschung revidiert.

Inhaltsverzeichnis

Erste ikonoklastische Periode

Kaiser Leo III. (717–741) war durch seine syrische Herkunft möglicherweise von orientalischen Vorstellungen beeinflusst, möglich ist auch, dass Leo der Meinung war, dass es unmöglich sei, das „göttliche Wesen“ in Bildern einzufangen. 726 ließ er, nachdem ein furchtbares Seebeben in der Ägäis gewütet hatte (durch den Ausbruch des Santorin wurde der Himmel mehrere Tage verdunkelt), in einem demonstrativen Akt die große goldene Christusikone am Chalke-Tor seines Kaiserpalastes abnehmen, was angeblich zu einem ersten Aufruhr in der Bevölkerung führte. Unterstützung fand Leo bei einem nicht geringen Teil der östlichen Bevölkerung, der Armee und bei Teilen des Klerus. 730 soll Leo die Verehrung der Ikonen Jesu, Mariae und der Heiligen verboten haben, und er angeblich die Zerstörung dieser Bilder angeordnet haben. Allerdings wird von der modernen Forschung inzwischen bezweifelt, dass es ein derartiges Edikt gegeben oder dass sich Leo offiziell und derart vehement gegen die Ikonen ausgesprochen hat. Die ikonodul gefärbten Quellen verzerren die Betrachtung wohl größtenteils, denn andere Berichte belegen, dass Ikonen noch 727 offen in Konstantinopel gezeigt werden konnten. Leo hat wohl auch keine systematische Entfernung von Bildern angeordnet und seine Politik scheint auch auf keinen ernsthaften Widerstand gestoßen zu sein.

Es ist aber klar, dass von Leo das Kreuz als Symbol bevorzugt wurde, also ein Symbol, das alle Christen ohne Schwierigkeiten akzeptieren konnten. Leo war in der Lage, diese Politik, wenn er sie denn systematisch betrieben hat, wegen seiner persönlichen Popularität und seiner militärischen Triumphe zu verkünden – er hatte das Wohlwollen Konstantinopels durch den Sieg über die Belagerungsarmee des omayyadischen Kalifen 717–718 erworben.

Der Bilderstreit wurde durch viele Christen geschürt, die außerhalb des Byzantinischen Reiches im islamischen Einflussbereich lebten oder der Glaubensgemeinschaft der Paulikianer angehörten. Johannes von Damaskus und Germanus von Konstantinopel waren in dieser Zeit die wichtigsten Gegner der Ikonoklasten. Im islamischen Einflussgebiet blieb eine nennenswerte Zahl alter Ikonen erhalten, die bekanntesten befinden sich im Katharinenkloster auf dem Sinai.

Leos Sohn Konstantin V. (741–775) war ebenfalls Ikonoklast. Nach einer Rebellion seines Schwagers Artabasdos eroberte er Konstantinopel zurück und ging in der Folgezeit teilweise gegen die Ikonodulen vor. Ob es aber wirklich zu blutigen Verfolgungen von Bilderverehrern kam, ist nicht sicher und eher fraglich, da uns, wie bereits oben angesprochen, fast nur Quellen aus der Sicht der Ikonodulen erhalten sind. Es ist eher recht wahrscheinlich, dass Konstantins teils hartes Vorgehen vor allem auf seine politischen Gegner abzielte, die später zu Märtyrern der Bilderverehrung verklärt wurden. Dass es keineswegs nur ein negatives Andenken an diesen militärisch sehr erfolgreichen Kaiser gab, beweisen spätere Bezüge auf die ikonoklastischen Kaiser, denen auch die Stabilisierung der Grenzen gelungen war – etwas, woran die kurz darauf nachfolgenden „ikonodulen“ Kaiser zunächst scheiterten.

754 berief Konstantin das Konzil von Hiereia ein, das die Bilderverehrung verurteilte und Johannes von Damaskus und Germanus von Konstantinopel exkommunizierte. Das Konzil bezeichnete sich selbst als siebtes ökumenisches Konzil, wurde aber von keiner Kirche anerkannt, da kein Patriarch daran teilgenommen hat (westliche Begründung) und da seine Beschlüsse im Volk weithin abgelehnt wurden (östliche Begründung). Bemerkenswerterweise bezeichnete dieses Konzil den damals bereits verstorbenen Ikonenverteidiger Johannes von Damaskus mit dessen arabischem Namen Mansur und beschimpfte ihn als „sarazenisch gesinnt“, d. h. als islamophil.

Der Nachfolger Konstantins, Leo IV. (775–780), stand ebenfalls auf Seiten der Ikonoklasten, war aber moderater in der Verfolgung, seine Frau Irene von Athen gehörte jedoch zu den Ikonodulen.

Das zweite Konzil von Nicäa

Nach dem Tod Leos wurde Irene von Athen Regentin für ihren unmündigen Sohn Konstantin VI.. Sie beendete die erste ikonoklastische Periode durch Einberufung des zweiten Konzils von Nicäa 787, wobei die Ikonenverehrung als erlaubt galt, jedoch ihre Anbetung ausdrücklich verboten wurde. Man begründete dies mit der Lehre der Inkarnation, wie Johannes von Damaskus sie formuliert hatte: Weil Gott in Jesus Christus Fleisch wurde, eine konkrete, körperliche, menschliche Gestalt annahm, ist eine körperliche Darstellung möglich. Die Heiligen verkörpern je auf ihre Weise den Heiligen Geist. Christus und die Heiligen können nun bildlich dargestellt werden – im Gegensatz zum zweiten Gebot, das vor der Inkarnation von Jesus Christus galt. Jedoch wurde auch beschlossen, dass alle Ikonen mit Aufschriften versehen werden sollen, um eine Verselbstständigung der Verehrung der Ikone als Gegenstand, ohne Rücksicht auf die dargestellte reale Figur, zu verhindern. Auch der Papst in Rom, wo die Heiligenbilder nie ernsthaft in Frage gestellt worden waren, stellte sich hinter diese Beschlüsse. Im Frankenreich unter Karl dem Großen dagegen riefen die Beschlüsse, die durch eine ungenaue und fehlerhafte Übersetzung als Gebot der Bildanbetung missdeutet worden waren, Widerspruch hervor, der im Capitulare contra synodum erhoben, ausführlich in den Libri Carolini begründet und auf der Synode von Frankfurt mit Rücksicht auf die päpstliche Haltung in abgeschwächter Form formuliert wurde, schließlich noch auf der Synode von Paris 825, auf der man deutliche Kritik an der Entscheidung Papst Hadrians I. übte, erneut zur Sprache kam.

Das zweite Konzil von Nicäa ist offiziell das siebte ökumenische Konzil der Katholischen und Orthodoxen Kirche; im Protestantismus reichen die Ansichten zu diesem Konzil von totaler Ablehnung bis zu Anerkennung unter Vorbehalt.

Die Ikonenverehrung war auch während der Regierung des Nachfolgers der Kaiserin Irene, Nikephoros I. (802–811), und zweier kurzer Regierungsperioden nach ihm gestattet.

Zweite Ikonoklastische Periode

Kaiser Leo V. (813–820) erkannte das Konzil nicht an und leitete 813 eine zweite Periode des Ikonoklasmus ein, wohl auch aufgrund der Erinnerung an die militärischen Erfolge der ikonoklastischen Kaiser, die von den ikonodulen Kaisern nicht wiederholt wurden. Dieser Bildersturm wurde teils schärfer geführt als der erste Bilderstreit, und er wurde auch systematischer von Leo vorbereitet. Vor allem scheint er mit größerer Härte auch in den Provinzen geführt worden zu sein, was man vom ersten Bilderstreit, der nur eine Minderheit betroffen hatte, so nicht behaupten kann. Auch unter Leos Nachfolgern Michael II. und dessen Sohn Theophilos wurde der Bilderstreit fortgesetzt. Er wurde erst unter Michael III. beendet.

Wiederherstellung der Bilderverehrung

Nach Theophilus’ Tod übernahm dessen Frau Theodora die Regierung für den unmündigen Erben Michael III. Wie Irene von Athen 50 Jahre vor ihr mobilisierte Theodora die Ikonodulen und ordnete 843 die Wiederherstellung der Ikonen an. Um den Ikonoklasmus endgültig niederzuringen, befahl sie außerdem die Verfolgung und Vernichtung der Paulikianer. Von evangelikaler Seite wird heute in diesen Vorgängen eine Durchsetzung der Bilderverehrung durch Mönche, gegen das einfache Volk, gesehen. Die Sachlage ist aber keineswegs so eindeutig.

Seitdem wird das Dekret von 843 jährlich am ersten Sonntag der Fastenzeit in der orthodoxen Kirche als das Fest der Orthodoxie gefeiert.

Siehe auch

Literatur

  • Georg Ostrogorsky: Studien zur Geschichte des byzantinischen Bilderstreites (Historische Untersuchungen 5). Marcus, Breslau 1929 (Reprint Hakkert, Amsterdam 1964).
  • Leopold Breyer: Bilderstreit und Arabersturm in Byzanz. Das 8. Jahrhundert (717-813) aus der Weltchronik desTheophanes übersetzt eingeleitet und erklärt (Byzantinische Geschichtsschreiber 6). Styria, Graz u. a. 1967.
  • M. V. Anastos: Iconoclasm and Imperial Rule 717–842, in: The Cambridge Medieval History, Bd. 4.1, hrsg. von J. M. Hussey, Cambridge 1966, S. 61–104.
  • S. Gero: Byzantine Iconoclasm during the Reign of Leo III. Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 41. Louvain 1973.
  • Johannes Irmscher (Hrsg.): Der byzantinische Bilderstreit. Sozialökonomische Voraussetzungen – ideologische Grundlagen – geschichtliche Wirkungen. Eine Sammlung von Forschungsbeiträgen. Koehler & Amelang, Leipzig 1980.
  • Hans Georg Thümmel: Die Frühgeschichte der ostkirchlichen Bilderlehre. Texte und Untersuchungen zur Zeit vor dem Bilderstreit. Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 139. Akad.-Verl., Berlin 1992, ISBN 3-05-000828-8.
  • Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Beck, München 1990 (6. Aufl. 2004)
  • Heinz Gauer: Texte zum byzantinischen Bilderstreit. Der Synodalbrief der drei Patriarchen des Ostens von 836 und seine Verwandlung in sieben Jahrhunderten. Studien und Texte zur Byzantinistik 1. Lang, Frankfurt am Main u.a. 1994, ISBN 3-631-46757-5.
  • Ralph-Johannes Lilie (Hrsg.): Die Patriarchen der ikonoklastischen Zeit. Germanos I.–Methodios I. (715–847). Berliner byzantinistische Studien 5. Lang, Frankfurt am Main u.a. 1999, ISBN 3-631-35183-6.
  • Leslie Brubaker, John F. Haldon: Byzantium in the Iconoclast era. c. 680–850. A History. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2011, ISBN 978-0-521-43093-7.
  • Leslie Brubaker, John Haldon, R. Ousterhout: Byzantium in the Iconoclast Era (ca. 680–850): The Sources. An Annotated Survey. Birmingham Byzantine and Ottoman Monographs 7. Ashgate, Aldershot u.a. 2001, ISBN 0-7546-0418-7.
  • Torsten Krannich u.a.: Die ikonoklastische Synode von Hiereia 754. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar ihres Horos. [...] Studien und Texte zu Antike und Christentum 15. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147931-9.
  • Ambrosios Giakalis: Images of the Divine. The Theology of Icons at the Seventh Ecumenical Council. Studies in the History of Christian Traditions 122. Brill, Leiden u.a., (1994) erw. Aufl. 2005, ISBN 90-04-14328-9.
  • Hans Georg Thümmel: Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. und 9. Jahrhundert. Das 7. Ökumenische Konzil in Nikaia 787. Konziliengeschichte A: Darstellungen. Schöningh, Paderborn u.a. 2005, ISBN 3-506-71374-4 (Inhaltsverzeichnis).
  • Jaroslav Pelikan: Images of the Invisible, S. 91-133 in "The Spirit of Eastern Christendom", 1974, University of Chicago Press, ISBN 0-226-65373-0 (Theologische Entwicklungen)

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